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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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steht darauf. Das ist ein Werk eines vollendeten Meisters, ein Gedicht in
Farben.

Von den Landschaften, die in Paris die Mehrheit beider Ausstellungen
ausmachten, sind nur wenige herübergekommen. Vielfach holen sich die Pariser
Sezessionisten ihre Motive aus dem Süden ihres Landes wegen des gleich¬
mäßigen klaren Sonnenlichtes, so Montenard. Poetische Empfindung ist immer
in diesen Bildern. Zuweilen wird sie personifizirt: Lagarde läßt die Stimmen
der Dämmerung als geisterhafte Gestalten über einem Teiche schweben.

Unter den Figurenbildern steht in erster Linie ein Bild von Dagnan-
Bouveret: am Räude eines Waldes sind Hirten versammelt, von denen sich einer
in die Mitte gestellt hat und Geige spielt. Die Köpfe tragen realistische Züge,
aber sie sind mit slächenhafter Wirkung gemalt, und der dämmerige Vortrag
ist geschickt benutzt, um eine poetische Stimmung hervorzurufen. Man glaubt
die sanfte Melodie der Geige zu hören, man glaubt die Wirkung der Musik in
den Seelen dieser einfachen Leute zu spüren.

Dem Bildnis thun die Pariser Sezessionisten ebenso wie die Münchner
gern Gewalt an. Es handelt sich auch bei ihnen weniger um schlagende Wieder¬
gabe der Persönlichkeit, als um irgend welche malerischen Reize. Aber sie
bestreben sich doch, ihre Bildnisse angenehm zu machen. Äußerst pikant ist die
schwarz gekleidete Dame vor einem roten Vorhang von Gervex; interessant sind
die Bcleuchtungseffette auf den Damenbildnisfen von John Alexander. Gustave
Courtvis und Carolus Duran halten sich mehr an die hergebrachte Weise.

Wir begeben uns uun wieder in den Glaspalast zurück und betreten die bel¬
gischen Süle, wo wir vielfache Anklänge an die französische Kunst finden; aber
es sind nicht die einzigen, die sich bei den Belgiern bemerklich machen. Sie
charakterisiren sich als ein Mischvolk dadurch, daß sie den verschiedensten Ein¬
flüssen zugänglich sind. Das Flache, Körperlose der Malerei, das Poetisch-
Träumerische des Inhalts hat Khnvpff in seinem Bilde I local nix clooi- uxor
in^söll von den Franzosen angenommen: ein junges Mädchen mit Verlornen
Blick ihr feines Gesicht auf ihre zarten, durchgeistigten Hände stützend. Auch
Richir blickt in seinen Bildnissen nach Paris: über die Schultern einer jungen
Dame, bekleidet mit einem kostbaren pelzverbrämten Morgengewande, finden die
aufgelösten roten Haare, ihre Stellung und ihr Ausdruck sind affektirt und
haschen nach Effekt, aber es ist eine weltmännisch elegante Mache in dem Bilde.
Als eine provinzielle Geschmacklosigkeit, die in Paris nicht vorkommen könnte,
ist die Malerei der sogenannten Vibristen zu betrachten, Anna Bond und Emile
Claus. Sie betüpfelt die ganze Vildfläche mit vielen kleinen farbigen Flecken
und meinen dadurch das Zittern der Luft darzustellen. Andre lehnen sich an
ältere Meister an, Löon Frödvric an Bvttieelli; de Vriendt in seinen Historien¬
bildern an altflandrische Teppiche -- ein guter Gedanke, denu dadurch erhalten
die gemalten Historien etwas von dem naiven Erzählungston einer alten


steht darauf. Das ist ein Werk eines vollendeten Meisters, ein Gedicht in
Farben.

Von den Landschaften, die in Paris die Mehrheit beider Ausstellungen
ausmachten, sind nur wenige herübergekommen. Vielfach holen sich die Pariser
Sezessionisten ihre Motive aus dem Süden ihres Landes wegen des gleich¬
mäßigen klaren Sonnenlichtes, so Montenard. Poetische Empfindung ist immer
in diesen Bildern. Zuweilen wird sie personifizirt: Lagarde läßt die Stimmen
der Dämmerung als geisterhafte Gestalten über einem Teiche schweben.

Unter den Figurenbildern steht in erster Linie ein Bild von Dagnan-
Bouveret: am Räude eines Waldes sind Hirten versammelt, von denen sich einer
in die Mitte gestellt hat und Geige spielt. Die Köpfe tragen realistische Züge,
aber sie sind mit slächenhafter Wirkung gemalt, und der dämmerige Vortrag
ist geschickt benutzt, um eine poetische Stimmung hervorzurufen. Man glaubt
die sanfte Melodie der Geige zu hören, man glaubt die Wirkung der Musik in
den Seelen dieser einfachen Leute zu spüren.

Dem Bildnis thun die Pariser Sezessionisten ebenso wie die Münchner
gern Gewalt an. Es handelt sich auch bei ihnen weniger um schlagende Wieder¬
gabe der Persönlichkeit, als um irgend welche malerischen Reize. Aber sie
bestreben sich doch, ihre Bildnisse angenehm zu machen. Äußerst pikant ist die
schwarz gekleidete Dame vor einem roten Vorhang von Gervex; interessant sind
die Bcleuchtungseffette auf den Damenbildnisfen von John Alexander. Gustave
Courtvis und Carolus Duran halten sich mehr an die hergebrachte Weise.

Wir begeben uns uun wieder in den Glaspalast zurück und betreten die bel¬
gischen Süle, wo wir vielfache Anklänge an die französische Kunst finden; aber
es sind nicht die einzigen, die sich bei den Belgiern bemerklich machen. Sie
charakterisiren sich als ein Mischvolk dadurch, daß sie den verschiedensten Ein¬
flüssen zugänglich sind. Das Flache, Körperlose der Malerei, das Poetisch-
Träumerische des Inhalts hat Khnvpff in seinem Bilde I local nix clooi- uxor
in^söll von den Franzosen angenommen: ein junges Mädchen mit Verlornen
Blick ihr feines Gesicht auf ihre zarten, durchgeistigten Hände stützend. Auch
Richir blickt in seinen Bildnissen nach Paris: über die Schultern einer jungen
Dame, bekleidet mit einem kostbaren pelzverbrämten Morgengewande, finden die
aufgelösten roten Haare, ihre Stellung und ihr Ausdruck sind affektirt und
haschen nach Effekt, aber es ist eine weltmännisch elegante Mache in dem Bilde.
Als eine provinzielle Geschmacklosigkeit, die in Paris nicht vorkommen könnte,
ist die Malerei der sogenannten Vibristen zu betrachten, Anna Bond und Emile
Claus. Sie betüpfelt die ganze Vildfläche mit vielen kleinen farbigen Flecken
und meinen dadurch das Zittern der Luft darzustellen. Andre lehnen sich an
ältere Meister an, Löon Frödvric an Bvttieelli; de Vriendt in seinen Historien¬
bildern an altflandrische Teppiche — ein guter Gedanke, denu dadurch erhalten
die gemalten Historien etwas von dem naiven Erzählungston einer alten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/80>, abgerufen am 22.07.2024.