Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.durch gut konservative Gesinnung gesühnt zu haben. Nun soll ich selbst meine Stumpf gleitet mein Blick über die letzten Rubriken. "Besitzverhältnisse So ist denn der harte Schluß die Erkenntnis, daß mein Traum, auch durch gut konservative Gesinnung gesühnt zu haben. Nun soll ich selbst meine Stumpf gleitet mein Blick über die letzten Rubriken. „Besitzverhältnisse So ist denn der harte Schluß die Erkenntnis, daß mein Traum, auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0640" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/216364"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2475" prev="#ID_2474"> durch gut konservative Gesinnung gesühnt zu haben. Nun soll ich selbst meine<lb/> Schande wieder laut in die Welt hinausrufen? Einmal nicht Korpsstudent<lb/> gewesen, und das Kainszeichen der Zugehörigkeit zur schlechte« Gesellschaft<lb/> bleibt meiner Stiru für immer ausgedrückt! Sei es drum. Ich bin um eine<lb/> Hoffnung ärmer und muß mein Leid still zu tragen suchen. Nur eins gelobe<lb/> ich: meine Jungen müssen einst Korpsstudenten werden, und wenn ich weder<lb/> Schuster noch Schneider mehr bezahlen sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2476"> Stumpf gleitet mein Blick über die letzten Rubriken. „Besitzverhältnisse<lb/> (Fideikommisse, Herrschaften und sonstigen Grundbesitz)" — ach, ich habe ja<lb/> keinen Ar und keinen Strohhalm. „Werke von Schriftstellern und Künstlern?"<lb/> Ob mich eine gelegentliche Mitarbeiterschaft an den Grenzboten in Berlin hin¬<lb/> reichend legitimiren wird, muß ich billig bezweifeln, um so mehr, als gebeten<lb/> wird, „nur die wichtigsten, in Buchform erschienenen Werke auszuführen." Zu<lb/> den Künstlern, also den Malern, Bildhauern und Architekten, die ihre Werke<lb/> „in Buchform" erscheinen lassen, gehöre ich nicht, und als Schriftsteller habe<lb/> ich für mein Manuskript: „?in c!« nvolv im Lichte des führenden Berliner-<lb/> tnms" noch keinen Verleger gefunden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2477"> So ist denn der harte Schluß die Erkenntnis, daß mein Traum, auch<lb/> ich gehörte der guten Gesellschaft an, doch eben nnr ein holder Traum ge¬<lb/> wesen ist. Und doch, dem Versuch, die gesamte gute Gesellschaft Deutschlands<lb/> einmal ans Druckpapier festzulegen, bleibt meine Sympathie gewidmet, selbst<lb/> wenn er über meine Leiche schreitet. Ich naße mir deshalb an, noch fol¬<lb/> gende Vervollständigungen des Fragebogens anzuregen: „Hat Ihr Erkerfenster<lb/> Butzenscheiben? Sind Ihre Möbel in Rokoko oder Empire gehalten, oder<lb/> sind sie schlechthin stilvoll? Pnnzt Ihre Fräulein Tochter in Leder, oder<lb/> brennt sie in Holz, oder malt sie Basen? Wieviel Fox Terriers in Porzellan-<lb/> Bisknit stehen auf Ihrem Kaminsims? Welche Bücher, außer Ebers und Felix<lb/> Dahn, enthält Ihr Bücherschrank?" Und zuletzt: „Sind Sie auch genügend<lb/> abgehärtet gegen die ungeheure Lächerlichkeit und die lächerliche Ungeheuer¬<lb/> lichkeit, am Ende des neunzehnten Jahrhunderts die Zugehörigkeit zur „guten<lb/> Gesellschaft," zur „Aristokratie des Geistes" nach äußern Merkmalen, na¬<lb/> mentlich nach dem Militärverhältnis, der Korpszngehörigkeit und den Besitz¬<lb/> verhältnissen bestimmen zu wollen?"</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0640]
durch gut konservative Gesinnung gesühnt zu haben. Nun soll ich selbst meine
Schande wieder laut in die Welt hinausrufen? Einmal nicht Korpsstudent
gewesen, und das Kainszeichen der Zugehörigkeit zur schlechte« Gesellschaft
bleibt meiner Stiru für immer ausgedrückt! Sei es drum. Ich bin um eine
Hoffnung ärmer und muß mein Leid still zu tragen suchen. Nur eins gelobe
ich: meine Jungen müssen einst Korpsstudenten werden, und wenn ich weder
Schuster noch Schneider mehr bezahlen sollte.
Stumpf gleitet mein Blick über die letzten Rubriken. „Besitzverhältnisse
(Fideikommisse, Herrschaften und sonstigen Grundbesitz)" — ach, ich habe ja
keinen Ar und keinen Strohhalm. „Werke von Schriftstellern und Künstlern?"
Ob mich eine gelegentliche Mitarbeiterschaft an den Grenzboten in Berlin hin¬
reichend legitimiren wird, muß ich billig bezweifeln, um so mehr, als gebeten
wird, „nur die wichtigsten, in Buchform erschienenen Werke auszuführen." Zu
den Künstlern, also den Malern, Bildhauern und Architekten, die ihre Werke
„in Buchform" erscheinen lassen, gehöre ich nicht, und als Schriftsteller habe
ich für mein Manuskript: „?in c!« nvolv im Lichte des führenden Berliner-
tnms" noch keinen Verleger gefunden.
So ist denn der harte Schluß die Erkenntnis, daß mein Traum, auch
ich gehörte der guten Gesellschaft an, doch eben nnr ein holder Traum ge¬
wesen ist. Und doch, dem Versuch, die gesamte gute Gesellschaft Deutschlands
einmal ans Druckpapier festzulegen, bleibt meine Sympathie gewidmet, selbst
wenn er über meine Leiche schreitet. Ich naße mir deshalb an, noch fol¬
gende Vervollständigungen des Fragebogens anzuregen: „Hat Ihr Erkerfenster
Butzenscheiben? Sind Ihre Möbel in Rokoko oder Empire gehalten, oder
sind sie schlechthin stilvoll? Pnnzt Ihre Fräulein Tochter in Leder, oder
brennt sie in Holz, oder malt sie Basen? Wieviel Fox Terriers in Porzellan-
Bisknit stehen auf Ihrem Kaminsims? Welche Bücher, außer Ebers und Felix
Dahn, enthält Ihr Bücherschrank?" Und zuletzt: „Sind Sie auch genügend
abgehärtet gegen die ungeheure Lächerlichkeit und die lächerliche Ungeheuer¬
lichkeit, am Ende des neunzehnten Jahrhunderts die Zugehörigkeit zur „guten
Gesellschaft," zur „Aristokratie des Geistes" nach äußern Merkmalen, na¬
mentlich nach dem Militärverhältnis, der Korpszngehörigkeit und den Besitz¬
verhältnissen bestimmen zu wollen?"
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