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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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er aus dem Kohlengräberstreik allein nicht erklärt werden könne. (Es braucht
kaum bemerkt zu werden, daß die LiiUirä^ Usvisv, als ein hocharistokratisches
Blatt, auf die Aufständischen sehr schlecht zu sprechen ist und die Wirkungen
der Streiks im allgemeinen so schwarz wie möglich malt.) Es sei also nicht
daran zu zweifeln, das die Kaufkraft des Volkes abnehme.

Ob unter diesen Umstünden die Brandfackeln und Brandreden der englischen
Arbeiter als die Vorboten der hereinbrechenden Nacht oder als die Morgenröte
eines neuen Tages anzusehen seien, vermöchte nur ein Seher zu sagen. Soviel
aber steht vorläufig fest, daß in England beide Richtungen des optimistischen
Manchestertums bankrott gemacht haben. Die ältere, indem nicht allein die
geträumte Interessenharmonie zwischen England und den übrigen Staaten,
sondern auch die zwischen Kapital und Arbeit längst in die Brüche gegangen
ist; die neuere, die in Deutschland von Brentano und seiner Schule vertreten
wird/") indem sich die englischen Gewerkvereine mit unzweideutiger Entschieden¬
heit dem Sozialismus zuwenden. Auf dem Gewerkvereinskongreß zu Belfast
wurde beschlossen, einen Fonds zu gründen zur Unterstützung von Arbeiter¬
kandidaten. Hierzu wurde noch ein Zusatz des Abgeordneten Macdonald an¬
genommen, wonach sich die Arbeiterkandidaten verpflichten sollen, den Grundsatz
zu vertreten, daß das Gemeineigentum eingeführt und die Produktion wie die
Einkommenverteilung unter öffentliche Aufsicht gestellt werden müsse (to 8uxxort
los principio ok "zollöeUve ovnoi'Zuiv nennt ecmtrol ok g.11 ello moins c>l' pro-
"IneUoii g-na äiLtridution, ana tue, I^tour xrogr^ran?, g.s ÄAreoZ uxor trollt
Uiriv de> tinuz tds Ocmg'rsW). Vor zehn Jahren, bemerkt dazu der Vorwärts,
wäre ein solcher Antrag ganz unmöglich gewesen; vor drei Jahren wurde er
zum erstenmal eingebracht und erhielt 55 von 363, diesmal aber 137 von
380 Stimmen; 97 stimmten dagegen, die übrigen fehlten bei der Abstimmung,
doch wird behauptet, daß sie mit der Mehrheit einverstanden seien. Mit dem
"sozialen Frieden," den Schulze-Gävernitz und seine Freunde preisen, ist es
schon lange nichts mehr. Die Litwrä^ Usviov schildert die Kohlengräber,
neben den Maschinenbauern und den Spinnern die Säulen der gepriesenen
englischen Arbeiteraristokratie, als eine Rotte von Mordbrennern, Straßen¬
räubern und unverschämtem Bettlern und die Gewerkvereine im allgemeinen
als Verschwörerbauden, deren wahnwitzigen und verbrecherischen Treiben ein
Ende gemacht werden müsse. Sollten die sozialistischen Bestrebungen erfolglos
verlaufen, so wäre damit der Sieg der Pessimisten nnter den Manchesterleuten,
der Malthustaner, besiegelt, die das Arbeiterelend für unabwendbar und für
eine Bedingung des Kultursortschritts halten.



^) Sie hat bekanntlich die "klassische Ökonomie" in einem wesentlichen Punkte berichtigt:
das sreie Spiel der Kräfte führe allerdings zum Heil, nnr müsse es wirklich frei sein, müsse
namentlich der Arbeitskontrakt frei sein, und dazu gehöre, das; dem Kapital nicht der einzelne
machtlose Arbeiter, sondern eine Organisation mächtiger Gewerkvereine gegenüberstehe.
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er aus dem Kohlengräberstreik allein nicht erklärt werden könne. (Es braucht
kaum bemerkt zu werden, daß die LiiUirä^ Usvisv, als ein hocharistokratisches
Blatt, auf die Aufständischen sehr schlecht zu sprechen ist und die Wirkungen
der Streiks im allgemeinen so schwarz wie möglich malt.) Es sei also nicht
daran zu zweifeln, das die Kaufkraft des Volkes abnehme.

Ob unter diesen Umstünden die Brandfackeln und Brandreden der englischen
Arbeiter als die Vorboten der hereinbrechenden Nacht oder als die Morgenröte
eines neuen Tages anzusehen seien, vermöchte nur ein Seher zu sagen. Soviel
aber steht vorläufig fest, daß in England beide Richtungen des optimistischen
Manchestertums bankrott gemacht haben. Die ältere, indem nicht allein die
geträumte Interessenharmonie zwischen England und den übrigen Staaten,
sondern auch die zwischen Kapital und Arbeit längst in die Brüche gegangen
ist; die neuere, die in Deutschland von Brentano und seiner Schule vertreten
wird/") indem sich die englischen Gewerkvereine mit unzweideutiger Entschieden¬
heit dem Sozialismus zuwenden. Auf dem Gewerkvereinskongreß zu Belfast
wurde beschlossen, einen Fonds zu gründen zur Unterstützung von Arbeiter¬
kandidaten. Hierzu wurde noch ein Zusatz des Abgeordneten Macdonald an¬
genommen, wonach sich die Arbeiterkandidaten verpflichten sollen, den Grundsatz
zu vertreten, daß das Gemeineigentum eingeführt und die Produktion wie die
Einkommenverteilung unter öffentliche Aufsicht gestellt werden müsse (to 8uxxort
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Uiriv de> tinuz tds Ocmg'rsW). Vor zehn Jahren, bemerkt dazu der Vorwärts,
wäre ein solcher Antrag ganz unmöglich gewesen; vor drei Jahren wurde er
zum erstenmal eingebracht und erhielt 55 von 363, diesmal aber 137 von
380 Stimmen; 97 stimmten dagegen, die übrigen fehlten bei der Abstimmung,
doch wird behauptet, daß sie mit der Mehrheit einverstanden seien. Mit dem
„sozialen Frieden," den Schulze-Gävernitz und seine Freunde preisen, ist es
schon lange nichts mehr. Die Litwrä^ Usviov schildert die Kohlengräber,
neben den Maschinenbauern und den Spinnern die Säulen der gepriesenen
englischen Arbeiteraristokratie, als eine Rotte von Mordbrennern, Straßen¬
räubern und unverschämtem Bettlern und die Gewerkvereine im allgemeinen
als Verschwörerbauden, deren wahnwitzigen und verbrecherischen Treiben ein
Ende gemacht werden müsse. Sollten die sozialistischen Bestrebungen erfolglos
verlaufen, so wäre damit der Sieg der Pessimisten nnter den Manchesterleuten,
der Malthustaner, besiegelt, die das Arbeiterelend für unabwendbar und für
eine Bedingung des Kultursortschritts halten.



^) Sie hat bekanntlich die „klassische Ökonomie" in einem wesentlichen Punkte berichtigt:
das sreie Spiel der Kräfte führe allerdings zum Heil, nnr müsse es wirklich frei sein, müsse
namentlich der Arbeitskontrakt frei sein, und dazu gehöre, das; dem Kapital nicht der einzelne
machtlose Arbeiter, sondern eine Organisation mächtiger Gewerkvereine gegenüberstehe.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/62>, abgerufen am 22.07.2024.