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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Den geschichtlichen Überlieferungen und ihrem stark ausgeprägten National¬
gefühl verdanken die Franzosen die Stärke ihrer Kriegsflotte. Damit haben
sie es erreicht, das; ihre Flagge selbst den Engländern auf alleu Meeren Ach¬
tung einflößt. Ihr Stolz erträgt es nicht, auf den freien Meeren die Flagge
zu streichen. Obgleich Frankreich für sein Landheer größere Ausgaben macht,
als wir für das unsre, so bringt es doch alljährlich ein doppelt so hohes
Opfer als wir für seiue Kriegsflotte!

Wie steht es uun bei den andern Seestaaten unsers Festlandes? Ru߬
lands Kreuzerflotte hat Kriegskreuzer, darunter 8 Panzerkreuzer und
5 durch Panzerdeck geschützte Kreuzer erster Klasse, 14 meist ältere Kreuzer zweiter
Klasse und 6 sehr schnelle (über zwanzig Seemeilen laufende) Torpcdokreuzer.
Außerdem sind zum Kreuzerkrieg 17 seegeheude Kanonenboote, 20 bessere Trans¬
portdampfer und 6 schnelle Hilfskreuzer (Handelsdampfer) geeignet. Das macht
zusammen 76 Kreuzer. Diese haben nur 216 Handelsschiffe, darunter 115
Dampfer, von mehr als 400 Tonnen Nettoraumgehalt zu schützen. Hier
kommen also gar nur ^Z4 Handelsschiffe auf einen Kreuzer. Rußlands Aus¬
gaben fikr die Marine sind um.ein gutes Viertel größer als die Deutschlands.
Das Land verdankt seine Flotte Peter dem Großen; er hatte in Holland und
England mit scharfem Blick die Notwendigkeit einer Seemacht erkannt. Traurig
genug, daß für uns noch heute fast dasselbe gilt, was Giovannini von Mem¬
mingen, der Verfasser einer Flugschrift zur Hebung des Seewesens, 1754 sagte:
"Wer hätte es zu den Zeiten, als man in Teutschland die Moskowiter noch unter
die Barbaren rechnete und Unchristen schalt, geglaubt, daß eben diese Nation
dereinst so mächtig und zwar ungleich mächtiger zur See werden sollte, als
die Teutschen selbst? Und gleichwohl zeugen die russischen Flotte" heutzutage
von dem Gegenteil und von der Russen vorzüglicher Gewalt ans dem Meere.
Dieser einzige Umstand dürfte vielleicht hinlänglich und der Mühe wert seyn,
daß das gesamte Reich die auf der See wieder herzustellende Hoheit des
teutschen Reichs auf allgemeinen Reichstage in nähere Betrachtung zöge, Jhro
kahserlichc Majestät hierunter geziemende Vorstellung thäte und zu gedey-
lichcr Ausführung dieses wichtigen Projekts alle diensame Mittel an die
Hand gäbe."

In undenkbar kurzer Zeit hat sich Italien eine tüchtige Flotte geschaffen.
Das Land, dessen Bevölkerung nur fünf Achtel der deutscheu beträgt, und
dessen Volkswohlstand gewiß nicht ans der Stufe des unsrigen steht, hat in
seinem letzten Haushalt 78 Millionen Mark, 1888/89 sogar 126 Millionen
Mark für seine Kriegsflotte ausgegeben. Seine Kreuzerflotte setzt sich zu¬
sammen aus 7 ältern Kreuzern, 14 sehr schnellen und geschützten Torpedo-
krenzern, 14 ebenfalls sehr schnellen Tvrpedorammkreuzeru <Mök,<z torpecliuicW),
6 secgehendeu Kauouenbovten, 10 Transportschiffen und 8 schnellen Hilfs¬
kreuzern. Diese 5'.) italienischen Kreuzer verschiedner Gattung haben 722


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Den geschichtlichen Überlieferungen und ihrem stark ausgeprägten National¬
gefühl verdanken die Franzosen die Stärke ihrer Kriegsflotte. Damit haben
sie es erreicht, das; ihre Flagge selbst den Engländern auf alleu Meeren Ach¬
tung einflößt. Ihr Stolz erträgt es nicht, auf den freien Meeren die Flagge
zu streichen. Obgleich Frankreich für sein Landheer größere Ausgaben macht,
als wir für das unsre, so bringt es doch alljährlich ein doppelt so hohes
Opfer als wir für seiue Kriegsflotte!

Wie steht es uun bei den andern Seestaaten unsers Festlandes? Ru߬
lands Kreuzerflotte hat Kriegskreuzer, darunter 8 Panzerkreuzer und
5 durch Panzerdeck geschützte Kreuzer erster Klasse, 14 meist ältere Kreuzer zweiter
Klasse und 6 sehr schnelle (über zwanzig Seemeilen laufende) Torpcdokreuzer.
Außerdem sind zum Kreuzerkrieg 17 seegeheude Kanonenboote, 20 bessere Trans¬
portdampfer und 6 schnelle Hilfskreuzer (Handelsdampfer) geeignet. Das macht
zusammen 76 Kreuzer. Diese haben nur 216 Handelsschiffe, darunter 115
Dampfer, von mehr als 400 Tonnen Nettoraumgehalt zu schützen. Hier
kommen also gar nur ^Z4 Handelsschiffe auf einen Kreuzer. Rußlands Aus¬
gaben fikr die Marine sind um.ein gutes Viertel größer als die Deutschlands.
Das Land verdankt seine Flotte Peter dem Großen; er hatte in Holland und
England mit scharfem Blick die Notwendigkeit einer Seemacht erkannt. Traurig
genug, daß für uns noch heute fast dasselbe gilt, was Giovannini von Mem¬
mingen, der Verfasser einer Flugschrift zur Hebung des Seewesens, 1754 sagte:
„Wer hätte es zu den Zeiten, als man in Teutschland die Moskowiter noch unter
die Barbaren rechnete und Unchristen schalt, geglaubt, daß eben diese Nation
dereinst so mächtig und zwar ungleich mächtiger zur See werden sollte, als
die Teutschen selbst? Und gleichwohl zeugen die russischen Flotte» heutzutage
von dem Gegenteil und von der Russen vorzüglicher Gewalt ans dem Meere.
Dieser einzige Umstand dürfte vielleicht hinlänglich und der Mühe wert seyn,
daß das gesamte Reich die auf der See wieder herzustellende Hoheit des
teutschen Reichs auf allgemeinen Reichstage in nähere Betrachtung zöge, Jhro
kahserlichc Majestät hierunter geziemende Vorstellung thäte und zu gedey-
lichcr Ausführung dieses wichtigen Projekts alle diensame Mittel an die
Hand gäbe."

In undenkbar kurzer Zeit hat sich Italien eine tüchtige Flotte geschaffen.
Das Land, dessen Bevölkerung nur fünf Achtel der deutscheu beträgt, und
dessen Volkswohlstand gewiß nicht ans der Stufe des unsrigen steht, hat in
seinem letzten Haushalt 78 Millionen Mark, 1888/89 sogar 126 Millionen
Mark für seine Kriegsflotte ausgegeben. Seine Kreuzerflotte setzt sich zu¬
sammen aus 7 ältern Kreuzern, 14 sehr schnellen und geschützten Torpedo-
krenzern, 14 ebenfalls sehr schnellen Tvrpedorammkreuzeru <Mök,<z torpecliuicW),
6 secgehendeu Kauouenbovten, 10 Transportschiffen und 8 schnellen Hilfs¬
kreuzern. Diese 5'.) italienischen Kreuzer verschiedner Gattung haben 722


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[0574] Mehr Arenzerl Den geschichtlichen Überlieferungen und ihrem stark ausgeprägten National¬ gefühl verdanken die Franzosen die Stärke ihrer Kriegsflotte. Damit haben sie es erreicht, das; ihre Flagge selbst den Engländern auf alleu Meeren Ach¬ tung einflößt. Ihr Stolz erträgt es nicht, auf den freien Meeren die Flagge zu streichen. Obgleich Frankreich für sein Landheer größere Ausgaben macht, als wir für das unsre, so bringt es doch alljährlich ein doppelt so hohes Opfer als wir für seiue Kriegsflotte! Wie steht es uun bei den andern Seestaaten unsers Festlandes? Ru߬ lands Kreuzerflotte hat Kriegskreuzer, darunter 8 Panzerkreuzer und 5 durch Panzerdeck geschützte Kreuzer erster Klasse, 14 meist ältere Kreuzer zweiter Klasse und 6 sehr schnelle (über zwanzig Seemeilen laufende) Torpcdokreuzer. Außerdem sind zum Kreuzerkrieg 17 seegeheude Kanonenboote, 20 bessere Trans¬ portdampfer und 6 schnelle Hilfskreuzer (Handelsdampfer) geeignet. Das macht zusammen 76 Kreuzer. Diese haben nur 216 Handelsschiffe, darunter 115 Dampfer, von mehr als 400 Tonnen Nettoraumgehalt zu schützen. Hier kommen also gar nur ^Z4 Handelsschiffe auf einen Kreuzer. Rußlands Aus¬ gaben fikr die Marine sind um.ein gutes Viertel größer als die Deutschlands. Das Land verdankt seine Flotte Peter dem Großen; er hatte in Holland und England mit scharfem Blick die Notwendigkeit einer Seemacht erkannt. Traurig genug, daß für uns noch heute fast dasselbe gilt, was Giovannini von Mem¬ mingen, der Verfasser einer Flugschrift zur Hebung des Seewesens, 1754 sagte: „Wer hätte es zu den Zeiten, als man in Teutschland die Moskowiter noch unter die Barbaren rechnete und Unchristen schalt, geglaubt, daß eben diese Nation dereinst so mächtig und zwar ungleich mächtiger zur See werden sollte, als die Teutschen selbst? Und gleichwohl zeugen die russischen Flotte» heutzutage von dem Gegenteil und von der Russen vorzüglicher Gewalt ans dem Meere. Dieser einzige Umstand dürfte vielleicht hinlänglich und der Mühe wert seyn, daß das gesamte Reich die auf der See wieder herzustellende Hoheit des teutschen Reichs auf allgemeinen Reichstage in nähere Betrachtung zöge, Jhro kahserlichc Majestät hierunter geziemende Vorstellung thäte und zu gedey- lichcr Ausführung dieses wichtigen Projekts alle diensame Mittel an die Hand gäbe." In undenkbar kurzer Zeit hat sich Italien eine tüchtige Flotte geschaffen. Das Land, dessen Bevölkerung nur fünf Achtel der deutscheu beträgt, und dessen Volkswohlstand gewiß nicht ans der Stufe des unsrigen steht, hat in seinem letzten Haushalt 78 Millionen Mark, 1888/89 sogar 126 Millionen Mark für seine Kriegsflotte ausgegeben. Seine Kreuzerflotte setzt sich zu¬ sammen aus 7 ältern Kreuzern, 14 sehr schnellen und geschützten Torpedo- krenzern, 14 ebenfalls sehr schnellen Tvrpedorammkreuzeru <Mök,<z torpecliuicW), 6 secgehendeu Kauouenbovten, 10 Transportschiffen und 8 schnellen Hilfs¬ kreuzern. Diese 5'.) italienischen Kreuzer verschiedner Gattung haben 722

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/574>, abgerufen am 22.07.2024.