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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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In neuester Zeit taucht bei einzelnen Optimisten der Gedanke auf, die
englische Flotte könnte ja, wie sie es früher im Auslande zuweilen im Ver¬
kehr mit den Völkern zweiter und dritter Sorte gethan hat, auch bei einem
europäischen Kriege deu Schutz der Seewege und unsrer Handelsflotte über¬
nehmen. Die guten Leute, die so denken, vergessen nur, daß das englische
Volk gegenwärtig das uukricgerischste unter allen Völkern erster Sorte ist.
Aales nronszs ist in England die Lösung; sie tritt zwar dort noch nicht so
offen zu Tage, wie in Amerika, beherrscht aber dafür die Volksseele "in so
vollständiger. England wird sich hüten, ohne die zwingendsten Gründe dem
Dreibünde beizutreten; denn es entginge ihm dabei die gute Gelegenheit, in
"nein großen Kriege dnrch Lieferung von Kohlen, Schiffen, Waffen und allerlei
Zubehör mit den kriegführenden Mächten Geschäfte zu machen, während es die
eignen Kriegskosten spart. Welche Vorteile brächte es daher dem schon längst
"uf Deutschlands wachsenden Seehandel eifersüchtigen Vriten, wenn die deutsche
Flagge einige Zeit vom Meere verschwinden müßte! Solche Freunde, wie die
Engländer, gehen ein Dutzend aufs Lot; wollen wir sicher gehen, so dürfen
wir nicht auf Englands Flotte rechnen. Dazu kommt, daß die Engländer von
heute einen ganz bedenklichen Respekt vor der französischen Flotte haben, wie
>>wu aus vielen Zeichen erkennen kann. Freilich, die Schlacht bei Trafalgar
wurde vor achtundachtzig Jahre" geschlagen. Man lese nnr z. B. die von
W. Laird Clowes verfaßte Geschichte aus der nächsten Zukunft: Der Kom¬
mandant der Mary Nose. Sie behandelt eine plötzliche kriegerische Verwick¬
lung mit Frankreich, bei der gleich in den ersten Tagen mehrere stattliche eng¬
lische Panzergeschwader von den Franzosen vollständig vernichtet werden/'')

Auch das erscheint sehr zweifelhaft, wie weit Englands Freundschaft für
Italien geht; die Sendung eines englischen Geschwaders in die italienischen
Häfen, als Gegengewicht gegen den Besuch des russischen Geschwaders in
Toulon, ist noch kein Beweis, daß es in einem .Kriege für Italien eintreten
werde. Bei der augenblicklichen Gewitterluft im Mittelmeere liegt es sehr nahe,
daß England für seine eignen Zwecke, zum Schutze des Suezkanals und zur
Unterstützung seines ausgedehnten Seehandels mit der Levante seine Mittel-
meerflvtte verstärkt. Rußland und Frankreich hüten sich vorläufig, John Bulls
Kreise zu stören; sie werden mich ein Ange zudrücken, wenn es plötzlich heißen
sollte: England hat die Gelegenheit der allgemeinen Unruhe benutzt und sich
eine neue Flotteustatiou im Mittelmer, z. B. die Besikabucht "erworben." Dafür
befestigt Frankreich ungestört Bizerta, einen Platz, der für unsre italienischen
Bundesgenossen eine weit unbequemere Lage hat, als für uns der jüngste



Dieses Zukunftsbild eines Seekriegs enthält reiche Belehrung für Laien und Fach¬
te, deshalb sei hier darauf aufmerksam gemacht. Eine Übersetzung erscheint soeben in der
entheben Marine-Rundschau (Berlin, Mittler und Subr).
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In neuester Zeit taucht bei einzelnen Optimisten der Gedanke auf, die
englische Flotte könnte ja, wie sie es früher im Auslande zuweilen im Ver¬
kehr mit den Völkern zweiter und dritter Sorte gethan hat, auch bei einem
europäischen Kriege deu Schutz der Seewege und unsrer Handelsflotte über¬
nehmen. Die guten Leute, die so denken, vergessen nur, daß das englische
Volk gegenwärtig das uukricgerischste unter allen Völkern erster Sorte ist.
Aales nronszs ist in England die Lösung; sie tritt zwar dort noch nicht so
offen zu Tage, wie in Amerika, beherrscht aber dafür die Volksseele »in so
vollständiger. England wird sich hüten, ohne die zwingendsten Gründe dem
Dreibünde beizutreten; denn es entginge ihm dabei die gute Gelegenheit, in
«nein großen Kriege dnrch Lieferung von Kohlen, Schiffen, Waffen und allerlei
Zubehör mit den kriegführenden Mächten Geschäfte zu machen, während es die
eignen Kriegskosten spart. Welche Vorteile brächte es daher dem schon längst
"uf Deutschlands wachsenden Seehandel eifersüchtigen Vriten, wenn die deutsche
Flagge einige Zeit vom Meere verschwinden müßte! Solche Freunde, wie die
Engländer, gehen ein Dutzend aufs Lot; wollen wir sicher gehen, so dürfen
wir nicht auf Englands Flotte rechnen. Dazu kommt, daß die Engländer von
heute einen ganz bedenklichen Respekt vor der französischen Flotte haben, wie
>>wu aus vielen Zeichen erkennen kann. Freilich, die Schlacht bei Trafalgar
wurde vor achtundachtzig Jahre» geschlagen. Man lese nnr z. B. die von
W. Laird Clowes verfaßte Geschichte aus der nächsten Zukunft: Der Kom¬
mandant der Mary Nose. Sie behandelt eine plötzliche kriegerische Verwick¬
lung mit Frankreich, bei der gleich in den ersten Tagen mehrere stattliche eng¬
lische Panzergeschwader von den Franzosen vollständig vernichtet werden/'')

Auch das erscheint sehr zweifelhaft, wie weit Englands Freundschaft für
Italien geht; die Sendung eines englischen Geschwaders in die italienischen
Häfen, als Gegengewicht gegen den Besuch des russischen Geschwaders in
Toulon, ist noch kein Beweis, daß es in einem .Kriege für Italien eintreten
werde. Bei der augenblicklichen Gewitterluft im Mittelmeere liegt es sehr nahe,
daß England für seine eignen Zwecke, zum Schutze des Suezkanals und zur
Unterstützung seines ausgedehnten Seehandels mit der Levante seine Mittel-
meerflvtte verstärkt. Rußland und Frankreich hüten sich vorläufig, John Bulls
Kreise zu stören; sie werden mich ein Ange zudrücken, wenn es plötzlich heißen
sollte: England hat die Gelegenheit der allgemeinen Unruhe benutzt und sich
eine neue Flotteustatiou im Mittelmer, z. B. die Besikabucht „erworben." Dafür
befestigt Frankreich ungestört Bizerta, einen Platz, der für unsre italienischen
Bundesgenossen eine weit unbequemere Lage hat, als für uns der jüngste



Dieses Zukunftsbild eines Seekriegs enthält reiche Belehrung für Laien und Fach¬
te, deshalb sei hier darauf aufmerksam gemacht. Eine Übersetzung erscheint soeben in der
entheben Marine-Rundschau (Berlin, Mittler und Subr).
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[0567] Mehr Arcuzer! In neuester Zeit taucht bei einzelnen Optimisten der Gedanke auf, die englische Flotte könnte ja, wie sie es früher im Auslande zuweilen im Ver¬ kehr mit den Völkern zweiter und dritter Sorte gethan hat, auch bei einem europäischen Kriege deu Schutz der Seewege und unsrer Handelsflotte über¬ nehmen. Die guten Leute, die so denken, vergessen nur, daß das englische Volk gegenwärtig das uukricgerischste unter allen Völkern erster Sorte ist. Aales nronszs ist in England die Lösung; sie tritt zwar dort noch nicht so offen zu Tage, wie in Amerika, beherrscht aber dafür die Volksseele »in so vollständiger. England wird sich hüten, ohne die zwingendsten Gründe dem Dreibünde beizutreten; denn es entginge ihm dabei die gute Gelegenheit, in «nein großen Kriege dnrch Lieferung von Kohlen, Schiffen, Waffen und allerlei Zubehör mit den kriegführenden Mächten Geschäfte zu machen, während es die eignen Kriegskosten spart. Welche Vorteile brächte es daher dem schon längst "uf Deutschlands wachsenden Seehandel eifersüchtigen Vriten, wenn die deutsche Flagge einige Zeit vom Meere verschwinden müßte! Solche Freunde, wie die Engländer, gehen ein Dutzend aufs Lot; wollen wir sicher gehen, so dürfen wir nicht auf Englands Flotte rechnen. Dazu kommt, daß die Engländer von heute einen ganz bedenklichen Respekt vor der französischen Flotte haben, wie >>wu aus vielen Zeichen erkennen kann. Freilich, die Schlacht bei Trafalgar wurde vor achtundachtzig Jahre» geschlagen. Man lese nnr z. B. die von W. Laird Clowes verfaßte Geschichte aus der nächsten Zukunft: Der Kom¬ mandant der Mary Nose. Sie behandelt eine plötzliche kriegerische Verwick¬ lung mit Frankreich, bei der gleich in den ersten Tagen mehrere stattliche eng¬ lische Panzergeschwader von den Franzosen vollständig vernichtet werden/'') Auch das erscheint sehr zweifelhaft, wie weit Englands Freundschaft für Italien geht; die Sendung eines englischen Geschwaders in die italienischen Häfen, als Gegengewicht gegen den Besuch des russischen Geschwaders in Toulon, ist noch kein Beweis, daß es in einem .Kriege für Italien eintreten werde. Bei der augenblicklichen Gewitterluft im Mittelmeere liegt es sehr nahe, daß England für seine eignen Zwecke, zum Schutze des Suezkanals und zur Unterstützung seines ausgedehnten Seehandels mit der Levante seine Mittel- meerflvtte verstärkt. Rußland und Frankreich hüten sich vorläufig, John Bulls Kreise zu stören; sie werden mich ein Ange zudrücken, wenn es plötzlich heißen sollte: England hat die Gelegenheit der allgemeinen Unruhe benutzt und sich eine neue Flotteustatiou im Mittelmer, z. B. die Besikabucht „erworben." Dafür befestigt Frankreich ungestört Bizerta, einen Platz, der für unsre italienischen Bundesgenossen eine weit unbequemere Lage hat, als für uns der jüngste Dieses Zukunftsbild eines Seekriegs enthält reiche Belehrung für Laien und Fach¬ te, deshalb sei hier darauf aufmerksam gemacht. Eine Übersetzung erscheint soeben in der entheben Marine-Rundschau (Berlin, Mittler und Subr).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/567>, abgerufen am 22.07.2024.