Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Elemente der Nationalökonomie verführen. Er erklärte gar bald diese Aufwalze für Unter denen, deren Vorlesungen als besonders wirksam bezeichnet werden müssen, Die Diskussionen, die ich mit angehört habe, schlössen sich um die Vorlesungen Maßgebliches und Unmaßgebliches Elemente der Nationalökonomie verführen. Er erklärte gar bald diese Aufwalze für Unter denen, deren Vorlesungen als besonders wirksam bezeichnet werden müssen, Die Diskussionen, die ich mit angehört habe, schlössen sich um die Vorlesungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/216225"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1869" prev="#ID_1868"> Elemente der Nationalökonomie verführen. Er erklärte gar bald diese Aufwalze für<lb/> unlösbar, aber mit Unrecht, wie uns dünkt. Sie durfte freilich nicht mechanisch,<lb/> sondern mußte chemisch gelüst werden. Ich meine, nicht in der Vorführung und<lb/> Erklärung aus dem Zusammenhang gerissener Grundbegriffe und in dem Bestreben,<lb/> möglichst vollständig zu sein, konnte die Lösung bestehen, sondern in der sorgfältigen<lb/> Auswahl der die Gegenwart beschäftigenden Hauptbegriffe und der Darlegung ihres<lb/> inner» Zusammenhangs. Der vortreffliche „Grundriß," der den Hörern der Kurse<lb/> eingehändigt wurde, giebt ein ausgezeichnetes Gerippe der Wissenschaft vom Stand-<lb/> Punkte Wagners, aber dieses Gerippe einigermaßen mit Fleisch und Blut zu um¬<lb/> kleiden, dazu würden statt acht Stunden acht Wochen gehören. So kam es, daß<lb/> mancher vou den Vorlesungen, von denen er sich von vornherein das meiste ver¬<lb/> sprochen, vielleicht das wenigste hatte. Die Meisterschaft Wagners trat nicht in den<lb/> Vorlesungen, sondern in der darauffolgenden Diskussion zu Tage, während andre,<lb/> die sich durch geschicktere Anordnung und Bearbeitung des Stoffes auszeichneten,<lb/> in der Diskussion zurückstanden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1870"> Unter denen, deren Vorlesungen als besonders wirksam bezeichnet werden müssen,<lb/> sind vor allem Professor Elster, or. Weber und or. Otterberg zu nennen. Elster<lb/> entwickelte die Systeme der Volkswirtschaft von den Merkantilisten an bis auf<lb/> Fr. List. Er sprach überaus klar, greifbar, anschaulich. Die Darstellung der ein¬<lb/> zelnen Systeme glich fein abgerundeten Bildern, die in helle Beleuchtung gerückt<lb/> waren. Der reiche Stoff war in pädagogisch richtiger Weise auf fünf Vorlesungen<lb/> zugeschnitten. Auffallend war nur, daß Rodbertns keine Würdigung fand, während<lb/> die französischen Utopisten längere Zeit in Anspruch nahmen, eine angenehme Unter¬<lb/> brechung allerdings, da sie vielfachen Anlaß zur Heiterkeit gaben. Neben Elster<lb/> riefen Weber (Landwirtschaft und Agrarpolitik) und Otterberg (Die deutsche Ar¬<lb/> beiterbewegung) den größten Eindruck hervor, obwohl der letztere nnr über ein<lb/> schwaches Organ verfügt und sein Heft Wort für Wort ablas. Aber seine Cha¬<lb/> rakteristiken von Lassalle und Marx, waren um Feinheit und Schärfe der Zeichnung<lb/> wahre Kabinettstücke. Von ganz andrer Art waren die Vortrage Webers! frisch,<lb/> keck, zugreifend, ungemein anschaulich, die Kreide an der Tafel nicht verschmähend.<lb/> Es war eine Lust, ihm zu folgen, auch solchen, die an Jahren schou vorgeschritten<lb/> waren, und denen längeres angespanntes Hören leicht eine Last wird. Vou den rudern<lb/> Duzenden, Professor Stieda (Gewerbepolitik), Dr. Rathgen (Handel), Kulcmauu (die<lb/> deutsche Sozialgesetzgebung), ist ebenfalls nur Rühmliches zu sage», wenn sie auch<lb/> uicht deu Eindruck'machten wie die genannten — einige vielleicht deshalb, weil sie<lb/> sibcnd sprachen und sich dadurch von vornherein einer größern Lebendigkeit und<lb/> Frische begaben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1871" next="#ID_1872"> Die Diskussionen, die ich mit angehört habe, schlössen sich um die Vorlesungen<lb/> Wagners und Elsters um. Den Hanptstreitpuukt bildete die Mnlthussche Bevöl¬<lb/> kerungstheorie. Hier trat ein scharfer Gegensatz zwischen den Geistlichen und den<lb/> Natumalötvnvmen hervor. Die Geistlichen bekämpften die Lehre vom religiösen<lb/> und sittlichen Standpunkte aus, die Nationalökonomen traten vom ivirtschnftlicheu<lb/> und sittlichen Stnudpuukte aus lebhaft für sie ein. Der Kampf wogte stundenlang<lb/> herüber und hinüber. Dinge der intimsten und der peinlichsten Art lumen zur<lb/> Sprache. Und das Ergebnis? Das Problem ist uicht lösbar. Jeder einzelne<lb/> "aß das mit sich nnsmnchen. Überdies brauchen wir uns nicht die Köpfe unsrer<lb/> Enkelkinder zu zerbrechen, denn die Erde hat noch Runen genug, die Erzeugung<lb/> von Nahrungsmitteln kann ungeahnte Steigerung erfahren und - intorim tot,<lb/> ^icmicl, was im Weltenplnu Gottes eingeschlossen liegt. Für den Nntionalökonvmen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0501]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Elemente der Nationalökonomie verführen. Er erklärte gar bald diese Aufwalze für
unlösbar, aber mit Unrecht, wie uns dünkt. Sie durfte freilich nicht mechanisch,
sondern mußte chemisch gelüst werden. Ich meine, nicht in der Vorführung und
Erklärung aus dem Zusammenhang gerissener Grundbegriffe und in dem Bestreben,
möglichst vollständig zu sein, konnte die Lösung bestehen, sondern in der sorgfältigen
Auswahl der die Gegenwart beschäftigenden Hauptbegriffe und der Darlegung ihres
inner» Zusammenhangs. Der vortreffliche „Grundriß," der den Hörern der Kurse
eingehändigt wurde, giebt ein ausgezeichnetes Gerippe der Wissenschaft vom Stand-
Punkte Wagners, aber dieses Gerippe einigermaßen mit Fleisch und Blut zu um¬
kleiden, dazu würden statt acht Stunden acht Wochen gehören. So kam es, daß
mancher vou den Vorlesungen, von denen er sich von vornherein das meiste ver¬
sprochen, vielleicht das wenigste hatte. Die Meisterschaft Wagners trat nicht in den
Vorlesungen, sondern in der darauffolgenden Diskussion zu Tage, während andre,
die sich durch geschicktere Anordnung und Bearbeitung des Stoffes auszeichneten,
in der Diskussion zurückstanden.
Unter denen, deren Vorlesungen als besonders wirksam bezeichnet werden müssen,
sind vor allem Professor Elster, or. Weber und or. Otterberg zu nennen. Elster
entwickelte die Systeme der Volkswirtschaft von den Merkantilisten an bis auf
Fr. List. Er sprach überaus klar, greifbar, anschaulich. Die Darstellung der ein¬
zelnen Systeme glich fein abgerundeten Bildern, die in helle Beleuchtung gerückt
waren. Der reiche Stoff war in pädagogisch richtiger Weise auf fünf Vorlesungen
zugeschnitten. Auffallend war nur, daß Rodbertns keine Würdigung fand, während
die französischen Utopisten längere Zeit in Anspruch nahmen, eine angenehme Unter¬
brechung allerdings, da sie vielfachen Anlaß zur Heiterkeit gaben. Neben Elster
riefen Weber (Landwirtschaft und Agrarpolitik) und Otterberg (Die deutsche Ar¬
beiterbewegung) den größten Eindruck hervor, obwohl der letztere nnr über ein
schwaches Organ verfügt und sein Heft Wort für Wort ablas. Aber seine Cha¬
rakteristiken von Lassalle und Marx, waren um Feinheit und Schärfe der Zeichnung
wahre Kabinettstücke. Von ganz andrer Art waren die Vortrage Webers! frisch,
keck, zugreifend, ungemein anschaulich, die Kreide an der Tafel nicht verschmähend.
Es war eine Lust, ihm zu folgen, auch solchen, die an Jahren schou vorgeschritten
waren, und denen längeres angespanntes Hören leicht eine Last wird. Vou den rudern
Duzenden, Professor Stieda (Gewerbepolitik), Dr. Rathgen (Handel), Kulcmauu (die
deutsche Sozialgesetzgebung), ist ebenfalls nur Rühmliches zu sage», wenn sie auch
uicht deu Eindruck'machten wie die genannten — einige vielleicht deshalb, weil sie
sibcnd sprachen und sich dadurch von vornherein einer größern Lebendigkeit und
Frische begaben.
Die Diskussionen, die ich mit angehört habe, schlössen sich um die Vorlesungen
Wagners und Elsters um. Den Hanptstreitpuukt bildete die Mnlthussche Bevöl¬
kerungstheorie. Hier trat ein scharfer Gegensatz zwischen den Geistlichen und den
Natumalötvnvmen hervor. Die Geistlichen bekämpften die Lehre vom religiösen
und sittlichen Standpunkte aus, die Nationalökonomen traten vom ivirtschnftlicheu
und sittlichen Stnudpuukte aus lebhaft für sie ein. Der Kampf wogte stundenlang
herüber und hinüber. Dinge der intimsten und der peinlichsten Art lumen zur
Sprache. Und das Ergebnis? Das Problem ist uicht lösbar. Jeder einzelne
"aß das mit sich nnsmnchen. Überdies brauchen wir uns nicht die Köpfe unsrer
Enkelkinder zu zerbrechen, denn die Erde hat noch Runen genug, die Erzeugung
von Nahrungsmitteln kann ungeahnte Steigerung erfahren und - intorim tot,
^icmicl, was im Weltenplnu Gottes eingeschlossen liegt. Für den Nntionalökonvmen
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