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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Bilde von Schmuz-Baudiß: Ein Kind mit einem japanischen Gewände be¬
kleidet und mit japanischen Puppen spielend. Leider wird das Blumen- und
Fruchtstück bei uns wenig gepflegt, und doch können solche Bilder um den
Wänden eine ganze Wohnung freundlich machen. Seit einigen Jahren thut
sich in diesem Fache das Hamburger Schwesternpaar Helene und Mollh Cramer
hervor. Beide sind Schülerinnen des Antwerpener Jovrs, der selber im Glas¬
palast mit einigen herrlichen Blumen- und Fruchtstücken vertreten ist. Beide
haben unter der Leitung ihres Lehrers vorzügliche Fortschritte gemacht und
kommen ihm in der Frische, der Farbe und dem Duft ihrer Bilder nahe, wenn
ihnen auch noch etwas an der geschlossenen Ruhe fehlt, die die Bilder von
Joors zu so hervorragenden Kunstwerken stempelt.

In mancher Beziehung ist auch die ältere Weise der Münchner Kunst von
modernem Geiste durchsetzt, mehr als die ältere Kunst der andern deutschen
Kunststätte, mit Ausnahme von Karlsruhe, das mit München immer ziemlich
gleichen Schritt gehalten hat. Ein Zeichen davon ist z. B., daß es die Künstler
des Glaspalastes möglichst vermeiden, ihre Genreszenen aus weit zurückliegenden
Zeiten zu nehmen. Höchstens gelingen ihnen noch Bilder aus dem Rokoko
oder dem Empire, weil von daher noch viele Wohnungseinrichtungen vorhanden
sind und der Künstler darin diese Zeit verkörpert sieht. Einige weiter zurück¬
greifende Bilder, nämlich mit geschichtlichem Genre aus der Reformationszeit,
sind künstlerisch ganz ärmlich.

Auch das eigentliche Historienbild zeigt in den Münchner Ausstellungen
nur noch eine spärliche Nachblüte. Mißlungen muß man das "Baechusfest zur
Zeit des Nero" von Celestin Medovic nennen; es ist kleinlich und fleckig. Zu
solchen Gegenständen gehört das Erhabne, wie es Wilhelm Kaulbach zu Gebote
stand, der denselben Gegenstand behandelt hat. Eduard Kämpffer hat zu seinem
Vildereyklus für das Erfurter Rathaus drei neue Gemälde vollendet, die die
Faustsage behandeln; nicht nach dem Goethischen Drama, sondern nach der
ältern Überlieferung. Durch gründliche, tüchtig geschulte Technik und zwingende
Gestaltungskraft gehört Kämpffer zu den bedeutendsten Künstlern; eine Fülle
von planvoller Arbeit steckt auch in diesen Faustbildern. Dennoch haben sie
in München einen schweren Stand, namentlich wenn man sie mit den Er¬
folgen der Sezessionisten vergleicht, denen sie in allen genannten Eigenschaften
weit überlegen sind. Das rührt daher, daß dem Künstler infolge seiner
Schulung in Düsseldorf die nötige Freiheit fehlt, auch verdirbt die nüchterne
und trockne Kasemfarbe, eine der verderblichsten Erfindungen der malerischen
Technik, von vornherein jede koloristische Wirkung.

Auch das religiöse Bild hat bei den Münchner Ausstellungen einen auf¬
fälligen Rückzug angetreten. Max Dasios heiliger Sebastian ist ein schöner Akt
in einer stimmungsvollen Landschaft. Die religiöse Weihe, die diesem Gemälde
fehlt, streben die Bilder von Eduard von Gebhardt an: die Parabel vom


Bilde von Schmuz-Baudiß: Ein Kind mit einem japanischen Gewände be¬
kleidet und mit japanischen Puppen spielend. Leider wird das Blumen- und
Fruchtstück bei uns wenig gepflegt, und doch können solche Bilder um den
Wänden eine ganze Wohnung freundlich machen. Seit einigen Jahren thut
sich in diesem Fache das Hamburger Schwesternpaar Helene und Mollh Cramer
hervor. Beide sind Schülerinnen des Antwerpener Jovrs, der selber im Glas¬
palast mit einigen herrlichen Blumen- und Fruchtstücken vertreten ist. Beide
haben unter der Leitung ihres Lehrers vorzügliche Fortschritte gemacht und
kommen ihm in der Frische, der Farbe und dem Duft ihrer Bilder nahe, wenn
ihnen auch noch etwas an der geschlossenen Ruhe fehlt, die die Bilder von
Joors zu so hervorragenden Kunstwerken stempelt.

In mancher Beziehung ist auch die ältere Weise der Münchner Kunst von
modernem Geiste durchsetzt, mehr als die ältere Kunst der andern deutschen
Kunststätte, mit Ausnahme von Karlsruhe, das mit München immer ziemlich
gleichen Schritt gehalten hat. Ein Zeichen davon ist z. B., daß es die Künstler
des Glaspalastes möglichst vermeiden, ihre Genreszenen aus weit zurückliegenden
Zeiten zu nehmen. Höchstens gelingen ihnen noch Bilder aus dem Rokoko
oder dem Empire, weil von daher noch viele Wohnungseinrichtungen vorhanden
sind und der Künstler darin diese Zeit verkörpert sieht. Einige weiter zurück¬
greifende Bilder, nämlich mit geschichtlichem Genre aus der Reformationszeit,
sind künstlerisch ganz ärmlich.

Auch das eigentliche Historienbild zeigt in den Münchner Ausstellungen
nur noch eine spärliche Nachblüte. Mißlungen muß man das „Baechusfest zur
Zeit des Nero" von Celestin Medovic nennen; es ist kleinlich und fleckig. Zu
solchen Gegenständen gehört das Erhabne, wie es Wilhelm Kaulbach zu Gebote
stand, der denselben Gegenstand behandelt hat. Eduard Kämpffer hat zu seinem
Vildereyklus für das Erfurter Rathaus drei neue Gemälde vollendet, die die
Faustsage behandeln; nicht nach dem Goethischen Drama, sondern nach der
ältern Überlieferung. Durch gründliche, tüchtig geschulte Technik und zwingende
Gestaltungskraft gehört Kämpffer zu den bedeutendsten Künstlern; eine Fülle
von planvoller Arbeit steckt auch in diesen Faustbildern. Dennoch haben sie
in München einen schweren Stand, namentlich wenn man sie mit den Er¬
folgen der Sezessionisten vergleicht, denen sie in allen genannten Eigenschaften
weit überlegen sind. Das rührt daher, daß dem Künstler infolge seiner
Schulung in Düsseldorf die nötige Freiheit fehlt, auch verdirbt die nüchterne
und trockne Kasemfarbe, eine der verderblichsten Erfindungen der malerischen
Technik, von vornherein jede koloristische Wirkung.

Auch das religiöse Bild hat bei den Münchner Ausstellungen einen auf¬
fälligen Rückzug angetreten. Max Dasios heiliger Sebastian ist ein schöner Akt
in einer stimmungsvollen Landschaft. Die religiöse Weihe, die diesem Gemälde
fehlt, streben die Bilder von Eduard von Gebhardt an: die Parabel vom


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[0044] Bilde von Schmuz-Baudiß: Ein Kind mit einem japanischen Gewände be¬ kleidet und mit japanischen Puppen spielend. Leider wird das Blumen- und Fruchtstück bei uns wenig gepflegt, und doch können solche Bilder um den Wänden eine ganze Wohnung freundlich machen. Seit einigen Jahren thut sich in diesem Fache das Hamburger Schwesternpaar Helene und Mollh Cramer hervor. Beide sind Schülerinnen des Antwerpener Jovrs, der selber im Glas¬ palast mit einigen herrlichen Blumen- und Fruchtstücken vertreten ist. Beide haben unter der Leitung ihres Lehrers vorzügliche Fortschritte gemacht und kommen ihm in der Frische, der Farbe und dem Duft ihrer Bilder nahe, wenn ihnen auch noch etwas an der geschlossenen Ruhe fehlt, die die Bilder von Joors zu so hervorragenden Kunstwerken stempelt. In mancher Beziehung ist auch die ältere Weise der Münchner Kunst von modernem Geiste durchsetzt, mehr als die ältere Kunst der andern deutschen Kunststätte, mit Ausnahme von Karlsruhe, das mit München immer ziemlich gleichen Schritt gehalten hat. Ein Zeichen davon ist z. B., daß es die Künstler des Glaspalastes möglichst vermeiden, ihre Genreszenen aus weit zurückliegenden Zeiten zu nehmen. Höchstens gelingen ihnen noch Bilder aus dem Rokoko oder dem Empire, weil von daher noch viele Wohnungseinrichtungen vorhanden sind und der Künstler darin diese Zeit verkörpert sieht. Einige weiter zurück¬ greifende Bilder, nämlich mit geschichtlichem Genre aus der Reformationszeit, sind künstlerisch ganz ärmlich. Auch das eigentliche Historienbild zeigt in den Münchner Ausstellungen nur noch eine spärliche Nachblüte. Mißlungen muß man das „Baechusfest zur Zeit des Nero" von Celestin Medovic nennen; es ist kleinlich und fleckig. Zu solchen Gegenständen gehört das Erhabne, wie es Wilhelm Kaulbach zu Gebote stand, der denselben Gegenstand behandelt hat. Eduard Kämpffer hat zu seinem Vildereyklus für das Erfurter Rathaus drei neue Gemälde vollendet, die die Faustsage behandeln; nicht nach dem Goethischen Drama, sondern nach der ältern Überlieferung. Durch gründliche, tüchtig geschulte Technik und zwingende Gestaltungskraft gehört Kämpffer zu den bedeutendsten Künstlern; eine Fülle von planvoller Arbeit steckt auch in diesen Faustbildern. Dennoch haben sie in München einen schweren Stand, namentlich wenn man sie mit den Er¬ folgen der Sezessionisten vergleicht, denen sie in allen genannten Eigenschaften weit überlegen sind. Das rührt daher, daß dem Künstler infolge seiner Schulung in Düsseldorf die nötige Freiheit fehlt, auch verdirbt die nüchterne und trockne Kasemfarbe, eine der verderblichsten Erfindungen der malerischen Technik, von vornherein jede koloristische Wirkung. Auch das religiöse Bild hat bei den Münchner Ausstellungen einen auf¬ fälligen Rückzug angetreten. Max Dasios heiliger Sebastian ist ein schöner Akt in einer stimmungsvollen Landschaft. Die religiöse Weihe, die diesem Gemälde fehlt, streben die Bilder von Eduard von Gebhardt an: die Parabel vom

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/44>, abgerufen am 22.07.2024.