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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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laufenden Gewinn außergewöhnliche Abgaben leisten und wird hierdurch in
ihren Erträgen weniger erschüttert, als durch die großen Schwankungen, die
die Preise und Arbeiterbewegungen mit sich bringen. Da nicht anzunehmen
ist, daß sich der nächste Reichstag gegen die Aufbringung des ganzen von der
Regierung geforderten Betrags aussprechen wird, so ist die Bewältigung des
freiwillig aufzubringenden Zuschusses keineswegs schwierig, wenn man bedenkt,
daß allein die deutschen Aktiengesellschaften bei einem Kapital von etwa 5000
Millionen Mark einen Reingewinn von etwa 500 Millionen Mark haben.
Die Zerstückelung des Einflusses im Staat auf viele kleine und uuzufriedne
Elemente liegt nicht im Wesen der Staatsraison. Nur die Einsichtigen,
Verständigen und Starken sollen regieren oder der Regierung ratend zur
Seite stehen. Dafür müssen sie aber stets die ersten sein, die hilfsbereit
beibringen und gern die Lasten übernehmen, die die Armem zu tragen
nicht wohl angehalten werden können." Der Antrag wurde abgelehnt. Die
Berliner Politischen Nachrichten meldeten: Der Vorstand des genannten Ver¬
eins beschloß einstimmig, das betreffende Mitglied zu ersuchen, den Antrag
zurückzuziehen: 1. weil der Vorschlag, einen Teil der Kosten der Militärvor¬
lage auf privatem Wege, zu decken, verfassungsmäßig unzulässig ist, 2. weil
sich der Gesamtvorstand-'der dem Antrage beigefügten Motivirung nicht an¬
schließen kann, vielmehr den Antrag auch deshalb für undurchführbar hält,
weil sich die Eisenindustrie thatsächlich nicht in der Lage befindet, weitere
außerordentliche Lasten ans sich zu nehmen. Deu ersten Einwand müssen wir
gelten lassen. Wenn aber in Abrede gestellt wird, daß die Eisen- und Stahl-
industriellen die ihnen angesvuuene Last zu übernehmen vermögen, so ist das
behauptet, nicht erwiesen. Wir können dem Blatte nicht zustimmen, das diesen
Ausgnng der Sache mit Befriedigung meldet und einen ähnlichen Vorschlag
und Aufruf der Berliner Börsenmänner mit Geringschätzung als "aus Ge¬
schäftspatriotismus" hervorgegangen bezeichnet, "hinter dem der Anspruch auf
Gegenleistung der Regierung steckt." Wenn wieder die Mittel für den Bau
einer Krcuzerkorvette von einer Neichstagsmehrheit versagt werden sollten --
und Herr Richter lobte die Sozialdemokraten, weil sie Nein gesagt hatten,
obgleich vielen Werftenarbeitern der Verdienst entging --, so werden sich
hoffentlich die großen geldmächtigen Ringe, die Leute von Hunderttausenden
und von Millionen melden.

Der neue Reichstag hat mehr Zersetzung als Sammlung der Parteien
aufzuweisen. Mit einer schwachen Mehrheit von 11, dann 1ö Stimmen wurde
die Militärvorlage angenommen. Die Entscheidung über den Kostenpunkt
wurde hinausgeschoben. Die Dcckungsfrage wurde nur gestreift, aber es fehlte
dabei nicht ganz um Übereinstimmung zwischen den Parteiführern und dem
Reichskanzler. Die Erörterung zielte zwar mehr auf Schonung einiger von
der Steuer bereits aufs Korn genommenen Gegenstände, zu eröffnende Stener-


Greuzbvteu IV 1893 44

laufenden Gewinn außergewöhnliche Abgaben leisten und wird hierdurch in
ihren Erträgen weniger erschüttert, als durch die großen Schwankungen, die
die Preise und Arbeiterbewegungen mit sich bringen. Da nicht anzunehmen
ist, daß sich der nächste Reichstag gegen die Aufbringung des ganzen von der
Regierung geforderten Betrags aussprechen wird, so ist die Bewältigung des
freiwillig aufzubringenden Zuschusses keineswegs schwierig, wenn man bedenkt,
daß allein die deutschen Aktiengesellschaften bei einem Kapital von etwa 5000
Millionen Mark einen Reingewinn von etwa 500 Millionen Mark haben.
Die Zerstückelung des Einflusses im Staat auf viele kleine und uuzufriedne
Elemente liegt nicht im Wesen der Staatsraison. Nur die Einsichtigen,
Verständigen und Starken sollen regieren oder der Regierung ratend zur
Seite stehen. Dafür müssen sie aber stets die ersten sein, die hilfsbereit
beibringen und gern die Lasten übernehmen, die die Armem zu tragen
nicht wohl angehalten werden können." Der Antrag wurde abgelehnt. Die
Berliner Politischen Nachrichten meldeten: Der Vorstand des genannten Ver¬
eins beschloß einstimmig, das betreffende Mitglied zu ersuchen, den Antrag
zurückzuziehen: 1. weil der Vorschlag, einen Teil der Kosten der Militärvor¬
lage auf privatem Wege, zu decken, verfassungsmäßig unzulässig ist, 2. weil
sich der Gesamtvorstand-'der dem Antrage beigefügten Motivirung nicht an¬
schließen kann, vielmehr den Antrag auch deshalb für undurchführbar hält,
weil sich die Eisenindustrie thatsächlich nicht in der Lage befindet, weitere
außerordentliche Lasten ans sich zu nehmen. Deu ersten Einwand müssen wir
gelten lassen. Wenn aber in Abrede gestellt wird, daß die Eisen- und Stahl-
industriellen die ihnen angesvuuene Last zu übernehmen vermögen, so ist das
behauptet, nicht erwiesen. Wir können dem Blatte nicht zustimmen, das diesen
Ausgnng der Sache mit Befriedigung meldet und einen ähnlichen Vorschlag
und Aufruf der Berliner Börsenmänner mit Geringschätzung als „aus Ge¬
schäftspatriotismus" hervorgegangen bezeichnet, „hinter dem der Anspruch auf
Gegenleistung der Regierung steckt." Wenn wieder die Mittel für den Bau
einer Krcuzerkorvette von einer Neichstagsmehrheit versagt werden sollten —
und Herr Richter lobte die Sozialdemokraten, weil sie Nein gesagt hatten,
obgleich vielen Werftenarbeitern der Verdienst entging —, so werden sich
hoffentlich die großen geldmächtigen Ringe, die Leute von Hunderttausenden
und von Millionen melden.

Der neue Reichstag hat mehr Zersetzung als Sammlung der Parteien
aufzuweisen. Mit einer schwachen Mehrheit von 11, dann 1ö Stimmen wurde
die Militärvorlage angenommen. Die Entscheidung über den Kostenpunkt
wurde hinausgeschoben. Die Dcckungsfrage wurde nur gestreift, aber es fehlte
dabei nicht ganz um Übereinstimmung zwischen den Parteiführern und dem
Reichskanzler. Die Erörterung zielte zwar mehr auf Schonung einiger von
der Steuer bereits aufs Korn genommenen Gegenstände, zu eröffnende Stener-


Greuzbvteu IV 1893 44
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/353>, abgerufen am 22.07.2024.