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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Die Aussichten der Reichssteneru

Fürsten unter der Anerkennung einer solchen Ehrenpflicht leiden. Den Un¬
vermögenden mag der unvermeidliche und bedauerliche Vorteil der Steuer¬
freiheit bleiben.

Zu den Zöllen leisten bereits die deutscheu Fürsten ihren Beitrag, seit¬
dem der Zollverein die Ausnahmestellung der Hoflüchennmter und Hofkellereien,
überhaupt jeden zollfreien Eingang von Waren aus dem Auslande beseitigt
hat. Senden unsre Fürsten Wertpapiere an die Börse, so unterliegen diese
der Vörsensteuer. Aber in den Matrikularbeiträgen der Staaten für das
Reich, die hauptsächlich aus deu direkten Staatssteuern fließen, ist kein Zuschuß
unsrer Fürsten enthalten.

Wenn die Reichstage zu Augsburg und Regensburg Reichspfeuuig, Römer-
mvnate, Türkenhilfe ausschrieben und die Stände des Reichs nach dein Satze
"so viel ihr Andacht ist" um ihre Beiträge angegangen wurden, ist das Reich
meist schlecht dabei gefahren, obgleich die Landesherren nicht selber darbrachten,
sondern von den allerdings schon stark belasteten Unterthanen beizutreiben
hatten. Welch ganz andres Ergebnis würde heute hinsichtlich der Summe
sowohl, wie der Sicherheit des Eingangs zu verzeichnen sein, wenn die der
Zahl nach bei weitem weniger, aber einkünftereicher gewordnen Staatsober¬
häupter als Fürsten des Reichs und Reichsunmittelbare, als Reichsaugehörige
und uns allen vorangehende Reichsbürger zu Gunsten des Reichs einen ge¬
meinsamen Beschluß auf ein neues "so viel ihr Andacht ist" herbeiführten!
Das finanzielle Ergebnis eines solchen Schrittes brauchte für das Neichs-
budget weder zu hoch noch zu niedrig geschätzt zu werden. Der Entschluß
an sich schon würde eine weit darüber hinausreichende Bedeutung gewinnen.

Zu der Zeit, wo die Niederlande um ihre Unabhängigkeit von Spanien
kämpften, die unternehmendsten Seefahrer und Kolonisten aufzuweisen hatten,
gingen die Steuern dort sehr hoch. Alle Geldrenten hatten 25 Prozent zu
entrichten, Wein und Bier zahlten 100 Prozent ihres Wertes. An wohl¬
besetzter Tafel sprach der Niederländer mit Behagen von den Steuern, die
jedes aufgetragne Gericht erlegt habe. Spanier und Franzosen meinten, die
Ketzerei beflügle den Handelsgeist. In Wahrheit machte sich Kraftgefühl, Opfer¬
mut, Nationalstolz bei den Ketzern geltend. Mcieaulay behauptet und Röscher
verweist darauf, daß in England jede Steuerfordernng und Steuererhöhung
auf den Steuerpflichtigen wie Familienvermehrung auf deu Familienvater wirke.
Erhöhte Thätigkeit, erhöhte Sparsamkeit muß alles wieder einbringen. Eng¬
land würde ohne seine hohen Steuern weniger Thatkraft entwickeln, weniger
in allen Ländern der Erde ausgerichtet haben und weniger reich sein. Bei
uns wird es noch rechtschaffner Anstrengung auf allen Gebieten der Erziehung
bedürfen, ehe das den verschiednen deutschen Mundarten geläufige und auch
von den Gebildeter,! nicht immer verleugnete Wort: "Wir Habens, wir könnens
und wollens anch zeigen" von der Überladung der Bäuche, von den prahlend


Die Aussichten der Reichssteneru

Fürsten unter der Anerkennung einer solchen Ehrenpflicht leiden. Den Un¬
vermögenden mag der unvermeidliche und bedauerliche Vorteil der Steuer¬
freiheit bleiben.

Zu den Zöllen leisten bereits die deutscheu Fürsten ihren Beitrag, seit¬
dem der Zollverein die Ausnahmestellung der Hoflüchennmter und Hofkellereien,
überhaupt jeden zollfreien Eingang von Waren aus dem Auslande beseitigt
hat. Senden unsre Fürsten Wertpapiere an die Börse, so unterliegen diese
der Vörsensteuer. Aber in den Matrikularbeiträgen der Staaten für das
Reich, die hauptsächlich aus deu direkten Staatssteuern fließen, ist kein Zuschuß
unsrer Fürsten enthalten.

Wenn die Reichstage zu Augsburg und Regensburg Reichspfeuuig, Römer-
mvnate, Türkenhilfe ausschrieben und die Stände des Reichs nach dein Satze
„so viel ihr Andacht ist" um ihre Beiträge angegangen wurden, ist das Reich
meist schlecht dabei gefahren, obgleich die Landesherren nicht selber darbrachten,
sondern von den allerdings schon stark belasteten Unterthanen beizutreiben
hatten. Welch ganz andres Ergebnis würde heute hinsichtlich der Summe
sowohl, wie der Sicherheit des Eingangs zu verzeichnen sein, wenn die der
Zahl nach bei weitem weniger, aber einkünftereicher gewordnen Staatsober¬
häupter als Fürsten des Reichs und Reichsunmittelbare, als Reichsaugehörige
und uns allen vorangehende Reichsbürger zu Gunsten des Reichs einen ge¬
meinsamen Beschluß auf ein neues „so viel ihr Andacht ist" herbeiführten!
Das finanzielle Ergebnis eines solchen Schrittes brauchte für das Neichs-
budget weder zu hoch noch zu niedrig geschätzt zu werden. Der Entschluß
an sich schon würde eine weit darüber hinausreichende Bedeutung gewinnen.

Zu der Zeit, wo die Niederlande um ihre Unabhängigkeit von Spanien
kämpften, die unternehmendsten Seefahrer und Kolonisten aufzuweisen hatten,
gingen die Steuern dort sehr hoch. Alle Geldrenten hatten 25 Prozent zu
entrichten, Wein und Bier zahlten 100 Prozent ihres Wertes. An wohl¬
besetzter Tafel sprach der Niederländer mit Behagen von den Steuern, die
jedes aufgetragne Gericht erlegt habe. Spanier und Franzosen meinten, die
Ketzerei beflügle den Handelsgeist. In Wahrheit machte sich Kraftgefühl, Opfer¬
mut, Nationalstolz bei den Ketzern geltend. Mcieaulay behauptet und Röscher
verweist darauf, daß in England jede Steuerfordernng und Steuererhöhung
auf den Steuerpflichtigen wie Familienvermehrung auf deu Familienvater wirke.
Erhöhte Thätigkeit, erhöhte Sparsamkeit muß alles wieder einbringen. Eng¬
land würde ohne seine hohen Steuern weniger Thatkraft entwickeln, weniger
in allen Ländern der Erde ausgerichtet haben und weniger reich sein. Bei
uns wird es noch rechtschaffner Anstrengung auf allen Gebieten der Erziehung
bedürfen, ehe das den verschiednen deutschen Mundarten geläufige und auch
von den Gebildeter,! nicht immer verleugnete Wort: „Wir Habens, wir könnens
und wollens anch zeigen" von der Überladung der Bäuche, von den prahlend


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[0351] Die Aussichten der Reichssteneru Fürsten unter der Anerkennung einer solchen Ehrenpflicht leiden. Den Un¬ vermögenden mag der unvermeidliche und bedauerliche Vorteil der Steuer¬ freiheit bleiben. Zu den Zöllen leisten bereits die deutscheu Fürsten ihren Beitrag, seit¬ dem der Zollverein die Ausnahmestellung der Hoflüchennmter und Hofkellereien, überhaupt jeden zollfreien Eingang von Waren aus dem Auslande beseitigt hat. Senden unsre Fürsten Wertpapiere an die Börse, so unterliegen diese der Vörsensteuer. Aber in den Matrikularbeiträgen der Staaten für das Reich, die hauptsächlich aus deu direkten Staatssteuern fließen, ist kein Zuschuß unsrer Fürsten enthalten. Wenn die Reichstage zu Augsburg und Regensburg Reichspfeuuig, Römer- mvnate, Türkenhilfe ausschrieben und die Stände des Reichs nach dein Satze „so viel ihr Andacht ist" um ihre Beiträge angegangen wurden, ist das Reich meist schlecht dabei gefahren, obgleich die Landesherren nicht selber darbrachten, sondern von den allerdings schon stark belasteten Unterthanen beizutreiben hatten. Welch ganz andres Ergebnis würde heute hinsichtlich der Summe sowohl, wie der Sicherheit des Eingangs zu verzeichnen sein, wenn die der Zahl nach bei weitem weniger, aber einkünftereicher gewordnen Staatsober¬ häupter als Fürsten des Reichs und Reichsunmittelbare, als Reichsaugehörige und uns allen vorangehende Reichsbürger zu Gunsten des Reichs einen ge¬ meinsamen Beschluß auf ein neues „so viel ihr Andacht ist" herbeiführten! Das finanzielle Ergebnis eines solchen Schrittes brauchte für das Neichs- budget weder zu hoch noch zu niedrig geschätzt zu werden. Der Entschluß an sich schon würde eine weit darüber hinausreichende Bedeutung gewinnen. Zu der Zeit, wo die Niederlande um ihre Unabhängigkeit von Spanien kämpften, die unternehmendsten Seefahrer und Kolonisten aufzuweisen hatten, gingen die Steuern dort sehr hoch. Alle Geldrenten hatten 25 Prozent zu entrichten, Wein und Bier zahlten 100 Prozent ihres Wertes. An wohl¬ besetzter Tafel sprach der Niederländer mit Behagen von den Steuern, die jedes aufgetragne Gericht erlegt habe. Spanier und Franzosen meinten, die Ketzerei beflügle den Handelsgeist. In Wahrheit machte sich Kraftgefühl, Opfer¬ mut, Nationalstolz bei den Ketzern geltend. Mcieaulay behauptet und Röscher verweist darauf, daß in England jede Steuerfordernng und Steuererhöhung auf den Steuerpflichtigen wie Familienvermehrung auf deu Familienvater wirke. Erhöhte Thätigkeit, erhöhte Sparsamkeit muß alles wieder einbringen. Eng¬ land würde ohne seine hohen Steuern weniger Thatkraft entwickeln, weniger in allen Ländern der Erde ausgerichtet haben und weniger reich sein. Bei uns wird es noch rechtschaffner Anstrengung auf allen Gebieten der Erziehung bedürfen, ehe das den verschiednen deutschen Mundarten geläufige und auch von den Gebildeter,! nicht immer verleugnete Wort: „Wir Habens, wir könnens und wollens anch zeigen" von der Überladung der Bäuche, von den prahlend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/351>, abgerufen am 22.07.2024.