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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Die Krisis in Amerika

Sicherheit für diese Noten bietet. Wie wird sich aber die Sache gestillten,
wenn der Wert des Silbers im Verhältnis zum Golde noch weiter fällt,
oder wenn sich die Bundesregierung eines Tages entschließt, noch uuter-
wertigere Silberdollars als heute zu prägen?

Das Ausland fürchtet -- wenn auch vollständig grundlos -- offenbar
schou jetzt, daß die Vereinigten Staaten eines Tages nicht mehr imstande sein
werden, ihren Verpflichtungen in Goldzcchlnng nachzukommen, und bestehen des¬
halb auf ausschließlicher Goldzahlung. Da nun trotz der Mac Kinley-Acte der
Import der Vereinigten Staaten größer ist als ihr Export, so müssen die Ame¬
rikaner, um ihre Handelsbilanz zu decken, alljährlich Gold ins Ausland schicken
und dein Verkehr im eignen Lande entziehen. Daß von dem einmal nach
Europa gesandten Golde etwas nach den Vereinigten Staaten zurückfließt, ist
eine sehr seltene Erscheinung, zumal da sich die europäischen Regierungen be¬
eilen, die Golddollars in ihre Laudesmünzen umzuprägen. Das schreckt euro¬
päische Kapitalisten ab, mit entbehrlichen Gelde amerikanische Wertpapiere zu
kaufen, was insofern bedauerlich ist, als der Amerikaner sein Vermögen ungern
in diesen Papieren anlegt, weil er sich dadurch zum Nichtsthun vrurteilt sehe"
würde; nichts aber widerstrebt dem Mnkee mehr, als sich selbst auf die
Bärenhaut zu legen und sich nur aller Vierteljahre der Kuponschere zu be¬
dienen. Er will geistig mitarbeiten an den Unternehmungen, denen er sein
Kapital anvertraut, vor allem aber will er an dem hohen Gewinn teilhaben;
das sichere Zinseinkommen aus Obligationen n. s. w. überläßt er gern dem
Ausländer. Das ganze Land ist noch zu jung, zu neu, zu sehr im Entstehen
begriffen; überall bietet sich Gelegenheit, neue industrielle Unternehmungen ins
Leben zu rufen und mit ihnen große Gewinne zu erzielen - sie sucht der
Amerikaner.

Dank der besonnenen Finanzwirtschaft der Vereinigten Staaten hat es
mich nicht an fremdem Kapital gefehlt; besonders englische, schottische, belgische
und niederländische Rentner waren gern bereit, amerikanische Schuldbriefe zu
übernehmen, und wie selbst für weniger sichere Unternehmungen deutsches Ka¬
pital zu gewinnen war, beweist die Anlage bedeutender Summen in Pfand¬
briefen der kürzlich verkrachten Northern Pacificbcchn durch Vermittlung des
Herrn Villard von Newyork und der Deutschen Bank in Berlin.

So kam es, daß in den ganzen Vereinigten Staaten Fabriken über Fa¬
briken entstanden, daß ein Unternehmen nach dem andern ins Leben gerufen
wurde, daß es häufig genug an den nötigen Arbeitskräften für sie fehlte, daß
überall im Lande neue Städte gegründet wurden und im Laufe weniger Jahre
in einer für Europäer ganz unverständlichen Weise aufblühten, daß ganz be¬
sonders das Baugewerbe einen ungeahnten Aufschwung nahm. Selbstverständlich
wuchs damit aber auch die Konkurrenz, und diese wiederum in amerikanisch
rücksichtsloser Weise. Zwar wurde durch das Hochschutzzollshstem der aus-


Grenzbvtei, IV 1893 ZZ
Die Krisis in Amerika

Sicherheit für diese Noten bietet. Wie wird sich aber die Sache gestillten,
wenn der Wert des Silbers im Verhältnis zum Golde noch weiter fällt,
oder wenn sich die Bundesregierung eines Tages entschließt, noch uuter-
wertigere Silberdollars als heute zu prägen?

Das Ausland fürchtet — wenn auch vollständig grundlos — offenbar
schou jetzt, daß die Vereinigten Staaten eines Tages nicht mehr imstande sein
werden, ihren Verpflichtungen in Goldzcchlnng nachzukommen, und bestehen des¬
halb auf ausschließlicher Goldzahlung. Da nun trotz der Mac Kinley-Acte der
Import der Vereinigten Staaten größer ist als ihr Export, so müssen die Ame¬
rikaner, um ihre Handelsbilanz zu decken, alljährlich Gold ins Ausland schicken
und dein Verkehr im eignen Lande entziehen. Daß von dem einmal nach
Europa gesandten Golde etwas nach den Vereinigten Staaten zurückfließt, ist
eine sehr seltene Erscheinung, zumal da sich die europäischen Regierungen be¬
eilen, die Golddollars in ihre Laudesmünzen umzuprägen. Das schreckt euro¬
päische Kapitalisten ab, mit entbehrlichen Gelde amerikanische Wertpapiere zu
kaufen, was insofern bedauerlich ist, als der Amerikaner sein Vermögen ungern
in diesen Papieren anlegt, weil er sich dadurch zum Nichtsthun vrurteilt sehe»
würde; nichts aber widerstrebt dem Mnkee mehr, als sich selbst auf die
Bärenhaut zu legen und sich nur aller Vierteljahre der Kuponschere zu be¬
dienen. Er will geistig mitarbeiten an den Unternehmungen, denen er sein
Kapital anvertraut, vor allem aber will er an dem hohen Gewinn teilhaben;
das sichere Zinseinkommen aus Obligationen n. s. w. überläßt er gern dem
Ausländer. Das ganze Land ist noch zu jung, zu neu, zu sehr im Entstehen
begriffen; überall bietet sich Gelegenheit, neue industrielle Unternehmungen ins
Leben zu rufen und mit ihnen große Gewinne zu erzielen - sie sucht der
Amerikaner.

Dank der besonnenen Finanzwirtschaft der Vereinigten Staaten hat es
mich nicht an fremdem Kapital gefehlt; besonders englische, schottische, belgische
und niederländische Rentner waren gern bereit, amerikanische Schuldbriefe zu
übernehmen, und wie selbst für weniger sichere Unternehmungen deutsches Ka¬
pital zu gewinnen war, beweist die Anlage bedeutender Summen in Pfand¬
briefen der kürzlich verkrachten Northern Pacificbcchn durch Vermittlung des
Herrn Villard von Newyork und der Deutschen Bank in Berlin.

So kam es, daß in den ganzen Vereinigten Staaten Fabriken über Fa¬
briken entstanden, daß ein Unternehmen nach dem andern ins Leben gerufen
wurde, daß es häufig genug an den nötigen Arbeitskräften für sie fehlte, daß
überall im Lande neue Städte gegründet wurden und im Laufe weniger Jahre
in einer für Europäer ganz unverständlichen Weise aufblühten, daß ganz be¬
sonders das Baugewerbe einen ungeahnten Aufschwung nahm. Selbstverständlich
wuchs damit aber auch die Konkurrenz, und diese wiederum in amerikanisch
rücksichtsloser Weise. Zwar wurde durch das Hochschutzzollshstem der aus-


Grenzbvtei, IV 1893 ZZ
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[0305] Die Krisis in Amerika Sicherheit für diese Noten bietet. Wie wird sich aber die Sache gestillten, wenn der Wert des Silbers im Verhältnis zum Golde noch weiter fällt, oder wenn sich die Bundesregierung eines Tages entschließt, noch uuter- wertigere Silberdollars als heute zu prägen? Das Ausland fürchtet — wenn auch vollständig grundlos — offenbar schou jetzt, daß die Vereinigten Staaten eines Tages nicht mehr imstande sein werden, ihren Verpflichtungen in Goldzcchlnng nachzukommen, und bestehen des¬ halb auf ausschließlicher Goldzahlung. Da nun trotz der Mac Kinley-Acte der Import der Vereinigten Staaten größer ist als ihr Export, so müssen die Ame¬ rikaner, um ihre Handelsbilanz zu decken, alljährlich Gold ins Ausland schicken und dein Verkehr im eignen Lande entziehen. Daß von dem einmal nach Europa gesandten Golde etwas nach den Vereinigten Staaten zurückfließt, ist eine sehr seltene Erscheinung, zumal da sich die europäischen Regierungen be¬ eilen, die Golddollars in ihre Laudesmünzen umzuprägen. Das schreckt euro¬ päische Kapitalisten ab, mit entbehrlichen Gelde amerikanische Wertpapiere zu kaufen, was insofern bedauerlich ist, als der Amerikaner sein Vermögen ungern in diesen Papieren anlegt, weil er sich dadurch zum Nichtsthun vrurteilt sehe» würde; nichts aber widerstrebt dem Mnkee mehr, als sich selbst auf die Bärenhaut zu legen und sich nur aller Vierteljahre der Kuponschere zu be¬ dienen. Er will geistig mitarbeiten an den Unternehmungen, denen er sein Kapital anvertraut, vor allem aber will er an dem hohen Gewinn teilhaben; das sichere Zinseinkommen aus Obligationen n. s. w. überläßt er gern dem Ausländer. Das ganze Land ist noch zu jung, zu neu, zu sehr im Entstehen begriffen; überall bietet sich Gelegenheit, neue industrielle Unternehmungen ins Leben zu rufen und mit ihnen große Gewinne zu erzielen - sie sucht der Amerikaner. Dank der besonnenen Finanzwirtschaft der Vereinigten Staaten hat es mich nicht an fremdem Kapital gefehlt; besonders englische, schottische, belgische und niederländische Rentner waren gern bereit, amerikanische Schuldbriefe zu übernehmen, und wie selbst für weniger sichere Unternehmungen deutsches Ka¬ pital zu gewinnen war, beweist die Anlage bedeutender Summen in Pfand¬ briefen der kürzlich verkrachten Northern Pacificbcchn durch Vermittlung des Herrn Villard von Newyork und der Deutschen Bank in Berlin. So kam es, daß in den ganzen Vereinigten Staaten Fabriken über Fa¬ briken entstanden, daß ein Unternehmen nach dem andern ins Leben gerufen wurde, daß es häufig genug an den nötigen Arbeitskräften für sie fehlte, daß überall im Lande neue Städte gegründet wurden und im Laufe weniger Jahre in einer für Europäer ganz unverständlichen Weise aufblühten, daß ganz be¬ sonders das Baugewerbe einen ungeahnten Aufschwung nahm. Selbstverständlich wuchs damit aber auch die Konkurrenz, und diese wiederum in amerikanisch rücksichtsloser Weise. Zwar wurde durch das Hochschutzzollshstem der aus- Grenzbvtei, IV 1893 ZZ

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/305>, abgerufen am 22.07.2024.