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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Bilder aus dem Westen

fußend auf philosophischen oder wirtschaftlichen Systemen, nein, ganz natürlich
dem Instinkt der vom Alpdruck des Alten befreiten Völkermassen gehorchend.
Jeder glaubt hier als sein gutes Recht beanspruchen zu können, daß hinsichtlich
seiner Gesundheit und seines dereinstigen Todes gewissenhafte Kontrolle ge¬
führt werde, und das kaun mau doch wohl auch vom Staate verlangen für
seine Steuern.

Endlich kam Dr. Cutter, der Chefarzt, der mir versprochen hatte, mit nur
nach dem Viehhofe zu gehen, wo er mir eine Krankheit des Rindes zeigen
wollte, wegen deren er mit den Farmern und Viehhändlern schou in manchen
Streit gekommen sei, weil er das Fleisch der befallenen Rinder für gesundheits¬
schädlich erklärt habe.

Ehe wir aber gehen konnten, wurden wir noch durch einen Besuch auf¬
gehalten, in dem ich das Vergnügen hatte, den neuen Doktor Fischer (vor
kurzem noch Pastor) kennen zu lernen. Flink, als wäre Kanzel und Buggy
dasselbe, sprang er aus dem Wagen, warf das Bleigewicht des Pferdes aufs
Trottoir, und indem er immer zwei Stufen auf einmal nahm, sprang er zur
Veranda heran, daß die Treppe knarrte und die Holzfäulen zitterten. Er war
ein großer Mann mit regelmäßigen, einnehmenden Gesichtszügen, aber etwas
ungelenken Bewegungen seiner großen Füße und Hände. Er mochte in der
Mitte der Dreißig sein.

HclUoli liövörsuä, rief ihm Cutter entgegen, wie gehts, Iiovv 60 /on an>?
()r -- 0X0U86 ins -- not likvsrönä, but, Loe,!

Er sprach das e der abgekürzen Dvktortitels wie A aus, sodaß mau an
Dogge denken konnte.

Der frühere Reverend ging auf diesen "medicynischen" Scherz ein, und
als Dr. Hunter aus dem Nebenzimmer zur Begrüßung herzukam, diente der
Pastor-Doktor beiden uoch eine Zeit lang zu Wvrtwitzeleien in Shakespearischen
Stil auf die Namen Hunter (Jäger) und Cutter (Schneider).

Dr. Mac Donnell übergab dann dem sehr eilig und geschäftig thuenden die
gelben Zettel und die sonstigen Formulare, die er verlangte, worauf er uns
wieder verließ. Zwischen den Zurückbleibenden aber entspann sich ein eifriges
Gespräch darüber, ob Fischer als Arzt wohl ebenso gute Geschäfte macheu
würde, wie als Seelsorger.

Ich meinte, es müßte ein sehr energischer Mann sein, da er in
seinem Alter noch einmal umgesattelt und sich in ein ganz neues Fach ver¬
tieft habe.

Dr. Cutter lächelte -- aus zwei Gründen, wie er gestand. Erstens sei
das ganze Manöver nur Mittel zum Zweck, und zweitens sei es mit der
Vertiefung uicht so weit her.

Ich bat um Aufklärung und erfuhr nun folgendes. Der gewesene Pastor
wolle vor allein Einfluß im deutschen Hospital gewinnen. Man sprach von


Bilder aus dem Westen

fußend auf philosophischen oder wirtschaftlichen Systemen, nein, ganz natürlich
dem Instinkt der vom Alpdruck des Alten befreiten Völkermassen gehorchend.
Jeder glaubt hier als sein gutes Recht beanspruchen zu können, daß hinsichtlich
seiner Gesundheit und seines dereinstigen Todes gewissenhafte Kontrolle ge¬
führt werde, und das kaun mau doch wohl auch vom Staate verlangen für
seine Steuern.

Endlich kam Dr. Cutter, der Chefarzt, der mir versprochen hatte, mit nur
nach dem Viehhofe zu gehen, wo er mir eine Krankheit des Rindes zeigen
wollte, wegen deren er mit den Farmern und Viehhändlern schou in manchen
Streit gekommen sei, weil er das Fleisch der befallenen Rinder für gesundheits¬
schädlich erklärt habe.

Ehe wir aber gehen konnten, wurden wir noch durch einen Besuch auf¬
gehalten, in dem ich das Vergnügen hatte, den neuen Doktor Fischer (vor
kurzem noch Pastor) kennen zu lernen. Flink, als wäre Kanzel und Buggy
dasselbe, sprang er aus dem Wagen, warf das Bleigewicht des Pferdes aufs
Trottoir, und indem er immer zwei Stufen auf einmal nahm, sprang er zur
Veranda heran, daß die Treppe knarrte und die Holzfäulen zitterten. Er war
ein großer Mann mit regelmäßigen, einnehmenden Gesichtszügen, aber etwas
ungelenken Bewegungen seiner großen Füße und Hände. Er mochte in der
Mitte der Dreißig sein.

HclUoli liövörsuä, rief ihm Cutter entgegen, wie gehts, Iiovv 60 /on an>?
()r — 0X0U86 ins — not likvsrönä, but, Loe,!

Er sprach das e der abgekürzen Dvktortitels wie A aus, sodaß mau an
Dogge denken konnte.

Der frühere Reverend ging auf diesen „medicynischen" Scherz ein, und
als Dr. Hunter aus dem Nebenzimmer zur Begrüßung herzukam, diente der
Pastor-Doktor beiden uoch eine Zeit lang zu Wvrtwitzeleien in Shakespearischen
Stil auf die Namen Hunter (Jäger) und Cutter (Schneider).

Dr. Mac Donnell übergab dann dem sehr eilig und geschäftig thuenden die
gelben Zettel und die sonstigen Formulare, die er verlangte, worauf er uns
wieder verließ. Zwischen den Zurückbleibenden aber entspann sich ein eifriges
Gespräch darüber, ob Fischer als Arzt wohl ebenso gute Geschäfte macheu
würde, wie als Seelsorger.

Ich meinte, es müßte ein sehr energischer Mann sein, da er in
seinem Alter noch einmal umgesattelt und sich in ein ganz neues Fach ver¬
tieft habe.

Dr. Cutter lächelte — aus zwei Gründen, wie er gestand. Erstens sei
das ganze Manöver nur Mittel zum Zweck, und zweitens sei es mit der
Vertiefung uicht so weit her.

Ich bat um Aufklärung und erfuhr nun folgendes. Der gewesene Pastor
wolle vor allein Einfluß im deutschen Hospital gewinnen. Man sprach von


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[0284] Bilder aus dem Westen fußend auf philosophischen oder wirtschaftlichen Systemen, nein, ganz natürlich dem Instinkt der vom Alpdruck des Alten befreiten Völkermassen gehorchend. Jeder glaubt hier als sein gutes Recht beanspruchen zu können, daß hinsichtlich seiner Gesundheit und seines dereinstigen Todes gewissenhafte Kontrolle ge¬ führt werde, und das kaun mau doch wohl auch vom Staate verlangen für seine Steuern. Endlich kam Dr. Cutter, der Chefarzt, der mir versprochen hatte, mit nur nach dem Viehhofe zu gehen, wo er mir eine Krankheit des Rindes zeigen wollte, wegen deren er mit den Farmern und Viehhändlern schou in manchen Streit gekommen sei, weil er das Fleisch der befallenen Rinder für gesundheits¬ schädlich erklärt habe. Ehe wir aber gehen konnten, wurden wir noch durch einen Besuch auf¬ gehalten, in dem ich das Vergnügen hatte, den neuen Doktor Fischer (vor kurzem noch Pastor) kennen zu lernen. Flink, als wäre Kanzel und Buggy dasselbe, sprang er aus dem Wagen, warf das Bleigewicht des Pferdes aufs Trottoir, und indem er immer zwei Stufen auf einmal nahm, sprang er zur Veranda heran, daß die Treppe knarrte und die Holzfäulen zitterten. Er war ein großer Mann mit regelmäßigen, einnehmenden Gesichtszügen, aber etwas ungelenken Bewegungen seiner großen Füße und Hände. Er mochte in der Mitte der Dreißig sein. HclUoli liövörsuä, rief ihm Cutter entgegen, wie gehts, Iiovv 60 /on an>? ()r — 0X0U86 ins — not likvsrönä, but, Loe,! Er sprach das e der abgekürzen Dvktortitels wie A aus, sodaß mau an Dogge denken konnte. Der frühere Reverend ging auf diesen „medicynischen" Scherz ein, und als Dr. Hunter aus dem Nebenzimmer zur Begrüßung herzukam, diente der Pastor-Doktor beiden uoch eine Zeit lang zu Wvrtwitzeleien in Shakespearischen Stil auf die Namen Hunter (Jäger) und Cutter (Schneider). Dr. Mac Donnell übergab dann dem sehr eilig und geschäftig thuenden die gelben Zettel und die sonstigen Formulare, die er verlangte, worauf er uns wieder verließ. Zwischen den Zurückbleibenden aber entspann sich ein eifriges Gespräch darüber, ob Fischer als Arzt wohl ebenso gute Geschäfte macheu würde, wie als Seelsorger. Ich meinte, es müßte ein sehr energischer Mann sein, da er in seinem Alter noch einmal umgesattelt und sich in ein ganz neues Fach ver¬ tieft habe. Dr. Cutter lächelte — aus zwei Gründen, wie er gestand. Erstens sei das ganze Manöver nur Mittel zum Zweck, und zweitens sei es mit der Vertiefung uicht so weit her. Ich bat um Aufklärung und erfuhr nun folgendes. Der gewesene Pastor wolle vor allein Einfluß im deutschen Hospital gewinnen. Man sprach von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/284>, abgerufen am 01.10.2024.