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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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am letzten Tage Bericht erstattete, änderte die Ortsfrage dahin ab, daß man
Florenz als die zunächst geeignete Stadt, dann aber auch Städte in Holland
und Deutschland berücksichtigen müsse. Es wäre ja thöricht, sich gegen den
Nutzen zu verschließen, den der junge Kunsthistoriker von einem Institut in
Florenz haben würde, wo er sich, wie kaum anderswo, ein vollständiges Bild
der Entwicklung einer bedeutenden Kunstperiode dnrch unmittelbare Anschauung
verschaffen kann. Sollte es aber für ihn nicht mindestens ebenso ersprießlich
sein, wenn er auch in Deutschland auf diese Weise Forderung seiner Studien
fände? Die deutsche Kunst ist noch lange nicht so eingehend erforscht wie
die italienische, und die Methode kunstgeschichtlicher Forschung kann bei dem
Studium der deutschen Kunstgeschichte eben so gut gefördert werden wie bei
dem der italienischen. Aus dem Umstände, daß in den Schulen Springers
und Janitscheks, also dort, wo sich in der letzten Zeit die meisten jungen
Kunsthistoriker gebildet haben, die Erstlingsarbeiten meist ein Gebiet der
deutschen Kunstgeschichte behandelten, möchte man doch den Schluß ziehen,
daß die beiden Forscher, denen in pädagogischen Fragen gewiß niemand ein
gesundes Urteil abstreiten wird, der Erforschung der deutschen Kunstgeschichte
einen hohen pädagogischen Wert beilegten. Ein deutsches Institut dürfte
auch leichter vor Einseitigkeit bewahrt bleiben als ein florentinisches, da das
litterarische und das Anschauungsmaterial sür vorbereitende Studien zu Reisen
im Auslande in Deutschlnud nicht allzu schwer zu beschaffen sein wird, während
Florenz den jungen Forscher so fesselt, daß er weder Lust noch Zeit haben
wird, sich mit andern als florentinischen Kunststudien zu befassen. Die Wahl
eines Ortes für ein deutsches Institut dürfte kaum Schwierigkeiten bieten:
viele Umstände sprechen für Nürnberg, schon deshalb, weil das Institut am
germanischen Museum immer einen guten Rückhalt haben würde. Auch die
Mittel könnten vielleicht am ehesten für ein deutsches Institut aufgebracht
werden. Da nun aber zunächst an einem Institut in Florenz festgehalten
werden soll, so wollen wir wenigstens hoffen, daß es recht bald entsteht, da¬
mit die Gründung eines deutschen nicht in allzu große Ferne gerückt werde!

Sehr glücklich kann man den Plan zur Beschaffung der Mittel nennen,
den Professor Zimmermcinn vorbrachte. Damit dem Institut von vornherein
seine Freiheit gewahrt bliebe, stellte er es als notwendig hin, daß zunächst
ein beträchtlicher Fonds aus Privatmitteln gesammelt würde, ehe man Staats¬
hilfe in Anspruch nehme. Denn die Befürchtung, daß man über ein Gesuch
der Kunsthistoriker, wenn sie nur mit diesem, nicht aber gleichzeitig mit Mitteln
in der Hand kommen, zur Tagesordnung übergehen werde, ist nicht un¬
begründet. Hier haben unsre besitzenden Klassen einmal Gelegenheit, zu zeigen,
daß sie sich als Förderer ernster wissenschaftlicher Bestrebungen nicht nur an¬
gesehen wissen wollen, sondern daß sie es auch wirklich sind. Ein guter
Anfang ist ja schon gemacht: eine Sammlung unter den Teilnehmern des


am letzten Tage Bericht erstattete, änderte die Ortsfrage dahin ab, daß man
Florenz als die zunächst geeignete Stadt, dann aber auch Städte in Holland
und Deutschland berücksichtigen müsse. Es wäre ja thöricht, sich gegen den
Nutzen zu verschließen, den der junge Kunsthistoriker von einem Institut in
Florenz haben würde, wo er sich, wie kaum anderswo, ein vollständiges Bild
der Entwicklung einer bedeutenden Kunstperiode dnrch unmittelbare Anschauung
verschaffen kann. Sollte es aber für ihn nicht mindestens ebenso ersprießlich
sein, wenn er auch in Deutschland auf diese Weise Forderung seiner Studien
fände? Die deutsche Kunst ist noch lange nicht so eingehend erforscht wie
die italienische, und die Methode kunstgeschichtlicher Forschung kann bei dem
Studium der deutschen Kunstgeschichte eben so gut gefördert werden wie bei
dem der italienischen. Aus dem Umstände, daß in den Schulen Springers
und Janitscheks, also dort, wo sich in der letzten Zeit die meisten jungen
Kunsthistoriker gebildet haben, die Erstlingsarbeiten meist ein Gebiet der
deutschen Kunstgeschichte behandelten, möchte man doch den Schluß ziehen,
daß die beiden Forscher, denen in pädagogischen Fragen gewiß niemand ein
gesundes Urteil abstreiten wird, der Erforschung der deutschen Kunstgeschichte
einen hohen pädagogischen Wert beilegten. Ein deutsches Institut dürfte
auch leichter vor Einseitigkeit bewahrt bleiben als ein florentinisches, da das
litterarische und das Anschauungsmaterial sür vorbereitende Studien zu Reisen
im Auslande in Deutschlnud nicht allzu schwer zu beschaffen sein wird, während
Florenz den jungen Forscher so fesselt, daß er weder Lust noch Zeit haben
wird, sich mit andern als florentinischen Kunststudien zu befassen. Die Wahl
eines Ortes für ein deutsches Institut dürfte kaum Schwierigkeiten bieten:
viele Umstände sprechen für Nürnberg, schon deshalb, weil das Institut am
germanischen Museum immer einen guten Rückhalt haben würde. Auch die
Mittel könnten vielleicht am ehesten für ein deutsches Institut aufgebracht
werden. Da nun aber zunächst an einem Institut in Florenz festgehalten
werden soll, so wollen wir wenigstens hoffen, daß es recht bald entsteht, da¬
mit die Gründung eines deutschen nicht in allzu große Ferne gerückt werde!

Sehr glücklich kann man den Plan zur Beschaffung der Mittel nennen,
den Professor Zimmermcinn vorbrachte. Damit dem Institut von vornherein
seine Freiheit gewahrt bliebe, stellte er es als notwendig hin, daß zunächst
ein beträchtlicher Fonds aus Privatmitteln gesammelt würde, ehe man Staats¬
hilfe in Anspruch nehme. Denn die Befürchtung, daß man über ein Gesuch
der Kunsthistoriker, wenn sie nur mit diesem, nicht aber gleichzeitig mit Mitteln
in der Hand kommen, zur Tagesordnung übergehen werde, ist nicht un¬
begründet. Hier haben unsre besitzenden Klassen einmal Gelegenheit, zu zeigen,
daß sie sich als Förderer ernster wissenschaftlicher Bestrebungen nicht nur an¬
gesehen wissen wollen, sondern daß sie es auch wirklich sind. Ein guter
Anfang ist ja schon gemacht: eine Sammlung unter den Teilnehmern des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/277>, abgerufen am 22.07.2024.