Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Dauer mich England zurückziehen, worauf der König die Verhandlungen einfach
mit deu Worten schloß: "Ja, wie Gott will!" Schon im Jahre vorher hatte der
Prinz aller Blicke dnrch die Worte auf sich gelenkt, die er an eine pommersche
Deputation über Gemeindeverfassung und die Zeitläufte überhaupt richtete.

Seine Stellung den frömmelnden Bestrebungen der herrschenden Partei
gegenüber sprach er bei einem Besuche in Hirschberg aufs offenste aus: "Man
kann es nicht leugnen, im Jahre 1848 sind von allen Seiten große Fehler
begangen worden. Ich bin kein Frömmler, kein Pietist, meine Herren, aber
ich habe einen frommen Glauben, und in diesem frommen Glauben habe ich
die Überzeugung, daß auch das Jahr achtundvierzig göttliche Fügung war,
von Gott gesendet, damit wir alle klüger würde"." Allen Tracasserien der
reaktionären Partei gegenüber bewahrte er eine ruhige Haltung, was manch¬
mal schwer genug war; konnte er es doch z. B. nicht einmal dahin bringen,
daß gegen den bekannten Wagener eine Untersuchung eingeleitet wurde, weil
er die Frechheit gehabt hatte zu behaupten, die Fäden des Depeschendiebstahls
reichten bis in das Kabinet des Prinzen von Preußen hinauf!

Seine Anschauungen über konstitutionelles Recht standen schon damals
unerschütterlich fest: am 22. Juli 1857 sprach er offen aus, die Verfassung
sei das einzige, "wodurch wir in Deutschland unsern Rang behaupten können,"
aber unter der Verfassung verstand er ebenso das Recht der Krone, wie das
der Volksvertretung; man kann daher in einem Briefe vom 16. September
1857 sein ganzes Programm in folgende,, Sätzen entwickelt finden: "Ihre
frühern Mitteilungen vom 14. Juni habe ich richtig erhalten. Die Anlagen
zu Ihren beiden Schreiben interesstren mich sehr. Nur wissen Sie längst,
daß ich scharf parlamentarische Gesetzgebung und parlamentarische Regierung
unterscheide; erstere gebe ich zu, letztere nicht, und kann daher die Minister¬
verantwortlichkeit bis zur Anklage oder Abdankung auch ans kleinen Ver¬
anlassungen nicht zugeben. Das Parlament soll eine Kontrolle führen über
die Regierung, diese soll und muß sich verteidigen und wird ebenso oft in
ihrem Rechte gegen parteiische Anklagen bleiben als im Unrecht überführt
werden. Letzteres braucht aber nicht immer zum Abtreten zu nötigen, Wohl
aber soll es el" wohlthätiges Aufmcrksammachen nach sich ziehen; und das
ist bei gewissenhaften Beamten immer zu erwarten. Hat man dergleichen nicht,
so muß der Souverän sie schon aus diesem Grunde entfernen, wozu parla¬
mentarische Aufdeckungen (Kontrollirungen) die Veranlassung bieten werden."
Scharfsinnig bemerkt Bernhardt zu diesem Briefe, es würde vergeblich sein,
den Prinzen über das Maß dieser Zugeständnisse hinaus auf den Wegen der
liberalen Partei weiter führen zu wollen; das wesentlichste sei, ihm diese Partei
nicht verdächtig werden zu lassen.

Von dem spätern Kaiser Friedrich berichten dem Verfasser seine Freunde
i" der Umgebung des Prinzen, er habe ein durchaus edles Gemüt, ganz wie


Dauer mich England zurückziehen, worauf der König die Verhandlungen einfach
mit deu Worten schloß: „Ja, wie Gott will!" Schon im Jahre vorher hatte der
Prinz aller Blicke dnrch die Worte auf sich gelenkt, die er an eine pommersche
Deputation über Gemeindeverfassung und die Zeitläufte überhaupt richtete.

Seine Stellung den frömmelnden Bestrebungen der herrschenden Partei
gegenüber sprach er bei einem Besuche in Hirschberg aufs offenste aus: „Man
kann es nicht leugnen, im Jahre 1848 sind von allen Seiten große Fehler
begangen worden. Ich bin kein Frömmler, kein Pietist, meine Herren, aber
ich habe einen frommen Glauben, und in diesem frommen Glauben habe ich
die Überzeugung, daß auch das Jahr achtundvierzig göttliche Fügung war,
von Gott gesendet, damit wir alle klüger würde»." Allen Tracasserien der
reaktionären Partei gegenüber bewahrte er eine ruhige Haltung, was manch¬
mal schwer genug war; konnte er es doch z. B. nicht einmal dahin bringen,
daß gegen den bekannten Wagener eine Untersuchung eingeleitet wurde, weil
er die Frechheit gehabt hatte zu behaupten, die Fäden des Depeschendiebstahls
reichten bis in das Kabinet des Prinzen von Preußen hinauf!

Seine Anschauungen über konstitutionelles Recht standen schon damals
unerschütterlich fest: am 22. Juli 1857 sprach er offen aus, die Verfassung
sei das einzige, „wodurch wir in Deutschland unsern Rang behaupten können,"
aber unter der Verfassung verstand er ebenso das Recht der Krone, wie das
der Volksvertretung; man kann daher in einem Briefe vom 16. September
1857 sein ganzes Programm in folgende,, Sätzen entwickelt finden: „Ihre
frühern Mitteilungen vom 14. Juni habe ich richtig erhalten. Die Anlagen
zu Ihren beiden Schreiben interesstren mich sehr. Nur wissen Sie längst,
daß ich scharf parlamentarische Gesetzgebung und parlamentarische Regierung
unterscheide; erstere gebe ich zu, letztere nicht, und kann daher die Minister¬
verantwortlichkeit bis zur Anklage oder Abdankung auch ans kleinen Ver¬
anlassungen nicht zugeben. Das Parlament soll eine Kontrolle führen über
die Regierung, diese soll und muß sich verteidigen und wird ebenso oft in
ihrem Rechte gegen parteiische Anklagen bleiben als im Unrecht überführt
werden. Letzteres braucht aber nicht immer zum Abtreten zu nötigen, Wohl
aber soll es el» wohlthätiges Aufmcrksammachen nach sich ziehen; und das
ist bei gewissenhaften Beamten immer zu erwarten. Hat man dergleichen nicht,
so muß der Souverän sie schon aus diesem Grunde entfernen, wozu parla¬
mentarische Aufdeckungen (Kontrollirungen) die Veranlassung bieten werden."
Scharfsinnig bemerkt Bernhardt zu diesem Briefe, es würde vergeblich sein,
den Prinzen über das Maß dieser Zugeständnisse hinaus auf den Wegen der
liberalen Partei weiter führen zu wollen; das wesentlichste sei, ihm diese Partei
nicht verdächtig werden zu lassen.

Von dem spätern Kaiser Friedrich berichten dem Verfasser seine Freunde
i" der Umgebung des Prinzen, er habe ein durchaus edles Gemüt, ganz wie


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215993"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_750" prev="#ID_749"> Dauer mich England zurückziehen, worauf der König die Verhandlungen einfach<lb/>
mit deu Worten schloß: &#x201E;Ja, wie Gott will!" Schon im Jahre vorher hatte der<lb/>
Prinz aller Blicke dnrch die Worte auf sich gelenkt, die er an eine pommersche<lb/>
Deputation über Gemeindeverfassung und die Zeitläufte überhaupt richtete.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_751"> Seine Stellung den frömmelnden Bestrebungen der herrschenden Partei<lb/>
gegenüber sprach er bei einem Besuche in Hirschberg aufs offenste aus: &#x201E;Man<lb/>
kann es nicht leugnen, im Jahre 1848 sind von allen Seiten große Fehler<lb/>
begangen worden. Ich bin kein Frömmler, kein Pietist, meine Herren, aber<lb/>
ich habe einen frommen Glauben, und in diesem frommen Glauben habe ich<lb/>
die Überzeugung, daß auch das Jahr achtundvierzig göttliche Fügung war,<lb/>
von Gott gesendet, damit wir alle klüger würde»." Allen Tracasserien der<lb/>
reaktionären Partei gegenüber bewahrte er eine ruhige Haltung, was manch¬<lb/>
mal schwer genug war; konnte er es doch z. B. nicht einmal dahin bringen,<lb/>
daß gegen den bekannten Wagener eine Untersuchung eingeleitet wurde, weil<lb/>
er die Frechheit gehabt hatte zu behaupten, die Fäden des Depeschendiebstahls<lb/>
reichten bis in das Kabinet des Prinzen von Preußen hinauf!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_752"> Seine Anschauungen über konstitutionelles Recht standen schon damals<lb/>
unerschütterlich fest: am 22. Juli 1857 sprach er offen aus, die Verfassung<lb/>
sei das einzige, &#x201E;wodurch wir in Deutschland unsern Rang behaupten können,"<lb/>
aber unter der Verfassung verstand er ebenso das Recht der Krone, wie das<lb/>
der Volksvertretung; man kann daher in einem Briefe vom 16. September<lb/>
1857 sein ganzes Programm in folgende,, Sätzen entwickelt finden: &#x201E;Ihre<lb/>
frühern Mitteilungen vom 14. Juni habe ich richtig erhalten. Die Anlagen<lb/>
zu Ihren beiden Schreiben interesstren mich sehr. Nur wissen Sie längst,<lb/>
daß ich scharf parlamentarische Gesetzgebung und parlamentarische Regierung<lb/>
unterscheide; erstere gebe ich zu, letztere nicht, und kann daher die Minister¬<lb/>
verantwortlichkeit bis zur Anklage oder Abdankung auch ans kleinen Ver¬<lb/>
anlassungen nicht zugeben. Das Parlament soll eine Kontrolle führen über<lb/>
die Regierung, diese soll und muß sich verteidigen und wird ebenso oft in<lb/>
ihrem Rechte gegen parteiische Anklagen bleiben als im Unrecht überführt<lb/>
werden. Letzteres braucht aber nicht immer zum Abtreten zu nötigen, Wohl<lb/>
aber soll es el» wohlthätiges Aufmcrksammachen nach sich ziehen; und das<lb/>
ist bei gewissenhaften Beamten immer zu erwarten. Hat man dergleichen nicht,<lb/>
so muß der Souverän sie schon aus diesem Grunde entfernen, wozu parla¬<lb/>
mentarische Aufdeckungen (Kontrollirungen) die Veranlassung bieten werden."<lb/>
Scharfsinnig bemerkt Bernhardt zu diesem Briefe, es würde vergeblich sein,<lb/>
den Prinzen über das Maß dieser Zugeständnisse hinaus auf den Wegen der<lb/>
liberalen Partei weiter führen zu wollen; das wesentlichste sei, ihm diese Partei<lb/>
nicht verdächtig werden zu lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_753" next="#ID_754"> Von dem spätern Kaiser Friedrich berichten dem Verfasser seine Freunde<lb/>
i" der Umgebung des Prinzen, er habe ein durchaus edles Gemüt, ganz wie</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0269] Dauer mich England zurückziehen, worauf der König die Verhandlungen einfach mit deu Worten schloß: „Ja, wie Gott will!" Schon im Jahre vorher hatte der Prinz aller Blicke dnrch die Worte auf sich gelenkt, die er an eine pommersche Deputation über Gemeindeverfassung und die Zeitläufte überhaupt richtete. Seine Stellung den frömmelnden Bestrebungen der herrschenden Partei gegenüber sprach er bei einem Besuche in Hirschberg aufs offenste aus: „Man kann es nicht leugnen, im Jahre 1848 sind von allen Seiten große Fehler begangen worden. Ich bin kein Frömmler, kein Pietist, meine Herren, aber ich habe einen frommen Glauben, und in diesem frommen Glauben habe ich die Überzeugung, daß auch das Jahr achtundvierzig göttliche Fügung war, von Gott gesendet, damit wir alle klüger würde»." Allen Tracasserien der reaktionären Partei gegenüber bewahrte er eine ruhige Haltung, was manch¬ mal schwer genug war; konnte er es doch z. B. nicht einmal dahin bringen, daß gegen den bekannten Wagener eine Untersuchung eingeleitet wurde, weil er die Frechheit gehabt hatte zu behaupten, die Fäden des Depeschendiebstahls reichten bis in das Kabinet des Prinzen von Preußen hinauf! Seine Anschauungen über konstitutionelles Recht standen schon damals unerschütterlich fest: am 22. Juli 1857 sprach er offen aus, die Verfassung sei das einzige, „wodurch wir in Deutschland unsern Rang behaupten können," aber unter der Verfassung verstand er ebenso das Recht der Krone, wie das der Volksvertretung; man kann daher in einem Briefe vom 16. September 1857 sein ganzes Programm in folgende,, Sätzen entwickelt finden: „Ihre frühern Mitteilungen vom 14. Juni habe ich richtig erhalten. Die Anlagen zu Ihren beiden Schreiben interesstren mich sehr. Nur wissen Sie längst, daß ich scharf parlamentarische Gesetzgebung und parlamentarische Regierung unterscheide; erstere gebe ich zu, letztere nicht, und kann daher die Minister¬ verantwortlichkeit bis zur Anklage oder Abdankung auch ans kleinen Ver¬ anlassungen nicht zugeben. Das Parlament soll eine Kontrolle führen über die Regierung, diese soll und muß sich verteidigen und wird ebenso oft in ihrem Rechte gegen parteiische Anklagen bleiben als im Unrecht überführt werden. Letzteres braucht aber nicht immer zum Abtreten zu nötigen, Wohl aber soll es el» wohlthätiges Aufmcrksammachen nach sich ziehen; und das ist bei gewissenhaften Beamten immer zu erwarten. Hat man dergleichen nicht, so muß der Souverän sie schon aus diesem Grunde entfernen, wozu parla¬ mentarische Aufdeckungen (Kontrollirungen) die Veranlassung bieten werden." Scharfsinnig bemerkt Bernhardt zu diesem Briefe, es würde vergeblich sein, den Prinzen über das Maß dieser Zugeständnisse hinaus auf den Wegen der liberalen Partei weiter führen zu wollen; das wesentlichste sei, ihm diese Partei nicht verdächtig werden zu lassen. Von dem spätern Kaiser Friedrich berichten dem Verfasser seine Freunde i" der Umgebung des Prinzen, er habe ein durchaus edles Gemüt, ganz wie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/269
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/269>, abgerufen am 22.07.2024.