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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Die Biirgerkunde in der französischen Volksschule

Mit der Erwähnung des Nationalfestes vom 14. Juli 1880, bei dem die fran¬
zösischen Regimenter nach dem Kriege neue Fahnen bekamen, schließt dieser
Abschnitt.

Der folgende Abschnitt behandelt das schwierige Kapitel der Steuern. Der
Übergang ist sehr geschickt gewählt. Ani das Heer, von dem zuerst die Rede
war, zu unterhalten, braucht man Geld. Wer zahlt das? Alle. Folglich
bedürfen wir der Steuer. Zuerst wird die Frage beantwortet, wie das Heer
früher unterhalten worden sei; es wird also ein Stück Kulturgeschichte be¬
handelt. Dann wird der Satz aufgestellt: "Die Steuer ist gleichsam eine Ver¬
sicherungsgesellschaft. Jedermann hat Nutzen von der Steuer; sie dient auch
dazu, nützliche Bauten zu errichten, wie die Schulen; jedermann muß die Steuer
bezahlen." Dann wird der Unterschied zwischen direkten und indirekten Steuern
klar gemacht, von den Finanzbeamten gesprochen und zuletzt von der Auf¬
stellung des Staatshaushalts. Eine Bemerkung zeigt, wie gut es der Ver¬
fasser auch hier versteht, den Stoff lebendig zu gestalten und gleichzeitig den
Schülern ihre Pflichten nahezulegen: "Beachtet wohl, daß, wenn auch diese
Steuern vielleicht einem nicht ganz recht erscheinen, das doch kein Grund sein
darf, den Versuch zu machen, sie nicht zu bezahlen. Es giebt Leute, die sich
für sehr rechtschaffen halten, die niemandem auch nur einen Heller nehmen
würden, und die doch ohne Gewissensbisse glauben die Verbrauchssteuer oder
den Zoll unterschlagen zu dürfen. Das ist ein großer Irrtum, ein grober
bürgerlicher Fehler (uns grosse t'-into "zlvi^us). Das Geld, dessen sie den Staats¬
schatz aus diese Weise berauben, muß von andern genommen werden, was nicht
gerecht ist. Man darf unter keinem Vorwande das Gesetz umgehen."

Der dritte Abschnitt handelt von der Rechtspflege. Auch hier wird an
einen gegebnen Fall angeknüpft.

Herr Lehrer, haben Sie den Dieb gesehen, wie der lief, und die Gendarmen,
die ihn fortführten? Was geschieht mit ihm?

Man führt ihn in die Stadt ins Gefängnis. Dann wird man über ihn zu
Gericht sitzen, und wenn er als schuldig erkannt ist, wie das doch sicher ist, so
wird er verurteilt.

Zu was wird er verurteilt? wird er gehängt?

Wer ein Ladenfenster zerbrochen, Wäsche gestohlen, ja selbst die Eigentümerin
geschlagen hat, wird deshalb nicht gehängt.

Der alte Robert sagte aber, mau müßte ihn sofort aufhängen, und
viele waren seiner Meinung.

Der Lehrer läßt dann den Schüler den Fall erzählen. Dann erklärt er,
daß es ein Diebstahl mit Einbruch in ein bewohntes Haus sei, daß Schläge und
Verwundungen dabei vorgekommen seien, die eine Arbeitsunfähigkeit von mehr
als zwanzig Tagen zur Folge haben könnten. Folglich gehöre dieser Fall vor
das Schwurgericht. Damit kommt er auf die Befugnisse des Schwurgerichts,
"und zu was es verurteilt." Daran schließt sich eitle Besprechung des Straf-


Die Biirgerkunde in der französischen Volksschule

Mit der Erwähnung des Nationalfestes vom 14. Juli 1880, bei dem die fran¬
zösischen Regimenter nach dem Kriege neue Fahnen bekamen, schließt dieser
Abschnitt.

Der folgende Abschnitt behandelt das schwierige Kapitel der Steuern. Der
Übergang ist sehr geschickt gewählt. Ani das Heer, von dem zuerst die Rede
war, zu unterhalten, braucht man Geld. Wer zahlt das? Alle. Folglich
bedürfen wir der Steuer. Zuerst wird die Frage beantwortet, wie das Heer
früher unterhalten worden sei; es wird also ein Stück Kulturgeschichte be¬
handelt. Dann wird der Satz aufgestellt: „Die Steuer ist gleichsam eine Ver¬
sicherungsgesellschaft. Jedermann hat Nutzen von der Steuer; sie dient auch
dazu, nützliche Bauten zu errichten, wie die Schulen; jedermann muß die Steuer
bezahlen." Dann wird der Unterschied zwischen direkten und indirekten Steuern
klar gemacht, von den Finanzbeamten gesprochen und zuletzt von der Auf¬
stellung des Staatshaushalts. Eine Bemerkung zeigt, wie gut es der Ver¬
fasser auch hier versteht, den Stoff lebendig zu gestalten und gleichzeitig den
Schülern ihre Pflichten nahezulegen: „Beachtet wohl, daß, wenn auch diese
Steuern vielleicht einem nicht ganz recht erscheinen, das doch kein Grund sein
darf, den Versuch zu machen, sie nicht zu bezahlen. Es giebt Leute, die sich
für sehr rechtschaffen halten, die niemandem auch nur einen Heller nehmen
würden, und die doch ohne Gewissensbisse glauben die Verbrauchssteuer oder
den Zoll unterschlagen zu dürfen. Das ist ein großer Irrtum, ein grober
bürgerlicher Fehler (uns grosse t'-into «zlvi^us). Das Geld, dessen sie den Staats¬
schatz aus diese Weise berauben, muß von andern genommen werden, was nicht
gerecht ist. Man darf unter keinem Vorwande das Gesetz umgehen."

Der dritte Abschnitt handelt von der Rechtspflege. Auch hier wird an
einen gegebnen Fall angeknüpft.

Herr Lehrer, haben Sie den Dieb gesehen, wie der lief, und die Gendarmen,
die ihn fortführten? Was geschieht mit ihm?

Man führt ihn in die Stadt ins Gefängnis. Dann wird man über ihn zu
Gericht sitzen, und wenn er als schuldig erkannt ist, wie das doch sicher ist, so
wird er verurteilt.

Zu was wird er verurteilt? wird er gehängt?

Wer ein Ladenfenster zerbrochen, Wäsche gestohlen, ja selbst die Eigentümerin
geschlagen hat, wird deshalb nicht gehängt.

Der alte Robert sagte aber, mau müßte ihn sofort aufhängen, und
viele waren seiner Meinung.

Der Lehrer läßt dann den Schüler den Fall erzählen. Dann erklärt er,
daß es ein Diebstahl mit Einbruch in ein bewohntes Haus sei, daß Schläge und
Verwundungen dabei vorgekommen seien, die eine Arbeitsunfähigkeit von mehr
als zwanzig Tagen zur Folge haben könnten. Folglich gehöre dieser Fall vor
das Schwurgericht. Damit kommt er auf die Befugnisse des Schwurgerichts,
„und zu was es verurteilt." Daran schließt sich eitle Besprechung des Straf-


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[0258] Die Biirgerkunde in der französischen Volksschule Mit der Erwähnung des Nationalfestes vom 14. Juli 1880, bei dem die fran¬ zösischen Regimenter nach dem Kriege neue Fahnen bekamen, schließt dieser Abschnitt. Der folgende Abschnitt behandelt das schwierige Kapitel der Steuern. Der Übergang ist sehr geschickt gewählt. Ani das Heer, von dem zuerst die Rede war, zu unterhalten, braucht man Geld. Wer zahlt das? Alle. Folglich bedürfen wir der Steuer. Zuerst wird die Frage beantwortet, wie das Heer früher unterhalten worden sei; es wird also ein Stück Kulturgeschichte be¬ handelt. Dann wird der Satz aufgestellt: „Die Steuer ist gleichsam eine Ver¬ sicherungsgesellschaft. Jedermann hat Nutzen von der Steuer; sie dient auch dazu, nützliche Bauten zu errichten, wie die Schulen; jedermann muß die Steuer bezahlen." Dann wird der Unterschied zwischen direkten und indirekten Steuern klar gemacht, von den Finanzbeamten gesprochen und zuletzt von der Auf¬ stellung des Staatshaushalts. Eine Bemerkung zeigt, wie gut es der Ver¬ fasser auch hier versteht, den Stoff lebendig zu gestalten und gleichzeitig den Schülern ihre Pflichten nahezulegen: „Beachtet wohl, daß, wenn auch diese Steuern vielleicht einem nicht ganz recht erscheinen, das doch kein Grund sein darf, den Versuch zu machen, sie nicht zu bezahlen. Es giebt Leute, die sich für sehr rechtschaffen halten, die niemandem auch nur einen Heller nehmen würden, und die doch ohne Gewissensbisse glauben die Verbrauchssteuer oder den Zoll unterschlagen zu dürfen. Das ist ein großer Irrtum, ein grober bürgerlicher Fehler (uns grosse t'-into «zlvi^us). Das Geld, dessen sie den Staats¬ schatz aus diese Weise berauben, muß von andern genommen werden, was nicht gerecht ist. Man darf unter keinem Vorwande das Gesetz umgehen." Der dritte Abschnitt handelt von der Rechtspflege. Auch hier wird an einen gegebnen Fall angeknüpft. Herr Lehrer, haben Sie den Dieb gesehen, wie der lief, und die Gendarmen, die ihn fortführten? Was geschieht mit ihm? Man führt ihn in die Stadt ins Gefängnis. Dann wird man über ihn zu Gericht sitzen, und wenn er als schuldig erkannt ist, wie das doch sicher ist, so wird er verurteilt. Zu was wird er verurteilt? wird er gehängt? Wer ein Ladenfenster zerbrochen, Wäsche gestohlen, ja selbst die Eigentümerin geschlagen hat, wird deshalb nicht gehängt. Der alte Robert sagte aber, mau müßte ihn sofort aufhängen, und viele waren seiner Meinung. Der Lehrer läßt dann den Schüler den Fall erzählen. Dann erklärt er, daß es ein Diebstahl mit Einbruch in ein bewohntes Haus sei, daß Schläge und Verwundungen dabei vorgekommen seien, die eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als zwanzig Tagen zur Folge haben könnten. Folglich gehöre dieser Fall vor das Schwurgericht. Damit kommt er auf die Befugnisse des Schwurgerichts, „und zu was es verurteilt." Daran schließt sich eitle Besprechung des Straf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/258>, abgerufen am 22.07.2024.