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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Eine Inseratensteuer

urch das Neichspreßgesetz vom 7, Ma 1874 wurde die Zeitungs-
stempelstener, die in Preußen nach dem Gesetz vom 29. Zum 1861
von allen periodisch in regelmäßigen oder unregelmäßigen Fristen
erscheinenden Blättern (Zeitungen, Zeitschriften und Anzeige¬
blättern) erhoben wurde, aufgehoben, und eine besondre Besteue¬
rung der Presse und der einzelnen Preßerzeugnisse giebt es seitdem nicht mehr,
abgesehen von der allgemeinen Gewerbesteuer.

Jeder wird rückhaltlos deu großen Fortschritt anerkennen, den dieses
Reichspreßgesetz besonders für unser Zeitungswesen gebracht hat; auch wird
es wohl niemand bedauern, daß dnrch dieses Gesetz dein Staat eine Ein¬
nahmequelle entzogen worden ist, die immerhin ihren Veitrag zum Haushalt
lfür Preußen) geliefert hatte, und es würde ein verhängnisvoller Rückschritt
sein, wenn das durch die "Preßfreiheit" vom Staate gemachte Zugeständnis,
daß alle Fragen und Maßnahmen, die das politische, volkswirtschaftliche und
soziale Leben und andre das allgemeine Interesse beanspruchende Erscheinungen
betreffen, in der Presse öffentlich besprochen werden dürfen, ohne daß be¬
schränkende oder erschwerende Maßregeln dagegen wirken, es müßte denn sein,
daß besondre Strafgesetze dem entgegenstünden, wieder eingeschränkt werden
sollte.

Aber die heutige Presse, namentlich die sogenannte Tagespresse, deckt sich
nicht mehr mit dem Begriff, der die Preßerzeugnisse umfaßt, die dem eben
genannten öffentlichen Interesse dienen und sich unter dieser Flagge der Pre߬
freiheit erfreuen. Seit der Aufhebung der Zeitungsstempelsteuer hat sich neben
und mit der blühenden Entwicklung dieser politischen und volkswirtschaftlichen
Tagespresse eine Erscheinung breit gemacht, die nichts als eine Schmarotzer¬
pflanze namentlich an der Tagespresse ist und anch auf diese bereits nicht


Grenzbvwu IV 1893 31


Eine Inseratensteuer

urch das Neichspreßgesetz vom 7, Ma 1874 wurde die Zeitungs-
stempelstener, die in Preußen nach dem Gesetz vom 29. Zum 1861
von allen periodisch in regelmäßigen oder unregelmäßigen Fristen
erscheinenden Blättern (Zeitungen, Zeitschriften und Anzeige¬
blättern) erhoben wurde, aufgehoben, und eine besondre Besteue¬
rung der Presse und der einzelnen Preßerzeugnisse giebt es seitdem nicht mehr,
abgesehen von der allgemeinen Gewerbesteuer.

Jeder wird rückhaltlos deu großen Fortschritt anerkennen, den dieses
Reichspreßgesetz besonders für unser Zeitungswesen gebracht hat; auch wird
es wohl niemand bedauern, daß dnrch dieses Gesetz dein Staat eine Ein¬
nahmequelle entzogen worden ist, die immerhin ihren Veitrag zum Haushalt
lfür Preußen) geliefert hatte, und es würde ein verhängnisvoller Rückschritt
sein, wenn das durch die „Preßfreiheit" vom Staate gemachte Zugeständnis,
daß alle Fragen und Maßnahmen, die das politische, volkswirtschaftliche und
soziale Leben und andre das allgemeine Interesse beanspruchende Erscheinungen
betreffen, in der Presse öffentlich besprochen werden dürfen, ohne daß be¬
schränkende oder erschwerende Maßregeln dagegen wirken, es müßte denn sein,
daß besondre Strafgesetze dem entgegenstünden, wieder eingeschränkt werden
sollte.

Aber die heutige Presse, namentlich die sogenannte Tagespresse, deckt sich
nicht mehr mit dem Begriff, der die Preßerzeugnisse umfaßt, die dem eben
genannten öffentlichen Interesse dienen und sich unter dieser Flagge der Pre߬
freiheit erfreuen. Seit der Aufhebung der Zeitungsstempelsteuer hat sich neben
und mit der blühenden Entwicklung dieser politischen und volkswirtschaftlichen
Tagespresse eine Erscheinung breit gemacht, die nichts als eine Schmarotzer¬
pflanze namentlich an der Tagespresse ist und anch auf diese bereits nicht


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[0249] [Abbildung] Eine Inseratensteuer urch das Neichspreßgesetz vom 7, Ma 1874 wurde die Zeitungs- stempelstener, die in Preußen nach dem Gesetz vom 29. Zum 1861 von allen periodisch in regelmäßigen oder unregelmäßigen Fristen erscheinenden Blättern (Zeitungen, Zeitschriften und Anzeige¬ blättern) erhoben wurde, aufgehoben, und eine besondre Besteue¬ rung der Presse und der einzelnen Preßerzeugnisse giebt es seitdem nicht mehr, abgesehen von der allgemeinen Gewerbesteuer. Jeder wird rückhaltlos deu großen Fortschritt anerkennen, den dieses Reichspreßgesetz besonders für unser Zeitungswesen gebracht hat; auch wird es wohl niemand bedauern, daß dnrch dieses Gesetz dein Staat eine Ein¬ nahmequelle entzogen worden ist, die immerhin ihren Veitrag zum Haushalt lfür Preußen) geliefert hatte, und es würde ein verhängnisvoller Rückschritt sein, wenn das durch die „Preßfreiheit" vom Staate gemachte Zugeständnis, daß alle Fragen und Maßnahmen, die das politische, volkswirtschaftliche und soziale Leben und andre das allgemeine Interesse beanspruchende Erscheinungen betreffen, in der Presse öffentlich besprochen werden dürfen, ohne daß be¬ schränkende oder erschwerende Maßregeln dagegen wirken, es müßte denn sein, daß besondre Strafgesetze dem entgegenstünden, wieder eingeschränkt werden sollte. Aber die heutige Presse, namentlich die sogenannte Tagespresse, deckt sich nicht mehr mit dem Begriff, der die Preßerzeugnisse umfaßt, die dem eben genannten öffentlichen Interesse dienen und sich unter dieser Flagge der Pre߬ freiheit erfreuen. Seit der Aufhebung der Zeitungsstempelsteuer hat sich neben und mit der blühenden Entwicklung dieser politischen und volkswirtschaftlichen Tagespresse eine Erscheinung breit gemacht, die nichts als eine Schmarotzer¬ pflanze namentlich an der Tagespresse ist und anch auf diese bereits nicht Grenzbvwu IV 1893 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/249>, abgerufen am 22.07.2024.