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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Weder Uommumsmus noch Kapitalismus

ganze Erwerbszweige vernichtet und durch neue ersetzt werden. Hoffentlich
brauchen wir unsern Lesern gegenüber nicht erst den Einwand zurückzuweisen,
daß es am Gelde fehle für eine solche Umwälzung der Volkswirtschaft. Dem
großen Rade des Verkehrs -- das ist das Geld ursprünglich, und daß es
sonst weiter nichts sei, dafür hat eine weise Gesetzgebung zu sorgen --, diesem
Rade ist es gleichgiltig, ob es Schund oder echte Güter umtreibt; so sehr der
Satz Adam Smiths: das Geld läuft der Ware, nicht die Ware dem Gelde
nach, dem Augenscheine zu widersprechen scheint, er ist dennoch richtig. Was
fehlt, das ist nicht das Geld, sondern einerseits das Land, andrerseits eine
Gesetzgebung, die dem übermäßigen Anschwellen der großen Privatvermögen
Einhalt gebietet. Denn die Grvßkapitalisten sind es, die das Volk zwingen,
Schund zu erzeugen, und die das Schaffen dessen, was das Volk bedarf, ver¬
hindern, damit es, durch Not gezwungen, in ihre Fabriken und auf ihre
Plantagen Ströme und dort die Lohne drücke. BeHandel" es doch Polizei und
Gericht schon als "Strafthat," wenn sich ein obdachloser Mensch eine Laub¬
hütte zum Schlafen einrichtet, und die Tagespresse, einfältig wie ein
Kalb, berichtet mit Behagen unter der Spitzmarke: "Guter Fang," wie der
Gendarm einen solchen Unglücklichen aus seinem Versteck herausgeholt hat.
Der Kerl muß ins Gefängnis! Er muß dort für einen Fabrikanten Stiefel-
sohlen nageln, um den letzten selbständigen Schuster vollends tot oder vielmehr
zum Lohnsklaven eines Kapitalisten zu machen!

Nun können wir die kurze Kritik der "Sparkasse" mit ein paar Glossen
abfertigen. Nachdem der Rezensent einige Sätze unsers Buches (von S. 438)
wörtlich angeführt hat, führt er fort: "Also mit Sparen kann man keine
Häuser bauen, weil doch eigentlich ein Zimmermeister mit seiner und seiner
Leute Arbeit das Haus erbaut! Aber wer bezahlt denn ihn und seine Leute?"
Wir haben gesehen, wie in alten Zeiten ohne Geld gebaut worden ist, und
wie auch heute noch gebaut werden kann. "Der Verfasser scheint sich darüber
nicht klar zu sein, daß er, um das Sparen abzuschaffen, noch einen Schritt
weitergehen und dem reinsten Kommunismus huldigen muß. Dieser braucht
allerdings keine Sparer, weil jedermann sich ein besondres Vergnügen daraus
macht, im Interesse der Gesamtheit andern Leuten die Häuser ohne besondres
Entgelt zu bauen." Der zweite Satz ist läppisch; weiß doch jedermann, daß
in kommunistischen Gemeinweisen niemand ohne Entgelt arbeitet, sondern jeder
für seine Leistungen durch Gewährung des Lebensunterhaltes entschädigt wird,
oder der Theorie nach wenigstens entschädigt werden soll; wie es in Wirklich¬
keit damit stehn würde, ist ja freilich die Frage. Auf den ersten Satz aber
erwidern wir: Wir denken gar nicht dran, das Sparen abschaffen zu wollen.
Haben wir doch ausdrücklich erklärt, daß unter den obwaltenden Umständen
die Ansammlung eines Sparpfennigs für den Vermögenslosen eine Notwendig¬
keit und eine Pflicht sei. Sparen in dem Sinne aber, daß nicht das ganze


Weder Uommumsmus noch Kapitalismus

ganze Erwerbszweige vernichtet und durch neue ersetzt werden. Hoffentlich
brauchen wir unsern Lesern gegenüber nicht erst den Einwand zurückzuweisen,
daß es am Gelde fehle für eine solche Umwälzung der Volkswirtschaft. Dem
großen Rade des Verkehrs — das ist das Geld ursprünglich, und daß es
sonst weiter nichts sei, dafür hat eine weise Gesetzgebung zu sorgen —, diesem
Rade ist es gleichgiltig, ob es Schund oder echte Güter umtreibt; so sehr der
Satz Adam Smiths: das Geld läuft der Ware, nicht die Ware dem Gelde
nach, dem Augenscheine zu widersprechen scheint, er ist dennoch richtig. Was
fehlt, das ist nicht das Geld, sondern einerseits das Land, andrerseits eine
Gesetzgebung, die dem übermäßigen Anschwellen der großen Privatvermögen
Einhalt gebietet. Denn die Grvßkapitalisten sind es, die das Volk zwingen,
Schund zu erzeugen, und die das Schaffen dessen, was das Volk bedarf, ver¬
hindern, damit es, durch Not gezwungen, in ihre Fabriken und auf ihre
Plantagen Ströme und dort die Lohne drücke. BeHandel» es doch Polizei und
Gericht schon als „Strafthat," wenn sich ein obdachloser Mensch eine Laub¬
hütte zum Schlafen einrichtet, und die Tagespresse, einfältig wie ein
Kalb, berichtet mit Behagen unter der Spitzmarke: „Guter Fang," wie der
Gendarm einen solchen Unglücklichen aus seinem Versteck herausgeholt hat.
Der Kerl muß ins Gefängnis! Er muß dort für einen Fabrikanten Stiefel-
sohlen nageln, um den letzten selbständigen Schuster vollends tot oder vielmehr
zum Lohnsklaven eines Kapitalisten zu machen!

Nun können wir die kurze Kritik der „Sparkasse" mit ein paar Glossen
abfertigen. Nachdem der Rezensent einige Sätze unsers Buches (von S. 438)
wörtlich angeführt hat, führt er fort: „Also mit Sparen kann man keine
Häuser bauen, weil doch eigentlich ein Zimmermeister mit seiner und seiner
Leute Arbeit das Haus erbaut! Aber wer bezahlt denn ihn und seine Leute?"
Wir haben gesehen, wie in alten Zeiten ohne Geld gebaut worden ist, und
wie auch heute noch gebaut werden kann. „Der Verfasser scheint sich darüber
nicht klar zu sein, daß er, um das Sparen abzuschaffen, noch einen Schritt
weitergehen und dem reinsten Kommunismus huldigen muß. Dieser braucht
allerdings keine Sparer, weil jedermann sich ein besondres Vergnügen daraus
macht, im Interesse der Gesamtheit andern Leuten die Häuser ohne besondres
Entgelt zu bauen." Der zweite Satz ist läppisch; weiß doch jedermann, daß
in kommunistischen Gemeinweisen niemand ohne Entgelt arbeitet, sondern jeder
für seine Leistungen durch Gewährung des Lebensunterhaltes entschädigt wird,
oder der Theorie nach wenigstens entschädigt werden soll; wie es in Wirklich¬
keit damit stehn würde, ist ja freilich die Frage. Auf den ersten Satz aber
erwidern wir: Wir denken gar nicht dran, das Sparen abschaffen zu wollen.
Haben wir doch ausdrücklich erklärt, daß unter den obwaltenden Umständen
die Ansammlung eines Sparpfennigs für den Vermögenslosen eine Notwendig¬
keit und eine Pflicht sei. Sparen in dem Sinne aber, daß nicht das ganze


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[0224] Weder Uommumsmus noch Kapitalismus ganze Erwerbszweige vernichtet und durch neue ersetzt werden. Hoffentlich brauchen wir unsern Lesern gegenüber nicht erst den Einwand zurückzuweisen, daß es am Gelde fehle für eine solche Umwälzung der Volkswirtschaft. Dem großen Rade des Verkehrs — das ist das Geld ursprünglich, und daß es sonst weiter nichts sei, dafür hat eine weise Gesetzgebung zu sorgen —, diesem Rade ist es gleichgiltig, ob es Schund oder echte Güter umtreibt; so sehr der Satz Adam Smiths: das Geld läuft der Ware, nicht die Ware dem Gelde nach, dem Augenscheine zu widersprechen scheint, er ist dennoch richtig. Was fehlt, das ist nicht das Geld, sondern einerseits das Land, andrerseits eine Gesetzgebung, die dem übermäßigen Anschwellen der großen Privatvermögen Einhalt gebietet. Denn die Grvßkapitalisten sind es, die das Volk zwingen, Schund zu erzeugen, und die das Schaffen dessen, was das Volk bedarf, ver¬ hindern, damit es, durch Not gezwungen, in ihre Fabriken und auf ihre Plantagen Ströme und dort die Lohne drücke. BeHandel» es doch Polizei und Gericht schon als „Strafthat," wenn sich ein obdachloser Mensch eine Laub¬ hütte zum Schlafen einrichtet, und die Tagespresse, einfältig wie ein Kalb, berichtet mit Behagen unter der Spitzmarke: „Guter Fang," wie der Gendarm einen solchen Unglücklichen aus seinem Versteck herausgeholt hat. Der Kerl muß ins Gefängnis! Er muß dort für einen Fabrikanten Stiefel- sohlen nageln, um den letzten selbständigen Schuster vollends tot oder vielmehr zum Lohnsklaven eines Kapitalisten zu machen! Nun können wir die kurze Kritik der „Sparkasse" mit ein paar Glossen abfertigen. Nachdem der Rezensent einige Sätze unsers Buches (von S. 438) wörtlich angeführt hat, führt er fort: „Also mit Sparen kann man keine Häuser bauen, weil doch eigentlich ein Zimmermeister mit seiner und seiner Leute Arbeit das Haus erbaut! Aber wer bezahlt denn ihn und seine Leute?" Wir haben gesehen, wie in alten Zeiten ohne Geld gebaut worden ist, und wie auch heute noch gebaut werden kann. „Der Verfasser scheint sich darüber nicht klar zu sein, daß er, um das Sparen abzuschaffen, noch einen Schritt weitergehen und dem reinsten Kommunismus huldigen muß. Dieser braucht allerdings keine Sparer, weil jedermann sich ein besondres Vergnügen daraus macht, im Interesse der Gesamtheit andern Leuten die Häuser ohne besondres Entgelt zu bauen." Der zweite Satz ist läppisch; weiß doch jedermann, daß in kommunistischen Gemeinweisen niemand ohne Entgelt arbeitet, sondern jeder für seine Leistungen durch Gewährung des Lebensunterhaltes entschädigt wird, oder der Theorie nach wenigstens entschädigt werden soll; wie es in Wirklich¬ keit damit stehn würde, ist ja freilich die Frage. Auf den ersten Satz aber erwidern wir: Wir denken gar nicht dran, das Sparen abschaffen zu wollen. Haben wir doch ausdrücklich erklärt, daß unter den obwaltenden Umständen die Ansammlung eines Sparpfennigs für den Vermögenslosen eine Notwendig¬ keit und eine Pflicht sei. Sparen in dem Sinne aber, daß nicht das ganze

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/224>, abgerufen am 22.07.2024.