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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Die großen Herren freilich würden dabei um so schlechter wegkommen,
und darum, und weil dieses Verfahren viel zu umständlich und unbequem für
sie wäre, lassen sie sich nicht darauf ein, sondern bedienen sich des Geldes,
dessen allgemeiner Gebrauch, wie Rodbertus richtig sagt, die volkswirtschaft¬
lichen Verhältnisse verdeckt. Nachdem gesellschaftliche Gliederung und Arbeits¬
teilung die zur Produktion erforderlichen Güter und Werkzeuge von einander
getrennt haben, ist allerdings das Geld, und zwar Geld als flüssige Form
des Kapitalbesitzes, das bequemste Mittel zu ihrer Wiedervereinigung. Wie
die Dinge heute liegen, gehören die zu einem Bau erforderlichen Gegenstände
sehr vielen verschiednen Personen. Dem einen gehört das Grundstück, einem
andern das Holz, wieder einem andern der Lehm, aus dem die Ziegel gemacht
werden sollen, wieder andern Leuten das Eisen, das Glas, der Thon zu deu
Öfen; die Arbeiter, denen nichts von dem allen gehört, sind wieder andre
Leute, noch andre haben diese Arbeiter mit Nahrung, Kleidung, Wohnung zu
versehen, und fast alle diese Besitzer der verschiednen zum Hausbau erforder¬
lichen Dinge sind einander fremd. Aber es braucht einer nur mit Goldstücken
zu klappern oder, wenn er frech genug ist, mag er auch so arm wie eine
Kirchenmaus sein, Goldstücke recht zuversichtlich zu verheißen, so lockt er damit
alle diese verschiednen Dinge und Menschen aus ihren verschiednen Lagern
hervor und bringt sie auf einem Fleck, auf dem Bauplatz, zusammen. Dem¬
nach sind bei der Auseinandersetzung mit den Anhängern der herrschenden
Spartheorie folgende drei Fragen zu beantworten: Ist das Geldkapital für
die Produktion notwendig? Fördert reichlicher Kapitalzufluß die Produktion?
Entsteht das Geldkapital durch Sparen?

Die erste Frage haben wir eigentlich schon beantwortet. An sich ist kein
Geldkapital notwendig, selbst heute nicht, selbst dann nicht, wenn kein
Schwarzenberg da ist, der alle Produktionsmittel beisammen hat. Denken wir
an die berüchtigte Art des Berliner Häuserbaues. Da sitzen der Meister
Maurer, Zimmerer, Tischler, Glaser, Töpfer beisammen und klagen und senden
dem Halunken, der sie geprellt hat, ihre Flüche uach. Hätten diese guten
Leute, die dem Spekulanten und den Hhpothekengläubigern ein Haus hin¬
gesetzt haben, ohne einen Pfennig für ihre Arbeit und Auslage zu bekommen,
Hütten sie dieses Haus nicht eben so gut für sich selbst bauen können? Sie
brauchten ja nur eine Baugenossenschaft zu bilden, den Grund und Boden
mittels einer Hypothek gemeinsam zu erwerben und dann gerade so frisch
drauflos zu schaffen, wie sie es für nichts und wider nichts gethan haben.
Wovon sollten sie aber während der Bauzeit leben? Pflegt der klassische
Ökonom solchen Vorschlägen gegenüber zu fragen. Nun, vom Essen und
Trinken! Wovon haben sie denn bisher gelebt? Sie haben, weil sie nicht
bezahlt wurden, auch ihrerseits den Bäcker, den Fleischer, den Kaufmann nicht
bezahlen können, haben also auf Borg gelebt. Warum sollten sie das nicht


Die großen Herren freilich würden dabei um so schlechter wegkommen,
und darum, und weil dieses Verfahren viel zu umständlich und unbequem für
sie wäre, lassen sie sich nicht darauf ein, sondern bedienen sich des Geldes,
dessen allgemeiner Gebrauch, wie Rodbertus richtig sagt, die volkswirtschaft¬
lichen Verhältnisse verdeckt. Nachdem gesellschaftliche Gliederung und Arbeits¬
teilung die zur Produktion erforderlichen Güter und Werkzeuge von einander
getrennt haben, ist allerdings das Geld, und zwar Geld als flüssige Form
des Kapitalbesitzes, das bequemste Mittel zu ihrer Wiedervereinigung. Wie
die Dinge heute liegen, gehören die zu einem Bau erforderlichen Gegenstände
sehr vielen verschiednen Personen. Dem einen gehört das Grundstück, einem
andern das Holz, wieder einem andern der Lehm, aus dem die Ziegel gemacht
werden sollen, wieder andern Leuten das Eisen, das Glas, der Thon zu deu
Öfen; die Arbeiter, denen nichts von dem allen gehört, sind wieder andre
Leute, noch andre haben diese Arbeiter mit Nahrung, Kleidung, Wohnung zu
versehen, und fast alle diese Besitzer der verschiednen zum Hausbau erforder¬
lichen Dinge sind einander fremd. Aber es braucht einer nur mit Goldstücken
zu klappern oder, wenn er frech genug ist, mag er auch so arm wie eine
Kirchenmaus sein, Goldstücke recht zuversichtlich zu verheißen, so lockt er damit
alle diese verschiednen Dinge und Menschen aus ihren verschiednen Lagern
hervor und bringt sie auf einem Fleck, auf dem Bauplatz, zusammen. Dem¬
nach sind bei der Auseinandersetzung mit den Anhängern der herrschenden
Spartheorie folgende drei Fragen zu beantworten: Ist das Geldkapital für
die Produktion notwendig? Fördert reichlicher Kapitalzufluß die Produktion?
Entsteht das Geldkapital durch Sparen?

Die erste Frage haben wir eigentlich schon beantwortet. An sich ist kein
Geldkapital notwendig, selbst heute nicht, selbst dann nicht, wenn kein
Schwarzenberg da ist, der alle Produktionsmittel beisammen hat. Denken wir
an die berüchtigte Art des Berliner Häuserbaues. Da sitzen der Meister
Maurer, Zimmerer, Tischler, Glaser, Töpfer beisammen und klagen und senden
dem Halunken, der sie geprellt hat, ihre Flüche uach. Hätten diese guten
Leute, die dem Spekulanten und den Hhpothekengläubigern ein Haus hin¬
gesetzt haben, ohne einen Pfennig für ihre Arbeit und Auslage zu bekommen,
Hütten sie dieses Haus nicht eben so gut für sich selbst bauen können? Sie
brauchten ja nur eine Baugenossenschaft zu bilden, den Grund und Boden
mittels einer Hypothek gemeinsam zu erwerben und dann gerade so frisch
drauflos zu schaffen, wie sie es für nichts und wider nichts gethan haben.
Wovon sollten sie aber während der Bauzeit leben? Pflegt der klassische
Ökonom solchen Vorschlägen gegenüber zu fragen. Nun, vom Essen und
Trinken! Wovon haben sie denn bisher gelebt? Sie haben, weil sie nicht
bezahlt wurden, auch ihrerseits den Bäcker, den Fleischer, den Kaufmann nicht
bezahlen können, haben also auf Borg gelebt. Warum sollten sie das nicht


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[0218] Die großen Herren freilich würden dabei um so schlechter wegkommen, und darum, und weil dieses Verfahren viel zu umständlich und unbequem für sie wäre, lassen sie sich nicht darauf ein, sondern bedienen sich des Geldes, dessen allgemeiner Gebrauch, wie Rodbertus richtig sagt, die volkswirtschaft¬ lichen Verhältnisse verdeckt. Nachdem gesellschaftliche Gliederung und Arbeits¬ teilung die zur Produktion erforderlichen Güter und Werkzeuge von einander getrennt haben, ist allerdings das Geld, und zwar Geld als flüssige Form des Kapitalbesitzes, das bequemste Mittel zu ihrer Wiedervereinigung. Wie die Dinge heute liegen, gehören die zu einem Bau erforderlichen Gegenstände sehr vielen verschiednen Personen. Dem einen gehört das Grundstück, einem andern das Holz, wieder einem andern der Lehm, aus dem die Ziegel gemacht werden sollen, wieder andern Leuten das Eisen, das Glas, der Thon zu deu Öfen; die Arbeiter, denen nichts von dem allen gehört, sind wieder andre Leute, noch andre haben diese Arbeiter mit Nahrung, Kleidung, Wohnung zu versehen, und fast alle diese Besitzer der verschiednen zum Hausbau erforder¬ lichen Dinge sind einander fremd. Aber es braucht einer nur mit Goldstücken zu klappern oder, wenn er frech genug ist, mag er auch so arm wie eine Kirchenmaus sein, Goldstücke recht zuversichtlich zu verheißen, so lockt er damit alle diese verschiednen Dinge und Menschen aus ihren verschiednen Lagern hervor und bringt sie auf einem Fleck, auf dem Bauplatz, zusammen. Dem¬ nach sind bei der Auseinandersetzung mit den Anhängern der herrschenden Spartheorie folgende drei Fragen zu beantworten: Ist das Geldkapital für die Produktion notwendig? Fördert reichlicher Kapitalzufluß die Produktion? Entsteht das Geldkapital durch Sparen? Die erste Frage haben wir eigentlich schon beantwortet. An sich ist kein Geldkapital notwendig, selbst heute nicht, selbst dann nicht, wenn kein Schwarzenberg da ist, der alle Produktionsmittel beisammen hat. Denken wir an die berüchtigte Art des Berliner Häuserbaues. Da sitzen der Meister Maurer, Zimmerer, Tischler, Glaser, Töpfer beisammen und klagen und senden dem Halunken, der sie geprellt hat, ihre Flüche uach. Hätten diese guten Leute, die dem Spekulanten und den Hhpothekengläubigern ein Haus hin¬ gesetzt haben, ohne einen Pfennig für ihre Arbeit und Auslage zu bekommen, Hütten sie dieses Haus nicht eben so gut für sich selbst bauen können? Sie brauchten ja nur eine Baugenossenschaft zu bilden, den Grund und Boden mittels einer Hypothek gemeinsam zu erwerben und dann gerade so frisch drauflos zu schaffen, wie sie es für nichts und wider nichts gethan haben. Wovon sollten sie aber während der Bauzeit leben? Pflegt der klassische Ökonom solchen Vorschlägen gegenüber zu fragen. Nun, vom Essen und Trinken! Wovon haben sie denn bisher gelebt? Sie haben, weil sie nicht bezahlt wurden, auch ihrerseits den Bäcker, den Fleischer, den Kaufmann nicht bezahlen können, haben also auf Borg gelebt. Warum sollten sie das nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/218>, abgerufen am 25.08.2024.