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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Weder Kommunismus noch Kapitalismus

Arbeit. Wie macht es der Großfabrikaut, wenn er Maschinen herstellen will?
spart er vielleicht an Kost, Kleidung und Vergnügen? Fällt ihm gar nicht
ein! Er läßt sich nichts abgehen. Sondern er mietet Ingenieure, Werkführer
und Arbeiter und läßt sie allesamt arbeiten nach einem Plan, den er selbst
ausgearbeitet hat oder von einem andern hat ausarbeiten lassen. Freilich,
wenn er nicht wie ein europäischer Fabrikant, sondern wie ein polnischer
Magnat des vorigen Jahrhunderts leben, wenn er sein ganzes Einkommen
aus Prunk und tolle Lustbarkeiten verwenden, einen Tag wie den andern mit
Gästen Schlemmen, seine Speisen mit kostbaren ausländischen Hölzern kochen
und bei jeder Mahlzeit Diamanten an seine Gäste verschenken wollte, so würde
diese Verschwendung keine Produktion zustande kommen lassen. Will man die
Unterlassung solcher Tollheiten schon Sparen nennen, dann ist allerdings das
Sparen eine Grundbedingung der Produktion. Allein in diesem Sinne gebraucht
man doch für gewöhnlich das Wort nicht. Gerade in diesen: Sinne aber,
das mag hier vorläufig angemerkt werden, gebraucht es Adam Smith bei
Begründung seiner Theorie der Kapitalanhänsung. Er meint: verzehrt aller¬
dings werde das Einkommen auf alle Fälle -- zu was anderen würden denn
die Güter geschaffen, als um verbraucht zu werden? --, aber es mache einen
Unterschied, ob die Einkommensgüter eines reichen Mannes von produktiven
Arbeitern oder von müßigen: Gesinde!: Gästen, Bedienten, Bettlern, verzehrt
würden, die nichts schaffen. Die erste Verwendungsart ist das, was er Sparen
nennt, und in diesem Sinne freilich, wo Sparen so viel bedeutet wie Arbeiteu-
lasseu, ist das Sparen in unsrer kapitalistischen Gesellschaft notwendig, denn
wenn niemand da ist, der auf eigne Faust arbeiten darf, und auch niemand,
der andre arbeiten läßt, so wird natürlicherweise nichts geschaffen; die Güter
werden verzehrt, ohne durch neue ersetzt zu werden.

Nicht aber ist es zur Produktion notwendig, daß im gewöhnlichen Sinne
des Wortes gespart und durch Sparen ein Geldkapital aufgehäuft werde. Der
Großgrundbesitzer alter Zeit brauchte, um einen Palast zu bauen, keinen Pfennig
Geld. Die dabei beschäftigten Leute, vom Architekten bis zum Handlanger,
wurden mit den Erzeugnissen seiner Landwirtschaft und seiner Werkstätten ge¬
speist und bekleidet und fanden die Baumaterialien in seinen Steinbrüchen
und in seinen Wäldern. Daß alle diese Leute seine Sklaven waren, ist noch
nicht einmal von solcher Bedeutung, wie man gewöhnlich glaubt. Mancher
englische Herzog, der Fürst Schwarzenberg in Böhmen, sie könnten doch noch
heute nicht allein Paläste, sondern die Strecken Eisenbahn, die ihre Besitzungen
durchschneiden, ganz ebenso bauen. Sie finden alles zum Bau notwendige auf
ihrem eignen Grund und Boden, und sie könnten alle dabei thätigen mit
Naturalien auszahlen; selbst die Ingenieure würde" vielleicht ganz gern darauf
eingehen, wenn die Naturallöhnung, die ja z. B. in kostbaren Rennpferden
bestehen könnte, so ausfiele, daß sie dabei ein gutes Geschäft machten.


Grenzboten IV 1893 37
Weder Kommunismus noch Kapitalismus

Arbeit. Wie macht es der Großfabrikaut, wenn er Maschinen herstellen will?
spart er vielleicht an Kost, Kleidung und Vergnügen? Fällt ihm gar nicht
ein! Er läßt sich nichts abgehen. Sondern er mietet Ingenieure, Werkführer
und Arbeiter und läßt sie allesamt arbeiten nach einem Plan, den er selbst
ausgearbeitet hat oder von einem andern hat ausarbeiten lassen. Freilich,
wenn er nicht wie ein europäischer Fabrikant, sondern wie ein polnischer
Magnat des vorigen Jahrhunderts leben, wenn er sein ganzes Einkommen
aus Prunk und tolle Lustbarkeiten verwenden, einen Tag wie den andern mit
Gästen Schlemmen, seine Speisen mit kostbaren ausländischen Hölzern kochen
und bei jeder Mahlzeit Diamanten an seine Gäste verschenken wollte, so würde
diese Verschwendung keine Produktion zustande kommen lassen. Will man die
Unterlassung solcher Tollheiten schon Sparen nennen, dann ist allerdings das
Sparen eine Grundbedingung der Produktion. Allein in diesem Sinne gebraucht
man doch für gewöhnlich das Wort nicht. Gerade in diesen: Sinne aber,
das mag hier vorläufig angemerkt werden, gebraucht es Adam Smith bei
Begründung seiner Theorie der Kapitalanhänsung. Er meint: verzehrt aller¬
dings werde das Einkommen auf alle Fälle — zu was anderen würden denn
die Güter geschaffen, als um verbraucht zu werden? —, aber es mache einen
Unterschied, ob die Einkommensgüter eines reichen Mannes von produktiven
Arbeitern oder von müßigen: Gesinde!: Gästen, Bedienten, Bettlern, verzehrt
würden, die nichts schaffen. Die erste Verwendungsart ist das, was er Sparen
nennt, und in diesem Sinne freilich, wo Sparen so viel bedeutet wie Arbeiteu-
lasseu, ist das Sparen in unsrer kapitalistischen Gesellschaft notwendig, denn
wenn niemand da ist, der auf eigne Faust arbeiten darf, und auch niemand,
der andre arbeiten läßt, so wird natürlicherweise nichts geschaffen; die Güter
werden verzehrt, ohne durch neue ersetzt zu werden.

Nicht aber ist es zur Produktion notwendig, daß im gewöhnlichen Sinne
des Wortes gespart und durch Sparen ein Geldkapital aufgehäuft werde. Der
Großgrundbesitzer alter Zeit brauchte, um einen Palast zu bauen, keinen Pfennig
Geld. Die dabei beschäftigten Leute, vom Architekten bis zum Handlanger,
wurden mit den Erzeugnissen seiner Landwirtschaft und seiner Werkstätten ge¬
speist und bekleidet und fanden die Baumaterialien in seinen Steinbrüchen
und in seinen Wäldern. Daß alle diese Leute seine Sklaven waren, ist noch
nicht einmal von solcher Bedeutung, wie man gewöhnlich glaubt. Mancher
englische Herzog, der Fürst Schwarzenberg in Böhmen, sie könnten doch noch
heute nicht allein Paläste, sondern die Strecken Eisenbahn, die ihre Besitzungen
durchschneiden, ganz ebenso bauen. Sie finden alles zum Bau notwendige auf
ihrem eignen Grund und Boden, und sie könnten alle dabei thätigen mit
Naturalien auszahlen; selbst die Ingenieure würde» vielleicht ganz gern darauf
eingehen, wenn die Naturallöhnung, die ja z. B. in kostbaren Rennpferden
bestehen könnte, so ausfiele, daß sie dabei ein gutes Geschäft machten.


Grenzboten IV 1893 37
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[0217] Weder Kommunismus noch Kapitalismus Arbeit. Wie macht es der Großfabrikaut, wenn er Maschinen herstellen will? spart er vielleicht an Kost, Kleidung und Vergnügen? Fällt ihm gar nicht ein! Er läßt sich nichts abgehen. Sondern er mietet Ingenieure, Werkführer und Arbeiter und läßt sie allesamt arbeiten nach einem Plan, den er selbst ausgearbeitet hat oder von einem andern hat ausarbeiten lassen. Freilich, wenn er nicht wie ein europäischer Fabrikant, sondern wie ein polnischer Magnat des vorigen Jahrhunderts leben, wenn er sein ganzes Einkommen aus Prunk und tolle Lustbarkeiten verwenden, einen Tag wie den andern mit Gästen Schlemmen, seine Speisen mit kostbaren ausländischen Hölzern kochen und bei jeder Mahlzeit Diamanten an seine Gäste verschenken wollte, so würde diese Verschwendung keine Produktion zustande kommen lassen. Will man die Unterlassung solcher Tollheiten schon Sparen nennen, dann ist allerdings das Sparen eine Grundbedingung der Produktion. Allein in diesem Sinne gebraucht man doch für gewöhnlich das Wort nicht. Gerade in diesen: Sinne aber, das mag hier vorläufig angemerkt werden, gebraucht es Adam Smith bei Begründung seiner Theorie der Kapitalanhänsung. Er meint: verzehrt aller¬ dings werde das Einkommen auf alle Fälle — zu was anderen würden denn die Güter geschaffen, als um verbraucht zu werden? —, aber es mache einen Unterschied, ob die Einkommensgüter eines reichen Mannes von produktiven Arbeitern oder von müßigen: Gesinde!: Gästen, Bedienten, Bettlern, verzehrt würden, die nichts schaffen. Die erste Verwendungsart ist das, was er Sparen nennt, und in diesem Sinne freilich, wo Sparen so viel bedeutet wie Arbeiteu- lasseu, ist das Sparen in unsrer kapitalistischen Gesellschaft notwendig, denn wenn niemand da ist, der auf eigne Faust arbeiten darf, und auch niemand, der andre arbeiten läßt, so wird natürlicherweise nichts geschaffen; die Güter werden verzehrt, ohne durch neue ersetzt zu werden. Nicht aber ist es zur Produktion notwendig, daß im gewöhnlichen Sinne des Wortes gespart und durch Sparen ein Geldkapital aufgehäuft werde. Der Großgrundbesitzer alter Zeit brauchte, um einen Palast zu bauen, keinen Pfennig Geld. Die dabei beschäftigten Leute, vom Architekten bis zum Handlanger, wurden mit den Erzeugnissen seiner Landwirtschaft und seiner Werkstätten ge¬ speist und bekleidet und fanden die Baumaterialien in seinen Steinbrüchen und in seinen Wäldern. Daß alle diese Leute seine Sklaven waren, ist noch nicht einmal von solcher Bedeutung, wie man gewöhnlich glaubt. Mancher englische Herzog, der Fürst Schwarzenberg in Böhmen, sie könnten doch noch heute nicht allein Paläste, sondern die Strecken Eisenbahn, die ihre Besitzungen durchschneiden, ganz ebenso bauen. Sie finden alles zum Bau notwendige auf ihrem eignen Grund und Boden, und sie könnten alle dabei thätigen mit Naturalien auszahlen; selbst die Ingenieure würde» vielleicht ganz gern darauf eingehen, wenn die Naturallöhnung, die ja z. B. in kostbaren Rennpferden bestehen könnte, so ausfiele, daß sie dabei ein gutes Geschäft machten. Grenzboten IV 1893 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/217>, abgerufen am 22.07.2024.