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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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tveder Kommunismus "och Attpiwlismus

ständig wächst, so "luß auch die Zahl der zu ihrer Überwachung und Abur¬
teilung nötige" Beamten beständig vermehrt werden. Und so wird denn unser
edles deutsches Volk nach zwanzig bis dreißig Jahren etwa folgendermaßen aus¬
schaue". Ein Drittel wird aus produktiven Arbeitern bestehen, die alle Güter
schaffen und verbreiten, in Kummer und Not, weil sie die zwei unproduk¬
tiven Drittel mit erhalten müssen. Ein zweites Drittel wird uuter andern
folgende Bestandteile aufweisen: Rentner und Staatspensionäre, die ihr Leben
mit Skat und Biertrinken, mit Sport und Vereinsfexerei, mit Geklatsch, mit
Spitzeln und Dennnziren und mit Kannegießerei zubringen; Bureaukraten, die
die produktive Arbeit fordern sollen, sie aber bloß hindern; Fabrikarbeiter, die
schädliche Dinge (z. B. Schnaps und gewisse Gummiartikel) herstellen müssen;
Menschen, die Scheinnrbeit leisten, z. B. Reklametafeln herumtragen; Akten-,
Zeitungs- und Büchcrschreiber, die ein endloses Geschwätz und Geschreib ver¬
führen über das, was von den Produktiven gearbeitet wird und nicht gearbeitet
wird, was gearbeitet werden sollte und konnte, aber leider nicht gearbeitet
werden kann; zahllose feinere Sorten von Schmarotzern und Spitzbuben, die
ihr Gewerbe in Übereinstimmung mit den Staatsgesetzen und unter dem Schutze
der Obrigkeit treiben. Das dritte Drittel endlich wird zur Hälfte aus Bettler",
Vagabunden, Prostituirten und gewerbsmäßigen Verbrechern bestehen, zur
andern Hälfte aus Soldaten und Bütteln, die jene in Gefängnissen und im
Freien zu bewachen haben.

Wir fragen die Herren, die jedesmal, wo von Land und Volk die Rede
ist, die ganze Arithmetik in die vierte Dimension verschwinden lassen, woher
sie in Deutschland den Wirkungskreis und die Rohstoffe nehmen wollen für
siebzig Millionen Menschen, und soviel werden wir doch nach dreißig Jahren
sein! Gegenwärtig würde bei gleichmäßiger Verteilung nicht ganz ein Hektar
auf deu Kopf, also etwa ein sechzehn Morgen großes Gütchen auf die Familie
kommen; was bleibt aber zur Verteilung an die große Masse übrig, nachdem
der Raum sür Straßen, Eisenbahne". Wohn- und Fabrikgebäude, für allerlei
öffentliche Anlagen, nachdem der private Großgrundbesitz und der großbäuer¬
liche, sowie der Besitz der Staaten, Gemeinden und Stiftungen davon abge¬
zogen ist? Bilden sich die Herren etwa ein, weil unsre Chemiker Weizenührcu
in der Wasserflasche ziehe", mau werde mit deren Hilfe so weit kommen,
Menschen- wie Weizenpflauzen in der leeren Luft zu erhalten, und diese aller
natürlichen Daseinsbedingungen beraubten Iwmunouli würden noch wirkliche
Menschen sein? Es bleibt dabei: ein Baum, der nicht genug Wnrzelbvden und
Luftraum hat, muß verkrüppeln! Schon der Mann, der nicht allermindestens
ein eignes Haus und einen eignen Garten besitzt, ist ein Krüppel; denn ein
Stück Außenwelt, das er gestalte" und dem er den Stempel seiner Persönlichkeit
aufdrücken kann, gehört wesentlich zu dieser Persönlichkeit. Das weiß auch jeder¬
mann, und obwohl es der Politik im Bunde mit der Presse gelungen ist, dem


Grenzboten IV 18W 22
tveder Kommunismus »och Attpiwlismus

ständig wächst, so »luß auch die Zahl der zu ihrer Überwachung und Abur¬
teilung nötige» Beamten beständig vermehrt werden. Und so wird denn unser
edles deutsches Volk nach zwanzig bis dreißig Jahren etwa folgendermaßen aus¬
schaue». Ein Drittel wird aus produktiven Arbeitern bestehen, die alle Güter
schaffen und verbreiten, in Kummer und Not, weil sie die zwei unproduk¬
tiven Drittel mit erhalten müssen. Ein zweites Drittel wird uuter andern
folgende Bestandteile aufweisen: Rentner und Staatspensionäre, die ihr Leben
mit Skat und Biertrinken, mit Sport und Vereinsfexerei, mit Geklatsch, mit
Spitzeln und Dennnziren und mit Kannegießerei zubringen; Bureaukraten, die
die produktive Arbeit fordern sollen, sie aber bloß hindern; Fabrikarbeiter, die
schädliche Dinge (z. B. Schnaps und gewisse Gummiartikel) herstellen müssen;
Menschen, die Scheinnrbeit leisten, z. B. Reklametafeln herumtragen; Akten-,
Zeitungs- und Büchcrschreiber, die ein endloses Geschwätz und Geschreib ver¬
führen über das, was von den Produktiven gearbeitet wird und nicht gearbeitet
wird, was gearbeitet werden sollte und konnte, aber leider nicht gearbeitet
werden kann; zahllose feinere Sorten von Schmarotzern und Spitzbuben, die
ihr Gewerbe in Übereinstimmung mit den Staatsgesetzen und unter dem Schutze
der Obrigkeit treiben. Das dritte Drittel endlich wird zur Hälfte aus Bettler»,
Vagabunden, Prostituirten und gewerbsmäßigen Verbrechern bestehen, zur
andern Hälfte aus Soldaten und Bütteln, die jene in Gefängnissen und im
Freien zu bewachen haben.

Wir fragen die Herren, die jedesmal, wo von Land und Volk die Rede
ist, die ganze Arithmetik in die vierte Dimension verschwinden lassen, woher
sie in Deutschland den Wirkungskreis und die Rohstoffe nehmen wollen für
siebzig Millionen Menschen, und soviel werden wir doch nach dreißig Jahren
sein! Gegenwärtig würde bei gleichmäßiger Verteilung nicht ganz ein Hektar
auf deu Kopf, also etwa ein sechzehn Morgen großes Gütchen auf die Familie
kommen; was bleibt aber zur Verteilung an die große Masse übrig, nachdem
der Raum sür Straßen, Eisenbahne». Wohn- und Fabrikgebäude, für allerlei
öffentliche Anlagen, nachdem der private Großgrundbesitz und der großbäuer¬
liche, sowie der Besitz der Staaten, Gemeinden und Stiftungen davon abge¬
zogen ist? Bilden sich die Herren etwa ein, weil unsre Chemiker Weizenührcu
in der Wasserflasche ziehe», mau werde mit deren Hilfe so weit kommen,
Menschen- wie Weizenpflauzen in der leeren Luft zu erhalten, und diese aller
natürlichen Daseinsbedingungen beraubten Iwmunouli würden noch wirkliche
Menschen sein? Es bleibt dabei: ein Baum, der nicht genug Wnrzelbvden und
Luftraum hat, muß verkrüppeln! Schon der Mann, der nicht allermindestens
ein eignes Haus und einen eignen Garten besitzt, ist ein Krüppel; denn ein
Stück Außenwelt, das er gestalte« und dem er den Stempel seiner Persönlichkeit
aufdrücken kann, gehört wesentlich zu dieser Persönlichkeit. Das weiß auch jeder¬
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[0177] tveder Kommunismus »och Attpiwlismus ständig wächst, so »luß auch die Zahl der zu ihrer Überwachung und Abur¬ teilung nötige» Beamten beständig vermehrt werden. Und so wird denn unser edles deutsches Volk nach zwanzig bis dreißig Jahren etwa folgendermaßen aus¬ schaue». Ein Drittel wird aus produktiven Arbeitern bestehen, die alle Güter schaffen und verbreiten, in Kummer und Not, weil sie die zwei unproduk¬ tiven Drittel mit erhalten müssen. Ein zweites Drittel wird uuter andern folgende Bestandteile aufweisen: Rentner und Staatspensionäre, die ihr Leben mit Skat und Biertrinken, mit Sport und Vereinsfexerei, mit Geklatsch, mit Spitzeln und Dennnziren und mit Kannegießerei zubringen; Bureaukraten, die die produktive Arbeit fordern sollen, sie aber bloß hindern; Fabrikarbeiter, die schädliche Dinge (z. B. Schnaps und gewisse Gummiartikel) herstellen müssen; Menschen, die Scheinnrbeit leisten, z. B. Reklametafeln herumtragen; Akten-, Zeitungs- und Büchcrschreiber, die ein endloses Geschwätz und Geschreib ver¬ führen über das, was von den Produktiven gearbeitet wird und nicht gearbeitet wird, was gearbeitet werden sollte und konnte, aber leider nicht gearbeitet werden kann; zahllose feinere Sorten von Schmarotzern und Spitzbuben, die ihr Gewerbe in Übereinstimmung mit den Staatsgesetzen und unter dem Schutze der Obrigkeit treiben. Das dritte Drittel endlich wird zur Hälfte aus Bettler», Vagabunden, Prostituirten und gewerbsmäßigen Verbrechern bestehen, zur andern Hälfte aus Soldaten und Bütteln, die jene in Gefängnissen und im Freien zu bewachen haben. Wir fragen die Herren, die jedesmal, wo von Land und Volk die Rede ist, die ganze Arithmetik in die vierte Dimension verschwinden lassen, woher sie in Deutschland den Wirkungskreis und die Rohstoffe nehmen wollen für siebzig Millionen Menschen, und soviel werden wir doch nach dreißig Jahren sein! Gegenwärtig würde bei gleichmäßiger Verteilung nicht ganz ein Hektar auf deu Kopf, also etwa ein sechzehn Morgen großes Gütchen auf die Familie kommen; was bleibt aber zur Verteilung an die große Masse übrig, nachdem der Raum sür Straßen, Eisenbahne». Wohn- und Fabrikgebäude, für allerlei öffentliche Anlagen, nachdem der private Großgrundbesitz und der großbäuer¬ liche, sowie der Besitz der Staaten, Gemeinden und Stiftungen davon abge¬ zogen ist? Bilden sich die Herren etwa ein, weil unsre Chemiker Weizenührcu in der Wasserflasche ziehe», mau werde mit deren Hilfe so weit kommen, Menschen- wie Weizenpflauzen in der leeren Luft zu erhalten, und diese aller natürlichen Daseinsbedingungen beraubten Iwmunouli würden noch wirkliche Menschen sein? Es bleibt dabei: ein Baum, der nicht genug Wnrzelbvden und Luftraum hat, muß verkrüppeln! Schon der Mann, der nicht allermindestens ein eignes Haus und einen eignen Garten besitzt, ist ein Krüppel; denn ein Stück Außenwelt, das er gestalte« und dem er den Stempel seiner Persönlichkeit aufdrücken kann, gehört wesentlich zu dieser Persönlichkeit. Das weiß auch jeder¬ mann, und obwohl es der Politik im Bunde mit der Presse gelungen ist, dem Grenzboten IV 18W 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/177>, abgerufen am 04.07.2024.