Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der neueste Stand der Homernlepolitik

mehr untergeordneten Parlamenten zur Besorgung der örtlichen Angelegenheiten
in England und Schottland, Wales und Irland, Ein solcher Plan wäre
logisch, aber durchaus ein Sprung ins Dunkle und eine gänzliche Umkehrung
dessen, was seit 600 Jahren englische Politik gewesen ist.

Eine kaum weniger große Gefahr für die Wahlanssichten Gladstones bergen
die neuen Bestimmungen, die die zukünftigen finanziellen Beziehungen zwischen
Großbritannien und Irland ordnen sollen. Verletzt die Unterwerfung Englands
unter irische Abgeordnete das britische Ehrgefühl, so greifen diese den britischen
Wähler an einem nicht minder empfindlichen Punkte, nämlich an seinem Geld¬
beutel um. Es wird der unionistischen Kritik nicht schwer fallen, dem britischen
Wähler zu beweisen, daß er für das Vergnügen, in Dublin eine feindselige oder
mindestens unfreundliche Negierung einzusetzen, noch teuer wird zahlen müssen.
Der jetzige Plan ist bereits der dritte, den Gladstone ausgeheckt hat; alle drei
haben das gemein, daß um jeden Preis auf Kosten der britischen Steuerzahler
ein jährlicher Überschuß für das irische Parlament herausgerechnet werden
mußte, und alle drei unterscheiden sich mir darin, daß jeder den Iren günstiger
ist als der vorangehende. Die ursprüngliche Regierungsvorlage von 1893
schlug vor, deu Nettoertrag der irischen Zolle, der auf 2 370 000 Pfund
Sterling geschätzt wird, als irischen Beitrag zu dem gemeinsamen Reichscmf-
wande zu nehmen; nach dem neuesten Plan dagegen soll Irland ein Drittel
seines Gesamteinkommens zu Reichszwecken beisteuern. Was dies bedeutet,
zeigt ein Blick in die amtliche Statistik. Für das Jahr 1891/92 war Ir¬
lands Gesamteinkommen 6780000 Pfund Sterling, ein Drittel davon wäre
2260000 Pfund Sterling. Davon Hütte aber nach den Bestimmungen der
Bill das Reich etwas über 200000 Pfund Sterling (Eintreibungskosten) und
500000 Pfund Sterling (für die irische Polizei) zu zahlen. Der letztere Posten
soll allerdings mit der allmählichen Ersetzung der irischen Konstablerei durch
örtliche Polizeikräfte abnehmen und schließlich ganz verschwinden. Aber jeden¬
falls wäre Irlands wirklicher Beitrag in nächster Zeit nur 1550000 Pfund
Sterling. Die Gesamtausgabe des Reichs beträgt zur Zeit 62400000 Pfund
Sterling -- natürlich eine immer wachsende Größe --, davon hätte also Gro߬
britannien 69900000 und Irland nnr 1550000 Pfund Sterling zu zahlen.
Großbritanniens Gesamteinkommen betrügt aber etwa 83 Millionen Pfund
Sterling; es bleiben ihm also für seine eignen Zwecke kaum ein Drittel seiner
Einnahmen, während Irland zwei Drittel für sich behielte. Mit andern Worten:
rechnet man die Bevölkerung von Irland auf rund 4700000, die von Gro߬
britannien auf 33 Millionen, so hätte nach diesem neuesten Plan ein Ire nur
6 Schilling 6 Pence für Reichszwecke zu zahlen, ein Schotte und ein Eng¬
länder dagegen 35 Schilling. Nach Gladstones Plan von 1886 waren die
entsprechenden Zahlen 13 Schilling 5 Pence und 30 Schilling 11 Pence. Die
angeführten Zahlen sprechen für sich selbst.


iSrenzboien IV 189-j ^
Der neueste Stand der Homernlepolitik

mehr untergeordneten Parlamenten zur Besorgung der örtlichen Angelegenheiten
in England und Schottland, Wales und Irland, Ein solcher Plan wäre
logisch, aber durchaus ein Sprung ins Dunkle und eine gänzliche Umkehrung
dessen, was seit 600 Jahren englische Politik gewesen ist.

Eine kaum weniger große Gefahr für die Wahlanssichten Gladstones bergen
die neuen Bestimmungen, die die zukünftigen finanziellen Beziehungen zwischen
Großbritannien und Irland ordnen sollen. Verletzt die Unterwerfung Englands
unter irische Abgeordnete das britische Ehrgefühl, so greifen diese den britischen
Wähler an einem nicht minder empfindlichen Punkte, nämlich an seinem Geld¬
beutel um. Es wird der unionistischen Kritik nicht schwer fallen, dem britischen
Wähler zu beweisen, daß er für das Vergnügen, in Dublin eine feindselige oder
mindestens unfreundliche Negierung einzusetzen, noch teuer wird zahlen müssen.
Der jetzige Plan ist bereits der dritte, den Gladstone ausgeheckt hat; alle drei
haben das gemein, daß um jeden Preis auf Kosten der britischen Steuerzahler
ein jährlicher Überschuß für das irische Parlament herausgerechnet werden
mußte, und alle drei unterscheiden sich mir darin, daß jeder den Iren günstiger
ist als der vorangehende. Die ursprüngliche Regierungsvorlage von 1893
schlug vor, deu Nettoertrag der irischen Zolle, der auf 2 370 000 Pfund
Sterling geschätzt wird, als irischen Beitrag zu dem gemeinsamen Reichscmf-
wande zu nehmen; nach dem neuesten Plan dagegen soll Irland ein Drittel
seines Gesamteinkommens zu Reichszwecken beisteuern. Was dies bedeutet,
zeigt ein Blick in die amtliche Statistik. Für das Jahr 1891/92 war Ir¬
lands Gesamteinkommen 6780000 Pfund Sterling, ein Drittel davon wäre
2260000 Pfund Sterling. Davon Hütte aber nach den Bestimmungen der
Bill das Reich etwas über 200000 Pfund Sterling (Eintreibungskosten) und
500000 Pfund Sterling (für die irische Polizei) zu zahlen. Der letztere Posten
soll allerdings mit der allmählichen Ersetzung der irischen Konstablerei durch
örtliche Polizeikräfte abnehmen und schließlich ganz verschwinden. Aber jeden¬
falls wäre Irlands wirklicher Beitrag in nächster Zeit nur 1550000 Pfund
Sterling. Die Gesamtausgabe des Reichs beträgt zur Zeit 62400000 Pfund
Sterling — natürlich eine immer wachsende Größe —, davon hätte also Gro߬
britannien 69900000 und Irland nnr 1550000 Pfund Sterling zu zahlen.
Großbritanniens Gesamteinkommen betrügt aber etwa 83 Millionen Pfund
Sterling; es bleiben ihm also für seine eignen Zwecke kaum ein Drittel seiner
Einnahmen, während Irland zwei Drittel für sich behielte. Mit andern Worten:
rechnet man die Bevölkerung von Irland auf rund 4700000, die von Gro߬
britannien auf 33 Millionen, so hätte nach diesem neuesten Plan ein Ire nur
6 Schilling 6 Pence für Reichszwecke zu zahlen, ein Schotte und ein Eng¬
länder dagegen 35 Schilling. Nach Gladstones Plan von 1886 waren die
entsprechenden Zahlen 13 Schilling 5 Pence und 30 Schilling 11 Pence. Die
angeführten Zahlen sprechen für sich selbst.


iSrenzboien IV 189-j ^
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215741"/>
          <fw type="header" place="top"> Der neueste Stand der Homernlepolitik</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_23" prev="#ID_22"> mehr untergeordneten Parlamenten zur Besorgung der örtlichen Angelegenheiten<lb/>
in England und Schottland, Wales und Irland, Ein solcher Plan wäre<lb/>
logisch, aber durchaus ein Sprung ins Dunkle und eine gänzliche Umkehrung<lb/>
dessen, was seit 600 Jahren englische Politik gewesen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_24"> Eine kaum weniger große Gefahr für die Wahlanssichten Gladstones bergen<lb/>
die neuen Bestimmungen, die die zukünftigen finanziellen Beziehungen zwischen<lb/>
Großbritannien und Irland ordnen sollen. Verletzt die Unterwerfung Englands<lb/>
unter irische Abgeordnete das britische Ehrgefühl, so greifen diese den britischen<lb/>
Wähler an einem nicht minder empfindlichen Punkte, nämlich an seinem Geld¬<lb/>
beutel um. Es wird der unionistischen Kritik nicht schwer fallen, dem britischen<lb/>
Wähler zu beweisen, daß er für das Vergnügen, in Dublin eine feindselige oder<lb/>
mindestens unfreundliche Negierung einzusetzen, noch teuer wird zahlen müssen.<lb/>
Der jetzige Plan ist bereits der dritte, den Gladstone ausgeheckt hat; alle drei<lb/>
haben das gemein, daß um jeden Preis auf Kosten der britischen Steuerzahler<lb/>
ein jährlicher Überschuß für das irische Parlament herausgerechnet werden<lb/>
mußte, und alle drei unterscheiden sich mir darin, daß jeder den Iren günstiger<lb/>
ist als der vorangehende. Die ursprüngliche Regierungsvorlage von 1893<lb/>
schlug vor, deu Nettoertrag der irischen Zolle, der auf 2 370 000 Pfund<lb/>
Sterling geschätzt wird, als irischen Beitrag zu dem gemeinsamen Reichscmf-<lb/>
wande zu nehmen; nach dem neuesten Plan dagegen soll Irland ein Drittel<lb/>
seines Gesamteinkommens zu Reichszwecken beisteuern. Was dies bedeutet,<lb/>
zeigt ein Blick in die amtliche Statistik. Für das Jahr 1891/92 war Ir¬<lb/>
lands Gesamteinkommen 6780000 Pfund Sterling, ein Drittel davon wäre<lb/>
2260000 Pfund Sterling. Davon Hütte aber nach den Bestimmungen der<lb/>
Bill das Reich etwas über 200000 Pfund Sterling (Eintreibungskosten) und<lb/>
500000 Pfund Sterling (für die irische Polizei) zu zahlen. Der letztere Posten<lb/>
soll allerdings mit der allmählichen Ersetzung der irischen Konstablerei durch<lb/>
örtliche Polizeikräfte abnehmen und schließlich ganz verschwinden. Aber jeden¬<lb/>
falls wäre Irlands wirklicher Beitrag in nächster Zeit nur 1550000 Pfund<lb/>
Sterling. Die Gesamtausgabe des Reichs beträgt zur Zeit 62400000 Pfund<lb/>
Sterling &#x2014; natürlich eine immer wachsende Größe &#x2014;, davon hätte also Gro߬<lb/>
britannien 69900000 und Irland nnr 1550000 Pfund Sterling zu zahlen.<lb/>
Großbritanniens Gesamteinkommen betrügt aber etwa 83 Millionen Pfund<lb/>
Sterling; es bleiben ihm also für seine eignen Zwecke kaum ein Drittel seiner<lb/>
Einnahmen, während Irland zwei Drittel für sich behielte. Mit andern Worten:<lb/>
rechnet man die Bevölkerung von Irland auf rund 4700000, die von Gro߬<lb/>
britannien auf 33 Millionen, so hätte nach diesem neuesten Plan ein Ire nur<lb/>
6 Schilling 6 Pence für Reichszwecke zu zahlen, ein Schotte und ein Eng¬<lb/>
länder dagegen 35 Schilling. Nach Gladstones Plan von 1886 waren die<lb/>
entsprechenden Zahlen 13 Schilling 5 Pence und 30 Schilling 11 Pence. Die<lb/>
angeführten Zahlen sprechen für sich selbst.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> iSrenzboien IV 189-j ^</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0017] Der neueste Stand der Homernlepolitik mehr untergeordneten Parlamenten zur Besorgung der örtlichen Angelegenheiten in England und Schottland, Wales und Irland, Ein solcher Plan wäre logisch, aber durchaus ein Sprung ins Dunkle und eine gänzliche Umkehrung dessen, was seit 600 Jahren englische Politik gewesen ist. Eine kaum weniger große Gefahr für die Wahlanssichten Gladstones bergen die neuen Bestimmungen, die die zukünftigen finanziellen Beziehungen zwischen Großbritannien und Irland ordnen sollen. Verletzt die Unterwerfung Englands unter irische Abgeordnete das britische Ehrgefühl, so greifen diese den britischen Wähler an einem nicht minder empfindlichen Punkte, nämlich an seinem Geld¬ beutel um. Es wird der unionistischen Kritik nicht schwer fallen, dem britischen Wähler zu beweisen, daß er für das Vergnügen, in Dublin eine feindselige oder mindestens unfreundliche Negierung einzusetzen, noch teuer wird zahlen müssen. Der jetzige Plan ist bereits der dritte, den Gladstone ausgeheckt hat; alle drei haben das gemein, daß um jeden Preis auf Kosten der britischen Steuerzahler ein jährlicher Überschuß für das irische Parlament herausgerechnet werden mußte, und alle drei unterscheiden sich mir darin, daß jeder den Iren günstiger ist als der vorangehende. Die ursprüngliche Regierungsvorlage von 1893 schlug vor, deu Nettoertrag der irischen Zolle, der auf 2 370 000 Pfund Sterling geschätzt wird, als irischen Beitrag zu dem gemeinsamen Reichscmf- wande zu nehmen; nach dem neuesten Plan dagegen soll Irland ein Drittel seines Gesamteinkommens zu Reichszwecken beisteuern. Was dies bedeutet, zeigt ein Blick in die amtliche Statistik. Für das Jahr 1891/92 war Ir¬ lands Gesamteinkommen 6780000 Pfund Sterling, ein Drittel davon wäre 2260000 Pfund Sterling. Davon Hütte aber nach den Bestimmungen der Bill das Reich etwas über 200000 Pfund Sterling (Eintreibungskosten) und 500000 Pfund Sterling (für die irische Polizei) zu zahlen. Der letztere Posten soll allerdings mit der allmählichen Ersetzung der irischen Konstablerei durch örtliche Polizeikräfte abnehmen und schließlich ganz verschwinden. Aber jeden¬ falls wäre Irlands wirklicher Beitrag in nächster Zeit nur 1550000 Pfund Sterling. Die Gesamtausgabe des Reichs beträgt zur Zeit 62400000 Pfund Sterling — natürlich eine immer wachsende Größe —, davon hätte also Gro߬ britannien 69900000 und Irland nnr 1550000 Pfund Sterling zu zahlen. Großbritanniens Gesamteinkommen betrügt aber etwa 83 Millionen Pfund Sterling; es bleiben ihm also für seine eignen Zwecke kaum ein Drittel seiner Einnahmen, während Irland zwei Drittel für sich behielte. Mit andern Worten: rechnet man die Bevölkerung von Irland auf rund 4700000, die von Gro߬ britannien auf 33 Millionen, so hätte nach diesem neuesten Plan ein Ire nur 6 Schilling 6 Pence für Reichszwecke zu zahlen, ein Schotte und ein Eng¬ länder dagegen 35 Schilling. Nach Gladstones Plan von 1886 waren die entsprechenden Zahlen 13 Schilling 5 Pence und 30 Schilling 11 Pence. Die angeführten Zahlen sprechen für sich selbst. iSrenzboien IV 189-j ^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/17
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/17>, abgerufen am 04.07.2024.