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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Luropa und England

Dazu geht die angcworbne Mariuemanuschaft von Jahr zu Jahr zurück. Das
Werbesystem bringt niemals ein moralisch oder Physisch wertvolles Material
in den Flottendienst. Von Jahr zu Jahr ist man, um deu steigenden Aus¬
fall in der Bemannung der Schiffe zu decken, weniger ängstlich in Bezug ans
die'Leute geworden, die man anwirbt, und macht natürlich dabei die Erfahrung,
daß Unfähigkeit, Demoralisation und damit verbundner Mangel an Dienst¬
tüchtigkeit in der Marine erschreckend wachsen. Und das alles geschieht zu
einer Zeit, wo die übrigen Großstaaten vermöge der allgemeinen Wehrpflicht
ihr Flottenpersvnnl nach Anzahl und Güte verbessert haben- Die Folge davon
ist, daß die Fertigkeit der englischen Flotte abnimmt und die Zahl der Un-
glücksfälle sich steigert. Unglücksfälle werden niemals ganz vermieden werden
können, aber in England sind namentlich solche Fahrzeuge davou betroffen
worden, die sonst wegen ihrer Größe und ihrer vorzüglichen Banart für be¬
sonders sicher und seetüchtig galten. So strandete in neuerer Zeit der "Howe,"
ein neues Schiff von der sogenannten Admiralitätsklasse, am 2. November 1892
bei klarem Wetter während der Einfahrt in den spanischen Hafen Ferreol.
Das Unglück bei Tripolis an der syrischen Küste, wobei Admiral Tryon mit
der "Viktoria" sank und der "Camperdvwn" für längere Zeit dienstuntauglich
wurde, ist noch in aller Erinnerung. Drei Kampfschiffe in einem halben
Jahre ist doch zu viel! Ernste englische Blätter haben deshalb die Frage
aufgeworfen, ob denn ihr Mariuepcrsonal wirklich befähigt sei, dergleichen
Schiffe zu führen. Die Nmvojs ^VrgmM vom 22. Juli 1893 zählte nicht
weniger als acht bedeutende Schiffsunfälle auf, die in Sheerneß und Plymouth
während der Einstellung zu deu diesjährigen Manövern vorgefallen sind.
Mag auch das russische Blatt dabei etwas parteiisch gefärbt haben: wer 1889
nach der großen Parade auf der Reede von Spithead vor Kaiser Wilhelm II.
den größten Teil der englischen Flotte durch die solent (den westlichen Teil
des Kanals zwischen der Insel Wight und dein Festlande) fast in ungeregelter
Fahrt das offne Meer gewinnen sah, dem kommt die Zusammenstellung der
Rovofg 'VVrLmjli, nicht sehr übertrieben vor; es wurden damals drei Schiffe
wegen "Kollisionen" außer Dienst gestellt. Auch um das Schießen der SchiffS-
artillerie steht es nicht besonders, was zum großen Teil aus dem schon ge¬
schilderten Zustande der schweren Rohre erklärlich ist. Wir wollen nnr den
seltsamen Vorfall mit dem Leutnant Freemantle, dem Sohn des gleichnamigen
Admirals, anführen, der Ende Oktober 1891 bei Schießübungen mit dein
.Kanonenboot "Plucky" außerhalb der Reede von Plymonth zwei Fischerboote
traf, die mindestens zwei englische Meilen von der Scheibe entfernt waren,
wobei ein Schiffer mit zu Grunde ging, ohne daß auf dem "Plucky" von diesem
"Treffer" etwas bemerkt wurde.

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too! so klang es einst prahlerisch ans England herüber. Gewiß: Schiffe,


Luropa und England

Dazu geht die angcworbne Mariuemanuschaft von Jahr zu Jahr zurück. Das
Werbesystem bringt niemals ein moralisch oder Physisch wertvolles Material
in den Flottendienst. Von Jahr zu Jahr ist man, um deu steigenden Aus¬
fall in der Bemannung der Schiffe zu decken, weniger ängstlich in Bezug ans
die'Leute geworden, die man anwirbt, und macht natürlich dabei die Erfahrung,
daß Unfähigkeit, Demoralisation und damit verbundner Mangel an Dienst¬
tüchtigkeit in der Marine erschreckend wachsen. Und das alles geschieht zu
einer Zeit, wo die übrigen Großstaaten vermöge der allgemeinen Wehrpflicht
ihr Flottenpersvnnl nach Anzahl und Güte verbessert haben- Die Folge davon
ist, daß die Fertigkeit der englischen Flotte abnimmt und die Zahl der Un-
glücksfälle sich steigert. Unglücksfälle werden niemals ganz vermieden werden
können, aber in England sind namentlich solche Fahrzeuge davou betroffen
worden, die sonst wegen ihrer Größe und ihrer vorzüglichen Banart für be¬
sonders sicher und seetüchtig galten. So strandete in neuerer Zeit der „Howe,"
ein neues Schiff von der sogenannten Admiralitätsklasse, am 2. November 1892
bei klarem Wetter während der Einfahrt in den spanischen Hafen Ferreol.
Das Unglück bei Tripolis an der syrischen Küste, wobei Admiral Tryon mit
der „Viktoria" sank und der „Camperdvwn" für längere Zeit dienstuntauglich
wurde, ist noch in aller Erinnerung. Drei Kampfschiffe in einem halben
Jahre ist doch zu viel! Ernste englische Blätter haben deshalb die Frage
aufgeworfen, ob denn ihr Mariuepcrsonal wirklich befähigt sei, dergleichen
Schiffe zu führen. Die Nmvojs ^VrgmM vom 22. Juli 1893 zählte nicht
weniger als acht bedeutende Schiffsunfälle auf, die in Sheerneß und Plymouth
während der Einstellung zu deu diesjährigen Manövern vorgefallen sind.
Mag auch das russische Blatt dabei etwas parteiisch gefärbt haben: wer 1889
nach der großen Parade auf der Reede von Spithead vor Kaiser Wilhelm II.
den größten Teil der englischen Flotte durch die solent (den westlichen Teil
des Kanals zwischen der Insel Wight und dein Festlande) fast in ungeregelter
Fahrt das offne Meer gewinnen sah, dem kommt die Zusammenstellung der
Rovofg 'VVrLmjli, nicht sehr übertrieben vor; es wurden damals drei Schiffe
wegen „Kollisionen" außer Dienst gestellt. Auch um das Schießen der SchiffS-
artillerie steht es nicht besonders, was zum großen Teil aus dem schon ge¬
schilderten Zustande der schweren Rohre erklärlich ist. Wir wollen nnr den
seltsamen Vorfall mit dem Leutnant Freemantle, dem Sohn des gleichnamigen
Admirals, anführen, der Ende Oktober 1891 bei Schießübungen mit dein
.Kanonenboot „Plucky" außerhalb der Reede von Plymonth zwei Fischerboote
traf, die mindestens zwei englische Meilen von der Scheibe entfernt waren,
wobei ein Schiffer mit zu Grunde ging, ohne daß auf dem „Plucky" von diesem
„Treffer" etwas bemerkt wurde.

Vi's klapp Zol tue My, ope !no<z t>it<z nun, ^og lmvo Zuk et>0 man?/
too! so klang es einst prahlerisch ans England herüber. Gewiß: Schiffe,


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[0162] Luropa und England Dazu geht die angcworbne Mariuemanuschaft von Jahr zu Jahr zurück. Das Werbesystem bringt niemals ein moralisch oder Physisch wertvolles Material in den Flottendienst. Von Jahr zu Jahr ist man, um deu steigenden Aus¬ fall in der Bemannung der Schiffe zu decken, weniger ängstlich in Bezug ans die'Leute geworden, die man anwirbt, und macht natürlich dabei die Erfahrung, daß Unfähigkeit, Demoralisation und damit verbundner Mangel an Dienst¬ tüchtigkeit in der Marine erschreckend wachsen. Und das alles geschieht zu einer Zeit, wo die übrigen Großstaaten vermöge der allgemeinen Wehrpflicht ihr Flottenpersvnnl nach Anzahl und Güte verbessert haben- Die Folge davon ist, daß die Fertigkeit der englischen Flotte abnimmt und die Zahl der Un- glücksfälle sich steigert. Unglücksfälle werden niemals ganz vermieden werden können, aber in England sind namentlich solche Fahrzeuge davou betroffen worden, die sonst wegen ihrer Größe und ihrer vorzüglichen Banart für be¬ sonders sicher und seetüchtig galten. So strandete in neuerer Zeit der „Howe," ein neues Schiff von der sogenannten Admiralitätsklasse, am 2. November 1892 bei klarem Wetter während der Einfahrt in den spanischen Hafen Ferreol. Das Unglück bei Tripolis an der syrischen Küste, wobei Admiral Tryon mit der „Viktoria" sank und der „Camperdvwn" für längere Zeit dienstuntauglich wurde, ist noch in aller Erinnerung. Drei Kampfschiffe in einem halben Jahre ist doch zu viel! Ernste englische Blätter haben deshalb die Frage aufgeworfen, ob denn ihr Mariuepcrsonal wirklich befähigt sei, dergleichen Schiffe zu führen. Die Nmvojs ^VrgmM vom 22. Juli 1893 zählte nicht weniger als acht bedeutende Schiffsunfälle auf, die in Sheerneß und Plymouth während der Einstellung zu deu diesjährigen Manövern vorgefallen sind. Mag auch das russische Blatt dabei etwas parteiisch gefärbt haben: wer 1889 nach der großen Parade auf der Reede von Spithead vor Kaiser Wilhelm II. den größten Teil der englischen Flotte durch die solent (den westlichen Teil des Kanals zwischen der Insel Wight und dein Festlande) fast in ungeregelter Fahrt das offne Meer gewinnen sah, dem kommt die Zusammenstellung der Rovofg 'VVrLmjli, nicht sehr übertrieben vor; es wurden damals drei Schiffe wegen „Kollisionen" außer Dienst gestellt. Auch um das Schießen der SchiffS- artillerie steht es nicht besonders, was zum großen Teil aus dem schon ge¬ schilderten Zustande der schweren Rohre erklärlich ist. Wir wollen nnr den seltsamen Vorfall mit dem Leutnant Freemantle, dem Sohn des gleichnamigen Admirals, anführen, der Ende Oktober 1891 bei Schießübungen mit dein .Kanonenboot „Plucky" außerhalb der Reede von Plymonth zwei Fischerboote traf, die mindestens zwei englische Meilen von der Scheibe entfernt waren, wobei ein Schiffer mit zu Grunde ging, ohne daß auf dem „Plucky" von diesem „Treffer" etwas bemerkt wurde. Vi's klapp Zol tue My, ope !no<z t>it<z nun, ^og lmvo Zuk et>0 man?/ too! so klang es einst prahlerisch ans England herüber. Gewiß: Schiffe,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/162>, abgerufen am 24.07.2024.