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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Der neueste sont der Homerttlepolitll"

Regierung Irlands" und zweitens in der Aufrichtung einer ausführenden Gewalt
in Irland, die einzig und allein diesem irischen Parlament verantwortlich ist.

Ist dieser Grundsatz einmal zugestände" -- sagen die Uuivuisteu --, so
ist die Union aufgelöst und der Weg zu praktischer Unabhängigkeit offen;
daran können alle Einschränkungen und Oberhoheitserklärungen nichts ändern.
Und sie werden damit Wohl Recht haben. Die Lehre der Geschichte ist in
diesem Punkte klar. "Schafft ihr eine beschränkte, verstümmelte, abhängige
Nation, so wird sie ihre erste Aufgabe darin sehe", sich in eine vollkommne
und unabhängige umzuwandeln." Die großen, sich selbst regierenden Kolonien
haben England diese Lehre eindringlich genug gepredigt. Kein englischer Staats¬
mann ist darüber im Zweifel, daß die Oberhoheit des britischen Parlaments
über sie rein theoretisch ist, und daß jeder Versuch, ihr praktische Geltung zu
verschaffen, augenblicklich zur Unabhängigkeitserklärnng führen würde. Die
Kolonien siud es heute zufrieden, keine eigne äußere Politik zu haben, weil
ihnen dafür die Kosten der Verteidigung abgenommen werden, und sie an den
Vorteilen, die das Lüvis br1tcU>niLu" "nur dem Auslande gegenüber verleiht,
Anteil haben. Im übrigen aber lassen sie sich vom Mutterlande schlechter¬
dings nicht in ihre Angelegenheiten hineinreden. Das Zugeständnis von Hvme-
rule würde nach der Logik der Thatsachen dazu führen, daß sich Irland die¬
selbe Stellung erränge wie diese Kolonien; kein nüchtern denkender Mann kann
hoffen, daß es sich eher zufrieden gäbe. Während aber die Kolonien einerseits
vom Mutterlande durch Weltmeere getrennt, andrerseits mit ihm durch Bande
gleicher Abstammung und Geschichte verbunden sind, liegt Irland Großbritan¬
nien in der Flanke, ist nach Carlyles Ausdruck nach dem Grundplan der Welt
mit ihm eins, fiele andrerseits aber als Kolonie ohne Zweifel in die Hände
der Klassen, die seit Jahrhunderten das den Engländern feindliche Gefühl ver¬
treten, und deren Führer wieder und wieder erklärt haben, daß sie in Hoine-
rule uur eine Abschlagszahlung pro eine-o sehen könnten, nur eine Haltestelle
auf dem Marsch zu ihrem letzten Ziele, der völligen Unabhängigkeit Irlands,
Leute, die sich nach wie vor von ihrem alten Grundsätze: "Englands Not
Irlands Gelegenheit" regieren ließen. Selbst wenn die jetzigen Führer der
Iren bang. liat versicherten -- was sie keineswegs thun --, daß sie in Home-
rule die endgiltige Befriedigung der nationalen Bestrebungen Irlands sähen,
die Thatsachen wären stärker als sie. Wer kann -- mit Parnell zu reden --
dem Marsch einer Nation Grenzen setzen wollen?

Wir berühren hier den tiefsten Gegensatz zwischen Homernlern und Uuiv-
uisteu. Gladstone erkennt in seiner Bill deu Grundsatz an: "Irland eine
Nation" und sucht dann den natürlichen Folgen dieser Anerkennung durch
eine Reihe künstlicher Bestimmungen zu entgeh", die sich auf dem Papier ganz
gut ausmachen. Die Unionisten erkennen die Fruchtlosigkeit dieser Bestrebungen
und lassen sich von der abschwächenden Phrase, daß Hvmernle nur eine Aus-


Der neueste sont der Homerttlepolitll"

Regierung Irlands" und zweitens in der Aufrichtung einer ausführenden Gewalt
in Irland, die einzig und allein diesem irischen Parlament verantwortlich ist.

Ist dieser Grundsatz einmal zugestände» — sagen die Uuivuisteu —, so
ist die Union aufgelöst und der Weg zu praktischer Unabhängigkeit offen;
daran können alle Einschränkungen und Oberhoheitserklärungen nichts ändern.
Und sie werden damit Wohl Recht haben. Die Lehre der Geschichte ist in
diesem Punkte klar. „Schafft ihr eine beschränkte, verstümmelte, abhängige
Nation, so wird sie ihre erste Aufgabe darin sehe», sich in eine vollkommne
und unabhängige umzuwandeln." Die großen, sich selbst regierenden Kolonien
haben England diese Lehre eindringlich genug gepredigt. Kein englischer Staats¬
mann ist darüber im Zweifel, daß die Oberhoheit des britischen Parlaments
über sie rein theoretisch ist, und daß jeder Versuch, ihr praktische Geltung zu
verschaffen, augenblicklich zur Unabhängigkeitserklärnng führen würde. Die
Kolonien siud es heute zufrieden, keine eigne äußere Politik zu haben, weil
ihnen dafür die Kosten der Verteidigung abgenommen werden, und sie an den
Vorteilen, die das Lüvis br1tcU>niLu» »nur dem Auslande gegenüber verleiht,
Anteil haben. Im übrigen aber lassen sie sich vom Mutterlande schlechter¬
dings nicht in ihre Angelegenheiten hineinreden. Das Zugeständnis von Hvme-
rule würde nach der Logik der Thatsachen dazu führen, daß sich Irland die¬
selbe Stellung erränge wie diese Kolonien; kein nüchtern denkender Mann kann
hoffen, daß es sich eher zufrieden gäbe. Während aber die Kolonien einerseits
vom Mutterlande durch Weltmeere getrennt, andrerseits mit ihm durch Bande
gleicher Abstammung und Geschichte verbunden sind, liegt Irland Großbritan¬
nien in der Flanke, ist nach Carlyles Ausdruck nach dem Grundplan der Welt
mit ihm eins, fiele andrerseits aber als Kolonie ohne Zweifel in die Hände
der Klassen, die seit Jahrhunderten das den Engländern feindliche Gefühl ver¬
treten, und deren Führer wieder und wieder erklärt haben, daß sie in Hoine-
rule uur eine Abschlagszahlung pro eine-o sehen könnten, nur eine Haltestelle
auf dem Marsch zu ihrem letzten Ziele, der völligen Unabhängigkeit Irlands,
Leute, die sich nach wie vor von ihrem alten Grundsätze: „Englands Not
Irlands Gelegenheit" regieren ließen. Selbst wenn die jetzigen Führer der
Iren bang. liat versicherten — was sie keineswegs thun —, daß sie in Home-
rule die endgiltige Befriedigung der nationalen Bestrebungen Irlands sähen,
die Thatsachen wären stärker als sie. Wer kann — mit Parnell zu reden —
dem Marsch einer Nation Grenzen setzen wollen?

Wir berühren hier den tiefsten Gegensatz zwischen Homernlern und Uuiv-
uisteu. Gladstone erkennt in seiner Bill deu Grundsatz an: „Irland eine
Nation" und sucht dann den natürlichen Folgen dieser Anerkennung durch
eine Reihe künstlicher Bestimmungen zu entgeh«, die sich auf dem Papier ganz
gut ausmachen. Die Unionisten erkennen die Fruchtlosigkeit dieser Bestrebungen
und lassen sich von der abschwächenden Phrase, daß Hvmernle nur eine Aus-


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[0012] Der neueste sont der Homerttlepolitll" Regierung Irlands" und zweitens in der Aufrichtung einer ausführenden Gewalt in Irland, die einzig und allein diesem irischen Parlament verantwortlich ist. Ist dieser Grundsatz einmal zugestände» — sagen die Uuivuisteu —, so ist die Union aufgelöst und der Weg zu praktischer Unabhängigkeit offen; daran können alle Einschränkungen und Oberhoheitserklärungen nichts ändern. Und sie werden damit Wohl Recht haben. Die Lehre der Geschichte ist in diesem Punkte klar. „Schafft ihr eine beschränkte, verstümmelte, abhängige Nation, so wird sie ihre erste Aufgabe darin sehe», sich in eine vollkommne und unabhängige umzuwandeln." Die großen, sich selbst regierenden Kolonien haben England diese Lehre eindringlich genug gepredigt. Kein englischer Staats¬ mann ist darüber im Zweifel, daß die Oberhoheit des britischen Parlaments über sie rein theoretisch ist, und daß jeder Versuch, ihr praktische Geltung zu verschaffen, augenblicklich zur Unabhängigkeitserklärnng führen würde. Die Kolonien siud es heute zufrieden, keine eigne äußere Politik zu haben, weil ihnen dafür die Kosten der Verteidigung abgenommen werden, und sie an den Vorteilen, die das Lüvis br1tcU>niLu» »nur dem Auslande gegenüber verleiht, Anteil haben. Im übrigen aber lassen sie sich vom Mutterlande schlechter¬ dings nicht in ihre Angelegenheiten hineinreden. Das Zugeständnis von Hvme- rule würde nach der Logik der Thatsachen dazu führen, daß sich Irland die¬ selbe Stellung erränge wie diese Kolonien; kein nüchtern denkender Mann kann hoffen, daß es sich eher zufrieden gäbe. Während aber die Kolonien einerseits vom Mutterlande durch Weltmeere getrennt, andrerseits mit ihm durch Bande gleicher Abstammung und Geschichte verbunden sind, liegt Irland Großbritan¬ nien in der Flanke, ist nach Carlyles Ausdruck nach dem Grundplan der Welt mit ihm eins, fiele andrerseits aber als Kolonie ohne Zweifel in die Hände der Klassen, die seit Jahrhunderten das den Engländern feindliche Gefühl ver¬ treten, und deren Führer wieder und wieder erklärt haben, daß sie in Hoine- rule uur eine Abschlagszahlung pro eine-o sehen könnten, nur eine Haltestelle auf dem Marsch zu ihrem letzten Ziele, der völligen Unabhängigkeit Irlands, Leute, die sich nach wie vor von ihrem alten Grundsätze: „Englands Not Irlands Gelegenheit" regieren ließen. Selbst wenn die jetzigen Führer der Iren bang. liat versicherten — was sie keineswegs thun —, daß sie in Home- rule die endgiltige Befriedigung der nationalen Bestrebungen Irlands sähen, die Thatsachen wären stärker als sie. Wer kann — mit Parnell zu reden — dem Marsch einer Nation Grenzen setzen wollen? Wir berühren hier den tiefsten Gegensatz zwischen Homernlern und Uuiv- uisteu. Gladstone erkennt in seiner Bill deu Grundsatz an: „Irland eine Nation" und sucht dann den natürlichen Folgen dieser Anerkennung durch eine Reihe künstlicher Bestimmungen zu entgeh«, die sich auf dem Papier ganz gut ausmachen. Die Unionisten erkennen die Fruchtlosigkeit dieser Bestrebungen und lassen sich von der abschwächenden Phrase, daß Hvmernle nur eine Aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/12>, abgerufen am 04.07.2024.