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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr.

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Manöverbetrachtungen eines Beteiligton

handelt es sich um die Gesundheit des Körpers, hier um die Gesundheit der
Seele, der Volksseele. Welche Seite wichtiger ist, darüber ist wohl kein
Zweifel, und zu einer Besserung gehören hier keine großen Ausgaben, sondern
nur die Einsicht und die feste Entschlossenheit der maßgebenden Kreise, in
diesem Falle der Offiziere. Dem lichtscheuen Treiben versumpfter Gesellen ist
natürlich nicht so leicht beizukommen; aber im dienstlichen Verkehr und im
Tagesgespräch gebührt der Zote nicht die Rolle, die sie leider heute darin
spielt. In Heft 9 dieses Jahrgangs haben die Grenzboten eiuen Aufsatz ge¬
bracht, der das Gemeinsame betonte, das zwischen dem Berufe der Lehrer und
dem der Offiziere bestehe. Vieles an diesen Ausführungen hat mir sehr ge¬
fallen; hatte ich doch ähnliches, wie ich es da ausgesprochen fand, auch schon
manchmal empfunden, wenn ich aus der Klasse vor die Kompagnie trat oder
umgekehrt. Aber bei dem Gedanken, der Berkehrstvn, den die Unteroffiziere
gegenüber den Mannschaften mit Vorliebe anschlagen, könne eines Tages auch
in die Schule einziehen, schaudert minds denn doch. Gegen diese Art des
Ausdrucks müßte sich die Schule mit aller Entschiedenheit verwahren, und das
Heer würde auch ganz gewiß an seinem innern Werte nichts einbüßen, wenn
hier einmal eine kräftige Hand fäubernd dazwischenführe.

Eine weitere schlimme Seite des militärischen Lebens darf in diesem Zu¬
sammenhange nicht Übergängen werden: es wird zuviel getrunken. Die Übungen
in glühender Sonnenhitze auf den kahlen Stoppelfeldern erzeugen Durst, viel
Durst. Mau braucht nur ein einzigesmal gesehen zu haben, mit welcher Gier
eine lechzende Truppe über die von der Bevölkerung aufgestellten Wassereimer
herfällt, fo versteht man, wie leicht die Gelegenheit, diesen Riesendnrst in
geistigen Getränken zu löschen, verführerisch und gefährlich werden kann. Aber
gerade das sollte zu doppelter Vorsicht mahnen. Ich habe die Meinung aus¬
sprechen hören, daß der teilweise unnötig rohe Ton, der im Verkehr der Vor¬
gesetzten mit den Untergebnen an der Tagesordnung ist, zum Teil mit als
eine Folge des vielen Trinkens anzusehen sei. Ich möchte diese Ansicht nicht
vertreten, ich habe ihr sogar entschieden widersprochen. Aber daß man über¬
haupt dazu kommen kann, eine solche Begründung vorzubringen, ist schon
schlimm genug. Während der Übungen selbst zwar spielt die Schnapsflasche
bei weitem nicht mehr die Rolle wie früher. Die Feldflasche ist stets vor¬
schriftsmäßig mit Kaffee gefüllt, und die Leute bestätigen selbst, daß ihnen
dieser die besten Dienste leiste. Aber abends im Quartier oder im Wirtshause
läßt die Müßigkeit nur allzu häufig viel zu wünschen übrig. Wenn es auch
gewohnheitsmäßige Trinker im Heere gewiß nicht mehr giebt als anderswo,
so ist doch ganz entschieden der Verbrauch an geistigen Getränken durchschnitt¬
lich zu hoch, und eine schärfere Überwachung nach dieser Richtung würde viel
Gutes wirken. Ist es doch bekannt, wie sehr die körperliche Leistungsfähigkeit
unter den Nachwirkungen des Alkohols leidet.


Manöverbetrachtungen eines Beteiligton

handelt es sich um die Gesundheit des Körpers, hier um die Gesundheit der
Seele, der Volksseele. Welche Seite wichtiger ist, darüber ist wohl kein
Zweifel, und zu einer Besserung gehören hier keine großen Ausgaben, sondern
nur die Einsicht und die feste Entschlossenheit der maßgebenden Kreise, in
diesem Falle der Offiziere. Dem lichtscheuen Treiben versumpfter Gesellen ist
natürlich nicht so leicht beizukommen; aber im dienstlichen Verkehr und im
Tagesgespräch gebührt der Zote nicht die Rolle, die sie leider heute darin
spielt. In Heft 9 dieses Jahrgangs haben die Grenzboten eiuen Aufsatz ge¬
bracht, der das Gemeinsame betonte, das zwischen dem Berufe der Lehrer und
dem der Offiziere bestehe. Vieles an diesen Ausführungen hat mir sehr ge¬
fallen; hatte ich doch ähnliches, wie ich es da ausgesprochen fand, auch schon
manchmal empfunden, wenn ich aus der Klasse vor die Kompagnie trat oder
umgekehrt. Aber bei dem Gedanken, der Berkehrstvn, den die Unteroffiziere
gegenüber den Mannschaften mit Vorliebe anschlagen, könne eines Tages auch
in die Schule einziehen, schaudert minds denn doch. Gegen diese Art des
Ausdrucks müßte sich die Schule mit aller Entschiedenheit verwahren, und das
Heer würde auch ganz gewiß an seinem innern Werte nichts einbüßen, wenn
hier einmal eine kräftige Hand fäubernd dazwischenführe.

Eine weitere schlimme Seite des militärischen Lebens darf in diesem Zu¬
sammenhange nicht Übergängen werden: es wird zuviel getrunken. Die Übungen
in glühender Sonnenhitze auf den kahlen Stoppelfeldern erzeugen Durst, viel
Durst. Mau braucht nur ein einzigesmal gesehen zu haben, mit welcher Gier
eine lechzende Truppe über die von der Bevölkerung aufgestellten Wassereimer
herfällt, fo versteht man, wie leicht die Gelegenheit, diesen Riesendnrst in
geistigen Getränken zu löschen, verführerisch und gefährlich werden kann. Aber
gerade das sollte zu doppelter Vorsicht mahnen. Ich habe die Meinung aus¬
sprechen hören, daß der teilweise unnötig rohe Ton, der im Verkehr der Vor¬
gesetzten mit den Untergebnen an der Tagesordnung ist, zum Teil mit als
eine Folge des vielen Trinkens anzusehen sei. Ich möchte diese Ansicht nicht
vertreten, ich habe ihr sogar entschieden widersprochen. Aber daß man über¬
haupt dazu kommen kann, eine solche Begründung vorzubringen, ist schon
schlimm genug. Während der Übungen selbst zwar spielt die Schnapsflasche
bei weitem nicht mehr die Rolle wie früher. Die Feldflasche ist stets vor¬
schriftsmäßig mit Kaffee gefüllt, und die Leute bestätigen selbst, daß ihnen
dieser die besten Dienste leiste. Aber abends im Quartier oder im Wirtshause
läßt die Müßigkeit nur allzu häufig viel zu wünschen übrig. Wenn es auch
gewohnheitsmäßige Trinker im Heere gewiß nicht mehr giebt als anderswo,
so ist doch ganz entschieden der Verbrauch an geistigen Getränken durchschnitt¬
lich zu hoch, und eine schärfere Überwachung nach dieser Richtung würde viel
Gutes wirken. Ist es doch bekannt, wie sehr die körperliche Leistungsfähigkeit
unter den Nachwirkungen des Alkohols leidet.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215723/109>, abgerufen am 04.07.2024.