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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Land und Leute in Gstfrieslcuid

Baders Knie. Wahrscheinlich macht es mehr der Text als die Melodie, und
außerdem das damit verbundne Reiten: liox mir M-ni im als inölou t",
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loyal mir xörch's in clrat'--air-i-t'--ars,k. Nun, für die Kinderstube mag es dem
Vater auch nachgesehen sei"; sollte er sich aber mit seinem Gesang einmal an
die Öffentlichkeit wagen, dann müßte die Polizei herbei, oder das Rcichs-
gesuudheitsamt, oder der Reichscholerakommissar.

"Jeder Stamm nach seiner Art." Es ist eine gesunde, kernige, vortreff¬
liche Art, eine handfeste und treue, die ostfriesische, auf die mau sich verlassen
kann. Sollte ich aber dem einen oder andern Leser zu viel von der ost¬
friesischen Schweigsamkeit geredet haben, dem gebe ich hier zum Schluß eine
Probe ostfriesischer Beredsamkeit, die beinahe vor einem Jahrtausend einen
schonen "Erfolg erzielt" hat. Bei einem Einfall der Wenden in Ostfriesland
hatten ihrer tausend in einem Dorf, genannt "die Schleuse," hundert Friesen
eingeschlossen und stürmten nun das Dorf mit solcher Heftigkeit, daß die Be¬
lagerten draus und dran waren, sich zu ergeben. Da redete ein Priester,
namens Gerlaens, die hundert Friesen also an: "Was ist es, was geschieht
hier? Seid ihr nicht Mnnuer, habt ihr nicht eure Schwerter mit den Händen
gefaßt? Die scheiden uns Wohl von unsern Feinden! Unsre Waffen können
uns befreien von den Feinden, wenn Nur aber unsre Rüstung ablegen, so ist
unser Leben ganz aufs Ungewisse gestellt. Wollt ihr euch nun den treulose"
Wenden ergeben, so doch kein Volk auf Erden lebt, das den Friesen verhaßter
wäre, dann werdet ihr ja alle, wie das Vieh, totgestochen. Deshalb richtet
eure Schwerter auf eure Feinde." So sprach der Priester, stürzte sich selbst
als erster auf den Feind, was er als Geistlicher doch gar nicht durfte, aber
er war eben ein Friese, riß die andern mit nach und sauste mit solcher Wucht
ans die Wenden, daß sie mit Schande abziehen mußten, >vol (obwohl) der-
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Land und Leute in Gstfrieslcuid

Baders Knie. Wahrscheinlich macht es mehr der Text als die Melodie, und
außerdem das damit verbundne Reiten: liox mir M-ni im als inölou t»,
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Vater auch nachgesehen sei»; sollte er sich aber mit seinem Gesang einmal an
die Öffentlichkeit wagen, dann müßte die Polizei herbei, oder das Rcichs-
gesuudheitsamt, oder der Reichscholerakommissar.

„Jeder Stamm nach seiner Art." Es ist eine gesunde, kernige, vortreff¬
liche Art, eine handfeste und treue, die ostfriesische, auf die mau sich verlassen
kann. Sollte ich aber dem einen oder andern Leser zu viel von der ost¬
friesischen Schweigsamkeit geredet haben, dem gebe ich hier zum Schluß eine
Probe ostfriesischer Beredsamkeit, die beinahe vor einem Jahrtausend einen
schonen „Erfolg erzielt" hat. Bei einem Einfall der Wenden in Ostfriesland
hatten ihrer tausend in einem Dorf, genannt „die Schleuse," hundert Friesen
eingeschlossen und stürmten nun das Dorf mit solcher Heftigkeit, daß die Be¬
lagerten draus und dran waren, sich zu ergeben. Da redete ein Priester,
namens Gerlaens, die hundert Friesen also an: „Was ist es, was geschieht
hier? Seid ihr nicht Mnnuer, habt ihr nicht eure Schwerter mit den Händen
gefaßt? Die scheiden uns Wohl von unsern Feinden! Unsre Waffen können
uns befreien von den Feinden, wenn Nur aber unsre Rüstung ablegen, so ist
unser Leben ganz aufs Ungewisse gestellt. Wollt ihr euch nun den treulose»
Wenden ergeben, so doch kein Volk auf Erden lebt, das den Friesen verhaßter
wäre, dann werdet ihr ja alle, wie das Vieh, totgestochen. Deshalb richtet
eure Schwerter auf eure Feinde." So sprach der Priester, stürzte sich selbst
als erster auf den Feind, was er als Geistlicher doch gar nicht durfte, aber
er war eben ein Friese, riß die andern mit nach und sauste mit solcher Wucht
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[0088] Land und Leute in Gstfrieslcuid Baders Knie. Wahrscheinlich macht es mehr der Text als die Melodie, und außerdem das damit verbundne Reiten: liox mir M-ni im als inölou t», uncia'8 miles lig,lor um Stro, lliitsr um fers um kaat—Icak—Jak <Spreu), clon loyal mir xörch's in clrat'—air-i-t'—ars,k. Nun, für die Kinderstube mag es dem Vater auch nachgesehen sei»; sollte er sich aber mit seinem Gesang einmal an die Öffentlichkeit wagen, dann müßte die Polizei herbei, oder das Rcichs- gesuudheitsamt, oder der Reichscholerakommissar. „Jeder Stamm nach seiner Art." Es ist eine gesunde, kernige, vortreff¬ liche Art, eine handfeste und treue, die ostfriesische, auf die mau sich verlassen kann. Sollte ich aber dem einen oder andern Leser zu viel von der ost¬ friesischen Schweigsamkeit geredet haben, dem gebe ich hier zum Schluß eine Probe ostfriesischer Beredsamkeit, die beinahe vor einem Jahrtausend einen schonen „Erfolg erzielt" hat. Bei einem Einfall der Wenden in Ostfriesland hatten ihrer tausend in einem Dorf, genannt „die Schleuse," hundert Friesen eingeschlossen und stürmten nun das Dorf mit solcher Heftigkeit, daß die Be¬ lagerten draus und dran waren, sich zu ergeben. Da redete ein Priester, namens Gerlaens, die hundert Friesen also an: „Was ist es, was geschieht hier? Seid ihr nicht Mnnuer, habt ihr nicht eure Schwerter mit den Händen gefaßt? Die scheiden uns Wohl von unsern Feinden! Unsre Waffen können uns befreien von den Feinden, wenn Nur aber unsre Rüstung ablegen, so ist unser Leben ganz aufs Ungewisse gestellt. Wollt ihr euch nun den treulose» Wenden ergeben, so doch kein Volk auf Erden lebt, das den Friesen verhaßter wäre, dann werdet ihr ja alle, wie das Vieh, totgestochen. Deshalb richtet eure Schwerter auf eure Feinde." So sprach der Priester, stürzte sich selbst als erster auf den Feind, was er als Geistlicher doch gar nicht durfte, aber er war eben ein Friese, riß die andern mit nach und sauste mit solcher Wucht ans die Wenden, daß sie mit Schande abziehen mußten, >vol (obwohl) der- sulvs (üsrlii,en« ini uni-nu-ii clor 8IinM.unM ven og'v verloren, uncl is int «livlcv von avr bsvue Fövrmäot. Oörlliüveu is luz uivlit vviAÄAvävt Zsvvrclen, 8NNÄM' SVNL KrootmovälFNkit ssein hoher Mut) list't alle 8VNV siQvrtiö »vor» >vunusu. ^tho veste list't, verluoollt, c>e8 8t»1t«zu list«Je8 »mover^vinlikö Zemootö.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/88>, abgerufen am 27.11.2024.