Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.Land und Leute in Vstfriesland Noch eine Eigentümlichkeit Ostfrieslands muß ich als eine Folge des Muß das aber ein rauhes, unwirkliches Land sein! Wer möchte da Doch diese Plauderei soll nicht in ein politisches Lied ausklingen. "Der Gott, der Muhammed sandte, ist kein Gott der Hagestolze," sagt Neulich, am 16. Juni, hat er sich aber eines bessern besonnen.
Land und Leute in Vstfriesland Noch eine Eigentümlichkeit Ostfrieslands muß ich als eine Folge des Muß das aber ein rauhes, unwirkliches Land sein! Wer möchte da Doch diese Plauderei soll nicht in ein politisches Lied ausklingen. „Der Gott, der Muhammed sandte, ist kein Gott der Hagestolze," sagt Neulich, am 16. Juni, hat er sich aber eines bessern besonnen.
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Land und Leute in Vstfriesland
Noch eine Eigentümlichkeit Ostfrieslands muß ich als eine Folge des
starken Windes erwähnen. Wenn eS regnet — und es regnet hier so viel,
daß man beinahe fragen könnte, manu es denn eigentlich nicht regne —, so
regnet es hier nicht, mie in Deutschland, lotrecht, sondern wagerecht. Daher
ist ein Regenschirm hier kaum von Nutzen; er ist auch so schwer zu handhaben,
daß mau sich ihn am besten ganz abgewöhnt und es so macht wie die Ein-
gebornen, die sich ganz in Wolle - auch in ein wollenes Hemd, also Jägerianer
lange vor Jäger! — kleiden und es dann ruhig regnen lassen.
Muß das aber ein rauhes, unwirkliches Land sein! Wer möchte da
wohnen? so höre ich die Leserin fragen. Und in der That ist es schon mancher
Ostseeschwärmerin arg gegen den Strich gegangen, wenn der Gemahl an die
Nordsee versetzt wurde. Nein, hier ist aber anch gar keine landschaftliche
Schönheit! klagte so eine arme Versetzte. Aber ein Seeoffizier, der hier schon
akklimatisirt war oder, wie der gangbare technische Nnsdruck lautet, „schon
beinahe Schwimmhäute bekommen hatte," antwortete ihr: Gnädige Fran ver¬
gessen die Wolkenbildung! Ja die Wolkenbildung kann sich wirklich sehen
lassen. Überdies ist ja die Hanptsehenswnrdigkeit eines Landes nicht die „so¬
genannte" Natur, sondern der Mensch. Und der kann sich hier erst recht
sehen lassen. Noch heute hat er sich etwas von seinem alten stolzen Freiheits-
nnd Unabhängigkeitssinn bewahrt. Er ist zwar 1366 mit Freuden preußisch
geworden, wie er es schon einmal sechzig fruchtbare Jahre gewesen war; er
hat auch mit Freuden, so weit das bei ihm äußerlich bemerkbar ist, die Auf¬
richtung des neuen deutschen Reichs begrüßt, aber er ist doch in erster Linie
Ostfriese geblieben, „Stark nach außen, schwertgewaltig um ein hoch Panier
geschart" — das ist ihm schon recht; aber gerade bei ihm gehört als besonders
notwendig dazu: „innen reich und vielgestaltig, jeder Stamm nach seiner Art."
In seiner „Art" aber ist der Ostfriese der konservativste Mann von der Welt,
wenn er auch gelegentlich einen Deutschfreisinnigen in den Reichstag schickt;
weil er so deutsch und so freisinnig ist, meint er in seiner politischen Harm¬
losigkeit, ein Deutschfreisinniger sei sein Mann.")
Doch diese Plauderei soll nicht in ein politisches Lied ausklingen.
Ich wende mich auf ein andres, unverfänglicheres Gebiet. Ich wollte noch
eine Vorstellung geben von dem Reichtum der ostfriesischen Sprache an Sprich¬
wörtern, und ich wähle dazu das Kapitel vom Freien und Heiraten.
„Der Gott, der Muhammed sandte, ist kein Gott der Hagestolze," sagt
irgendwo jemand, das heißt: wo es noch mit natürlichen Dingen zugeht, da
wird fleißig geheiratet. Und so geht es hier zu. Es fehlt zwar nicht an
Stimmen, die davor warnen, kM nur örst, s-i.' Ap sodöxkor to sin Inmcl,
asu sermlst an alö stört öl >vo1 dkMFön laden. Auch wird auf die Umstände,
Neulich, am 16. Juni, hat er sich aber eines bessern besonnen.
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