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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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die Allsicht hat, dieses Kapital in einem der bezeichneten Papiere, und zwar
gerade in einem den gedachten Quantitäten entsprechenden Maße anzulegen.
Dann würde es sich, wenn er z.B. fünfzig Stück Kreditaktien, lieferbar am
letzten des Monats, kaufte, um einen wirklichen Kauf für den wirtschaftlichen
Zweck einer Kapitalanlage handeln. Aber es wäre doch sehr sonderbar, wenn
sich Käufe und Verkäufe, die in Wahrheit einem solchen wirtschaftlichen Zwecke
dienten, beständig in jener Schablonenhaften Form wiederholten. In Wahr¬
heit ist das undenkbar. Vielmehr kann man von vornherein annehmen, daß
diese Zeitgeschäfte mit verschwindenden Ausnahmen nichts andres sind als
Spekulationsgeschäfte, bei denen es den Abschließenden nur darum zu thun ist,
die Differenz zu gewinnen. Das ist auch eine ganz notorische Thatsache. An
diesem Spiele beteiligen sich aber nicht bloß Leute, die an der Börse zu Hause
sind, sondern auch unzählige andre ans dem großen Publikum, die der Spiel¬
teufel erfaßt hat.

Die große Mehrzahl der Börsenspieldilettanten schließt ihre Spekulations¬
geschäfte in der Form des Ankaufs von Börsenpapieren ab, spekulirt also auf
das Steigen dieser Papiere (5 1" dsusss). Sie geben einem Bankier des
Börsenplatzes Auftrag, eine bestimmte Quantität Papiere für sie zum Tages¬
kurs zu kaufen. Der Bankier meldet sofort den Ankauf als besorgt. Wohnt
der Spekulant nicht an einem Börsenplätze, so kam? er auch einen Bankier
seines Wohnorts angehen, der dann durch einen Bankier des Börsenplatzes
den Ankauf besorgen läßt. Ja es werden sogar von manchen Bankiers Agenten
und Reisende gehalten, die beauftragt sind, Leute, die ihnen begegnen, zum
Börsenspiel zu verlocken. Natürlich bezieht jeder Bankier für seine Bemühung
eine Provision. Mitunter fordert auch der mit dein Ankauf beauftragte Bankier
eine gewisse Deckung. Diese braucht aber nicht höher zu sein, als der etwa
zu erwartende Differenzverlnst. Kommt nun Ultimo, so meldet der Bankier
des Börsenplatzes: "Wir haben heute die und die Papiere für Sie in Empfang
und in Depot genommen und Sie dafür mit so und so viel (dem Ankaufs¬
preis) belastet." Nun ist also der Spekulant zwar Eigentümer der Papiere,
aber Besitzer ist der Bankier geblieben, der sie zu seiner Sicherheit für den
geschuldeten Kaufpreis inne behält. Hat der Spekulant Geld genug, sie zu
bezahlen, so kaun er sie vom Bankier einlösen; und dann kann er sie, wenn
sie inzwischen gefallen sind, liegen lasten, bis sie vielleicht wieder steigen.
Kann oder will aber der Spekulant die Papiere nicht abnehmen, so bringt sie
der Bankier, um sich für den Ankaufspreis bezahlt zu machen, wieder an der
Börse zum Verkauf. Sind inzwischen die Papiere gestiegen, so bleibt der
Bankier die Differenz dem Spekulanten schuldig, und dieser hat im Spiele
gewonnen. Ist aber inzwischen der Preis der Papiere gesunken, so bleibt der
Spekulant die Differenz dem Bankier schuldig; sie bildet seinen Verlust.

Dieses bis tief in die mittlern Schichten unsers Volkes eingerissene Börsen-


die Allsicht hat, dieses Kapital in einem der bezeichneten Papiere, und zwar
gerade in einem den gedachten Quantitäten entsprechenden Maße anzulegen.
Dann würde es sich, wenn er z.B. fünfzig Stück Kreditaktien, lieferbar am
letzten des Monats, kaufte, um einen wirklichen Kauf für den wirtschaftlichen
Zweck einer Kapitalanlage handeln. Aber es wäre doch sehr sonderbar, wenn
sich Käufe und Verkäufe, die in Wahrheit einem solchen wirtschaftlichen Zwecke
dienten, beständig in jener Schablonenhaften Form wiederholten. In Wahr¬
heit ist das undenkbar. Vielmehr kann man von vornherein annehmen, daß
diese Zeitgeschäfte mit verschwindenden Ausnahmen nichts andres sind als
Spekulationsgeschäfte, bei denen es den Abschließenden nur darum zu thun ist,
die Differenz zu gewinnen. Das ist auch eine ganz notorische Thatsache. An
diesem Spiele beteiligen sich aber nicht bloß Leute, die an der Börse zu Hause
sind, sondern auch unzählige andre ans dem großen Publikum, die der Spiel¬
teufel erfaßt hat.

Die große Mehrzahl der Börsenspieldilettanten schließt ihre Spekulations¬
geschäfte in der Form des Ankaufs von Börsenpapieren ab, spekulirt also auf
das Steigen dieser Papiere (5 1» dsusss). Sie geben einem Bankier des
Börsenplatzes Auftrag, eine bestimmte Quantität Papiere für sie zum Tages¬
kurs zu kaufen. Der Bankier meldet sofort den Ankauf als besorgt. Wohnt
der Spekulant nicht an einem Börsenplätze, so kam? er auch einen Bankier
seines Wohnorts angehen, der dann durch einen Bankier des Börsenplatzes
den Ankauf besorgen läßt. Ja es werden sogar von manchen Bankiers Agenten
und Reisende gehalten, die beauftragt sind, Leute, die ihnen begegnen, zum
Börsenspiel zu verlocken. Natürlich bezieht jeder Bankier für seine Bemühung
eine Provision. Mitunter fordert auch der mit dein Ankauf beauftragte Bankier
eine gewisse Deckung. Diese braucht aber nicht höher zu sein, als der etwa
zu erwartende Differenzverlnst. Kommt nun Ultimo, so meldet der Bankier
des Börsenplatzes: „Wir haben heute die und die Papiere für Sie in Empfang
und in Depot genommen und Sie dafür mit so und so viel (dem Ankaufs¬
preis) belastet." Nun ist also der Spekulant zwar Eigentümer der Papiere,
aber Besitzer ist der Bankier geblieben, der sie zu seiner Sicherheit für den
geschuldeten Kaufpreis inne behält. Hat der Spekulant Geld genug, sie zu
bezahlen, so kaun er sie vom Bankier einlösen; und dann kann er sie, wenn
sie inzwischen gefallen sind, liegen lasten, bis sie vielleicht wieder steigen.
Kann oder will aber der Spekulant die Papiere nicht abnehmen, so bringt sie
der Bankier, um sich für den Ankaufspreis bezahlt zu machen, wieder an der
Börse zum Verkauf. Sind inzwischen die Papiere gestiegen, so bleibt der
Bankier die Differenz dem Spekulanten schuldig, und dieser hat im Spiele
gewonnen. Ist aber inzwischen der Preis der Papiere gesunken, so bleibt der
Spekulant die Differenz dem Bankier schuldig; sie bildet seinen Verlust.

Dieses bis tief in die mittlern Schichten unsers Volkes eingerissene Börsen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/68>, abgerufen am 24.11.2024.