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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Das sozialdemokratische Bcrichterstntterdeutsch steht auf ebenso luftiger Hohe wie das des
internationalen Kongresses. So lasen wir vor ewiger Zeit: "Zu Punkt "Verschiednes" machte
Genosse Peters darauf aufmerksam, daß u, s. w." "Zu Punkt Verschiednes" ist eine vorzüg¬
liche Lösung der Präpositionenfrage. Der Berichterstatter braucht sich nicht den Kopf zu zer¬
brechen, wie sich "zu" und "Verschiednes" verbinden läßt. Er setzt einfach "Punkt" da¬
zwischen.



In Ur. 34 des Darmstädter Stadt- und Landboteu ist eine Bekanntmachung des Ver¬
bands mittelrheinischer Bildungsvereine abgedruckt. Der Vorsitzende fragt an, ob die Einzel¬
vereine im Winter Vortrüge halten lassen wollen, und fährt dann wörtlich fort: "Welche The-
matas hält der Boreiu am geeignetsten?"

Was für Bildung mag da wohl verzapft werden?




Daß einer Zeitschrift, die sich rühmt, ein völlig fehlerfreies Deutsch zu schreiben, Freund
und Feind auflauern, um zu sehen, ob sie ihr nicht doch einmal etwas am Zeuge flicken
können, ist ebenso begreiflich wie erfreulich. Es vergeht denn auch kein Monat, wo uns nicht
Briefe oder Postkarten zugingen, die gewöhnlich mit folgendem guten Witz anfangen: "Ge¬
statten Sie mir, daß ich Ihnen für das in den Grenzboten mit so großem Eifer gepflegte
schwarze Brett einen kleinen Beitrag liefere" -- und dann folgt ein Satz aus dem letzten
oder vorletzten Grcnzbvtenhefte. In den meisten Fällen verraten damit die Einsender ihre
eigne Unkenntnis oder Geschmacklosigkeit. Bor kurzem siud wir aber wirklich einmal auf
ein paar Sprachfehlern ertappt wordeu. Im 36. Hefte S. 477 steht : "daß die Redaktion
gleichgiltig genng ist, um solches Deutsch unverändert zum Abdruck zu bringen," und auf
der nächsten Seite: "die nun zum Abschluß gebrachten, zwölf Text- und einen Registerband
umfassende allgemeine Weltgeschichte." Beides sind natürlich grobe Fehler, und wir schlagen
sie am Schluß des Vierteljahres hiermit reuig an unser schwarzes Bret. Wie viel hundert
solcher falschen um zu berichtigen wir im Laufe eines Vierteljahres! Ju einem einzigen
Aufsatz oft zehn oder zwölf! Und hier hatten wir doch über eins weggelesen!

Bezeichnend ist es und für uns beruhigend, daß sich die beiden Fehler auf den letzten
Seiten eines Heftes finden, das wenige Stunden vor dem Druck noch einmal vollständig um¬
gestaltet werden mußte, weil mehrere Verfasserkorrektureu ausgeblieben waren.






Für, die Redaktion verantwortlich: Dr. G. Wust manu in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig

Das sozialdemokratische Bcrichterstntterdeutsch steht auf ebenso luftiger Hohe wie das des
internationalen Kongresses. So lasen wir vor ewiger Zeit: „Zu Punkt »Verschiednes« machte
Genosse Peters darauf aufmerksam, daß u, s. w." „Zu Punkt Verschiednes" ist eine vorzüg¬
liche Lösung der Präpositionenfrage. Der Berichterstatter braucht sich nicht den Kopf zu zer¬
brechen, wie sich „zu" und „Verschiednes" verbinden läßt. Er setzt einfach „Punkt" da¬
zwischen.



In Ur. 34 des Darmstädter Stadt- und Landboteu ist eine Bekanntmachung des Ver¬
bands mittelrheinischer Bildungsvereine abgedruckt. Der Vorsitzende fragt an, ob die Einzel¬
vereine im Winter Vortrüge halten lassen wollen, und fährt dann wörtlich fort: „Welche The-
matas hält der Boreiu am geeignetsten?"

Was für Bildung mag da wohl verzapft werden?




Daß einer Zeitschrift, die sich rühmt, ein völlig fehlerfreies Deutsch zu schreiben, Freund
und Feind auflauern, um zu sehen, ob sie ihr nicht doch einmal etwas am Zeuge flicken
können, ist ebenso begreiflich wie erfreulich. Es vergeht denn auch kein Monat, wo uns nicht
Briefe oder Postkarten zugingen, die gewöhnlich mit folgendem guten Witz anfangen: „Ge¬
statten Sie mir, daß ich Ihnen für das in den Grenzboten mit so großem Eifer gepflegte
schwarze Brett einen kleinen Beitrag liefere" — und dann folgt ein Satz aus dem letzten
oder vorletzten Grcnzbvtenhefte. In den meisten Fällen verraten damit die Einsender ihre
eigne Unkenntnis oder Geschmacklosigkeit. Bor kurzem siud wir aber wirklich einmal auf
ein paar Sprachfehlern ertappt wordeu. Im 36. Hefte S. 477 steht : „daß die Redaktion
gleichgiltig genng ist, um solches Deutsch unverändert zum Abdruck zu bringen," und auf
der nächsten Seite: „die nun zum Abschluß gebrachten, zwölf Text- und einen Registerband
umfassende allgemeine Weltgeschichte." Beides sind natürlich grobe Fehler, und wir schlagen
sie am Schluß des Vierteljahres hiermit reuig an unser schwarzes Bret. Wie viel hundert
solcher falschen um zu berichtigen wir im Laufe eines Vierteljahres! Ju einem einzigen
Aufsatz oft zehn oder zwölf! Und hier hatten wir doch über eins weggelesen!

Bezeichnend ist es und für uns beruhigend, daß sich die beiden Fehler auf den letzten
Seiten eines Heftes finden, das wenige Stunden vor dem Druck noch einmal vollständig um¬
gestaltet werden mußte, weil mehrere Verfasserkorrektureu ausgeblieben waren.






Für, die Redaktion verantwortlich: Dr. G. Wust manu in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0628] Das sozialdemokratische Bcrichterstntterdeutsch steht auf ebenso luftiger Hohe wie das des internationalen Kongresses. So lasen wir vor ewiger Zeit: „Zu Punkt »Verschiednes« machte Genosse Peters darauf aufmerksam, daß u, s. w." „Zu Punkt Verschiednes" ist eine vorzüg¬ liche Lösung der Präpositionenfrage. Der Berichterstatter braucht sich nicht den Kopf zu zer¬ brechen, wie sich „zu" und „Verschiednes" verbinden läßt. Er setzt einfach „Punkt" da¬ zwischen. In Ur. 34 des Darmstädter Stadt- und Landboteu ist eine Bekanntmachung des Ver¬ bands mittelrheinischer Bildungsvereine abgedruckt. Der Vorsitzende fragt an, ob die Einzel¬ vereine im Winter Vortrüge halten lassen wollen, und fährt dann wörtlich fort: „Welche The- matas hält der Boreiu am geeignetsten?" Was für Bildung mag da wohl verzapft werden? Daß einer Zeitschrift, die sich rühmt, ein völlig fehlerfreies Deutsch zu schreiben, Freund und Feind auflauern, um zu sehen, ob sie ihr nicht doch einmal etwas am Zeuge flicken können, ist ebenso begreiflich wie erfreulich. Es vergeht denn auch kein Monat, wo uns nicht Briefe oder Postkarten zugingen, die gewöhnlich mit folgendem guten Witz anfangen: „Ge¬ statten Sie mir, daß ich Ihnen für das in den Grenzboten mit so großem Eifer gepflegte schwarze Brett einen kleinen Beitrag liefere" — und dann folgt ein Satz aus dem letzten oder vorletzten Grcnzbvtenhefte. In den meisten Fällen verraten damit die Einsender ihre eigne Unkenntnis oder Geschmacklosigkeit. Bor kurzem siud wir aber wirklich einmal auf ein paar Sprachfehlern ertappt wordeu. Im 36. Hefte S. 477 steht : „daß die Redaktion gleichgiltig genng ist, um solches Deutsch unverändert zum Abdruck zu bringen," und auf der nächsten Seite: „die nun zum Abschluß gebrachten, zwölf Text- und einen Registerband umfassende allgemeine Weltgeschichte." Beides sind natürlich grobe Fehler, und wir schlagen sie am Schluß des Vierteljahres hiermit reuig an unser schwarzes Bret. Wie viel hundert solcher falschen um zu berichtigen wir im Laufe eines Vierteljahres! Ju einem einzigen Aufsatz oft zehn oder zwölf! Und hier hatten wir doch über eins weggelesen! Bezeichnend ist es und für uns beruhigend, daß sich die beiden Fehler auf den letzten Seiten eines Heftes finden, das wenige Stunden vor dem Druck noch einmal vollständig um¬ gestaltet werden mußte, weil mehrere Verfasserkorrektureu ausgeblieben waren. Für, die Redaktion verantwortlich: Dr. G. Wust manu in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/628>, abgerufen am 27.11.2024.