Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

der die Leute die Möglichkeit haben, einen Teller warme Suppe zu essen, ge¬
radezu als vorteilhaft gezeigt hat, daß die Arbeitsleistung, auch wenn die Ar¬
beit früher geschlossen wurde, und der Arbeiter somit einen größern Teil seiner
Zeit daheim zubringen konnte, erhöht wurde."

Von der Ansicht geleitet, daß eigner Besitz, sei es Geld, Haus oder
Garten, auch die Brust des Arbeiters mit Zufriedenheit und Selbstvertrauen
erfüllt, und je bescheidner und mühevoller erworben, desto wertvoller und
heiliger ist, ein Besitz, den preiszugeben selbst die Hetzereien gewissenloser Agi¬
tatoren nicht verleiten können, mit diesen Worten motivirt ein Arbeitgeber den
Entschluß, eine Fabriksparkasse sür seine Arbeiter zu errichten. Sparen ist
eine Kunst, die gelernt sein will, und zu der sich selten jemand aus freien
Stücken bequemt. Um so anerkennenswerter sind alle Versuche, den Sparsinn
zu wecken und zu erhalten. Darin sind die Patriarchen oft geradezu erfin¬
derisch. Das Nächstliegende und einfachste ist, daß sie deu Arbeiter" die Spar¬
gelegenheit möglichst erleichtern und sie in den Stand setzen, anch die kleinsten
Beträge verzinslich anzulegen. Andre feuern durch Prämien und hohe Ver¬
zinsung zum Sparen um; besonders verwerten viele die Jahresprämien und
Gewinnanteile, um die Arbeiter zum Sparen anzuhalten. Es kommt vor,
daß einzelne nur gegen die Verpflichtung, einen bestimmten Prozentsatz in der
Sparkasse niederzulegen, ihre Arbeiter zur Gewinnbeteiligung zulassen. In der
Weckung des Sparsiuns liegt zugleich etwas Erzieherisches. Denn Spar¬
samkeit ist der Weg zur Zufriedenheit, sie fördert Fleiß und Treue und giebt
den Arbeitern sittlichen Halt, Mut und Kraft, weiter zu bauen auf dem Boden
gesetzgeberischer Fürsorge wie der Selbsthilfe. Ja Spartheoretikcr sehen in
jedem Sparbuch sogar eine Beglaubigung für den Austritt aus den staats-
nnd gesellschaftsfeiiidlicheu Parteien; eine Spareinlage ist immer ein Damm
gegen kommunistische Gelüste.

Deshalb wird mau es dem Patriarchentum, wie es vom Verfasser ver¬
standen wird, nicht verargen, wenn es neben der moralischen Einwirkung auch
vor einem gelinden Sparzwange nicht zurückschreckt. Denn wenn das Sparen
seinen Zweck erreichen soll, so muß gleichzeitig eine gewisse Sperrung des
Sparbuches und eine gewisse Norm für die Zeit der Zurückzahlung vorgesehen
werden. Allerdings zeigt sich bei Fabriksparkassen eine Schwierigkeit in dem
Mißtrauen der Arbeiter, in der Furcht, der Arbeitgeber möchte, sobald er be¬
merkt, daß sie von ihrem Lohne etwas erübrigen, den Lohn kürzen oder in
den Unterstützungen kargen. Dem gegenüber wird es dem Fabrikherrn nicht
schwer werden, den Arbeitern das Gefühl beizubringen, daß er sich freut, wenn
sie vorwärts kommen, und daß der am ersten auf Förderung und Unterstützung
rechnen kann, der zu sparen weiß. Auch in diesem Falle wird der Arbeiter¬
ansschuß nicht versagen als ein Mittel, mißtrauische Bedenken der Arbeiter¬
schaft von vornherein zu beseitigen. Kommen aber erst die Tage, wo der


der die Leute die Möglichkeit haben, einen Teller warme Suppe zu essen, ge¬
radezu als vorteilhaft gezeigt hat, daß die Arbeitsleistung, auch wenn die Ar¬
beit früher geschlossen wurde, und der Arbeiter somit einen größern Teil seiner
Zeit daheim zubringen konnte, erhöht wurde."

Von der Ansicht geleitet, daß eigner Besitz, sei es Geld, Haus oder
Garten, auch die Brust des Arbeiters mit Zufriedenheit und Selbstvertrauen
erfüllt, und je bescheidner und mühevoller erworben, desto wertvoller und
heiliger ist, ein Besitz, den preiszugeben selbst die Hetzereien gewissenloser Agi¬
tatoren nicht verleiten können, mit diesen Worten motivirt ein Arbeitgeber den
Entschluß, eine Fabriksparkasse sür seine Arbeiter zu errichten. Sparen ist
eine Kunst, die gelernt sein will, und zu der sich selten jemand aus freien
Stücken bequemt. Um so anerkennenswerter sind alle Versuche, den Sparsinn
zu wecken und zu erhalten. Darin sind die Patriarchen oft geradezu erfin¬
derisch. Das Nächstliegende und einfachste ist, daß sie deu Arbeiter» die Spar¬
gelegenheit möglichst erleichtern und sie in den Stand setzen, anch die kleinsten
Beträge verzinslich anzulegen. Andre feuern durch Prämien und hohe Ver¬
zinsung zum Sparen um; besonders verwerten viele die Jahresprämien und
Gewinnanteile, um die Arbeiter zum Sparen anzuhalten. Es kommt vor,
daß einzelne nur gegen die Verpflichtung, einen bestimmten Prozentsatz in der
Sparkasse niederzulegen, ihre Arbeiter zur Gewinnbeteiligung zulassen. In der
Weckung des Sparsiuns liegt zugleich etwas Erzieherisches. Denn Spar¬
samkeit ist der Weg zur Zufriedenheit, sie fördert Fleiß und Treue und giebt
den Arbeitern sittlichen Halt, Mut und Kraft, weiter zu bauen auf dem Boden
gesetzgeberischer Fürsorge wie der Selbsthilfe. Ja Spartheoretikcr sehen in
jedem Sparbuch sogar eine Beglaubigung für den Austritt aus den staats-
nnd gesellschaftsfeiiidlicheu Parteien; eine Spareinlage ist immer ein Damm
gegen kommunistische Gelüste.

Deshalb wird mau es dem Patriarchentum, wie es vom Verfasser ver¬
standen wird, nicht verargen, wenn es neben der moralischen Einwirkung auch
vor einem gelinden Sparzwange nicht zurückschreckt. Denn wenn das Sparen
seinen Zweck erreichen soll, so muß gleichzeitig eine gewisse Sperrung des
Sparbuches und eine gewisse Norm für die Zeit der Zurückzahlung vorgesehen
werden. Allerdings zeigt sich bei Fabriksparkassen eine Schwierigkeit in dem
Mißtrauen der Arbeiter, in der Furcht, der Arbeitgeber möchte, sobald er be¬
merkt, daß sie von ihrem Lohne etwas erübrigen, den Lohn kürzen oder in
den Unterstützungen kargen. Dem gegenüber wird es dem Fabrikherrn nicht
schwer werden, den Arbeitern das Gefühl beizubringen, daß er sich freut, wenn
sie vorwärts kommen, und daß der am ersten auf Förderung und Unterstützung
rechnen kann, der zu sparen weiß. Auch in diesem Falle wird der Arbeiter¬
ansschuß nicht versagen als ein Mittel, mißtrauische Bedenken der Arbeiter¬
schaft von vornherein zu beseitigen. Kommen aber erst die Tage, wo der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0062" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215152"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_208" prev="#ID_207"> der die Leute die Möglichkeit haben, einen Teller warme Suppe zu essen, ge¬<lb/>
radezu als vorteilhaft gezeigt hat, daß die Arbeitsleistung, auch wenn die Ar¬<lb/>
beit früher geschlossen wurde, und der Arbeiter somit einen größern Teil seiner<lb/>
Zeit daheim zubringen konnte, erhöht wurde."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_209"> Von der Ansicht geleitet, daß eigner Besitz, sei es Geld, Haus oder<lb/>
Garten, auch die Brust des Arbeiters mit Zufriedenheit und Selbstvertrauen<lb/>
erfüllt, und je bescheidner und mühevoller erworben, desto wertvoller und<lb/>
heiliger ist, ein Besitz, den preiszugeben selbst die Hetzereien gewissenloser Agi¬<lb/>
tatoren nicht verleiten können, mit diesen Worten motivirt ein Arbeitgeber den<lb/>
Entschluß, eine Fabriksparkasse sür seine Arbeiter zu errichten. Sparen ist<lb/>
eine Kunst, die gelernt sein will, und zu der sich selten jemand aus freien<lb/>
Stücken bequemt. Um so anerkennenswerter sind alle Versuche, den Sparsinn<lb/>
zu wecken und zu erhalten. Darin sind die Patriarchen oft geradezu erfin¬<lb/>
derisch. Das Nächstliegende und einfachste ist, daß sie deu Arbeiter» die Spar¬<lb/>
gelegenheit möglichst erleichtern und sie in den Stand setzen, anch die kleinsten<lb/>
Beträge verzinslich anzulegen. Andre feuern durch Prämien und hohe Ver¬<lb/>
zinsung zum Sparen um; besonders verwerten viele die Jahresprämien und<lb/>
Gewinnanteile, um die Arbeiter zum Sparen anzuhalten. Es kommt vor,<lb/>
daß einzelne nur gegen die Verpflichtung, einen bestimmten Prozentsatz in der<lb/>
Sparkasse niederzulegen, ihre Arbeiter zur Gewinnbeteiligung zulassen. In der<lb/>
Weckung des Sparsiuns liegt zugleich etwas Erzieherisches. Denn Spar¬<lb/>
samkeit ist der Weg zur Zufriedenheit, sie fördert Fleiß und Treue und giebt<lb/>
den Arbeitern sittlichen Halt, Mut und Kraft, weiter zu bauen auf dem Boden<lb/>
gesetzgeberischer Fürsorge wie der Selbsthilfe. Ja Spartheoretikcr sehen in<lb/>
jedem Sparbuch sogar eine Beglaubigung für den Austritt aus den staats-<lb/>
nnd gesellschaftsfeiiidlicheu Parteien; eine Spareinlage ist immer ein Damm<lb/>
gegen kommunistische Gelüste.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_210" next="#ID_211"> Deshalb wird mau es dem Patriarchentum, wie es vom Verfasser ver¬<lb/>
standen wird, nicht verargen, wenn es neben der moralischen Einwirkung auch<lb/>
vor einem gelinden Sparzwange nicht zurückschreckt. Denn wenn das Sparen<lb/>
seinen Zweck erreichen soll, so muß gleichzeitig eine gewisse Sperrung des<lb/>
Sparbuches und eine gewisse Norm für die Zeit der Zurückzahlung vorgesehen<lb/>
werden. Allerdings zeigt sich bei Fabriksparkassen eine Schwierigkeit in dem<lb/>
Mißtrauen der Arbeiter, in der Furcht, der Arbeitgeber möchte, sobald er be¬<lb/>
merkt, daß sie von ihrem Lohne etwas erübrigen, den Lohn kürzen oder in<lb/>
den Unterstützungen kargen. Dem gegenüber wird es dem Fabrikherrn nicht<lb/>
schwer werden, den Arbeitern das Gefühl beizubringen, daß er sich freut, wenn<lb/>
sie vorwärts kommen, und daß der am ersten auf Förderung und Unterstützung<lb/>
rechnen kann, der zu sparen weiß. Auch in diesem Falle wird der Arbeiter¬<lb/>
ansschuß nicht versagen als ein Mittel, mißtrauische Bedenken der Arbeiter¬<lb/>
schaft von vornherein zu beseitigen.  Kommen aber erst die Tage, wo der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0062] der die Leute die Möglichkeit haben, einen Teller warme Suppe zu essen, ge¬ radezu als vorteilhaft gezeigt hat, daß die Arbeitsleistung, auch wenn die Ar¬ beit früher geschlossen wurde, und der Arbeiter somit einen größern Teil seiner Zeit daheim zubringen konnte, erhöht wurde." Von der Ansicht geleitet, daß eigner Besitz, sei es Geld, Haus oder Garten, auch die Brust des Arbeiters mit Zufriedenheit und Selbstvertrauen erfüllt, und je bescheidner und mühevoller erworben, desto wertvoller und heiliger ist, ein Besitz, den preiszugeben selbst die Hetzereien gewissenloser Agi¬ tatoren nicht verleiten können, mit diesen Worten motivirt ein Arbeitgeber den Entschluß, eine Fabriksparkasse sür seine Arbeiter zu errichten. Sparen ist eine Kunst, die gelernt sein will, und zu der sich selten jemand aus freien Stücken bequemt. Um so anerkennenswerter sind alle Versuche, den Sparsinn zu wecken und zu erhalten. Darin sind die Patriarchen oft geradezu erfin¬ derisch. Das Nächstliegende und einfachste ist, daß sie deu Arbeiter» die Spar¬ gelegenheit möglichst erleichtern und sie in den Stand setzen, anch die kleinsten Beträge verzinslich anzulegen. Andre feuern durch Prämien und hohe Ver¬ zinsung zum Sparen um; besonders verwerten viele die Jahresprämien und Gewinnanteile, um die Arbeiter zum Sparen anzuhalten. Es kommt vor, daß einzelne nur gegen die Verpflichtung, einen bestimmten Prozentsatz in der Sparkasse niederzulegen, ihre Arbeiter zur Gewinnbeteiligung zulassen. In der Weckung des Sparsiuns liegt zugleich etwas Erzieherisches. Denn Spar¬ samkeit ist der Weg zur Zufriedenheit, sie fördert Fleiß und Treue und giebt den Arbeitern sittlichen Halt, Mut und Kraft, weiter zu bauen auf dem Boden gesetzgeberischer Fürsorge wie der Selbsthilfe. Ja Spartheoretikcr sehen in jedem Sparbuch sogar eine Beglaubigung für den Austritt aus den staats- nnd gesellschaftsfeiiidlicheu Parteien; eine Spareinlage ist immer ein Damm gegen kommunistische Gelüste. Deshalb wird mau es dem Patriarchentum, wie es vom Verfasser ver¬ standen wird, nicht verargen, wenn es neben der moralischen Einwirkung auch vor einem gelinden Sparzwange nicht zurückschreckt. Denn wenn das Sparen seinen Zweck erreichen soll, so muß gleichzeitig eine gewisse Sperrung des Sparbuches und eine gewisse Norm für die Zeit der Zurückzahlung vorgesehen werden. Allerdings zeigt sich bei Fabriksparkassen eine Schwierigkeit in dem Mißtrauen der Arbeiter, in der Furcht, der Arbeitgeber möchte, sobald er be¬ merkt, daß sie von ihrem Lohne etwas erübrigen, den Lohn kürzen oder in den Unterstützungen kargen. Dem gegenüber wird es dem Fabrikherrn nicht schwer werden, den Arbeitern das Gefühl beizubringen, daß er sich freut, wenn sie vorwärts kommen, und daß der am ersten auf Förderung und Unterstützung rechnen kann, der zu sparen weiß. Auch in diesem Falle wird der Arbeiter¬ ansschuß nicht versagen als ein Mittel, mißtrauische Bedenken der Arbeiter¬ schaft von vornherein zu beseitigen. Kommen aber erst die Tage, wo der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/62
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/62>, abgerufen am 27.11.2024.