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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Bilder aus dem Westen
von L. Below
7. In der Schule

P
Ues hu--eiß nicht, hu--as soll es bedjuten -- so buchstabirten
mir gegenüber im Kabelbahnwagen zwei hübsche junge Lehre¬
rinnen an der Heinischen Lorelei herum, die sie wahrscheinlich
in den Frühstunden ihren Schülerinnen beizubringen hatten. Da¬
bei knabberten die dem Backfischalter kaum entwachsenen lustigen
Mädchen Chokoladenbonbvns und ergingen sich in Späßen über die schreckliche
deutsche Sprache und die Deutschen im allgemeinen.

Warum muß man nur gleich traurig sein wegen eines Märchens, das
einem nicht ans dem Sinn kommt? sagte die eine. Ich glaube, diese deutschen
Dickköpfe sind immer traurig, weil sie so viel überflüssiges Zeug im Kopfe
haben, mit dem sie nichts anzufangen wissen, erwiderte die andre. Dabei
lachten sie beide herüber nach der andern Ecke des Wagens, wo zwei junge
Herren neben mir saßen, die diese englisch gesprochnen Bemerkungen offenbar
hören sollten. Sie hatten den Cornelius Nepos vor sich aufgeschlagen und
ließen sich von den Mädchen nicht stören, sondern lasen unbeirrt ihren
'liuzuüstoolos Akoolöi tsilius weiter in der Aankeeanssprache, wie sie ihnen
offenbar in der Schule beigebracht wurde.

An der Straßenecke vor einem großen Schulhause hielt der Wagen. Alles
stieg aus und begab sich auf den Spiel- und Turnplatz. Ich folgte den Aus-
steigenden als der letzte. Dicht vor mir ging eine der beiden hübschen
Amerikanerinnen. Sie schlug den einen der beiden Lateinschüler mit ihrem
Fächer auf die Schulter. Der schlanke junge Mann sah etwas blaß und an¬
gegriffen aus. Als er sich bei der Berührung nach der reichgekleideten
Schönen umsah, als wäre er solche kleine Vertraulichkeiten gewohnt, ging es
wie ein Zug aufleuchtender Freude über sein kluges Gesicht.

Das junge hübsche Paar -- sie mochte etwa sechzehn, er siebzehn Jahre alt
sein -- schritt unmittelbar vor mir her dem Schulplatze zu, sodaß ich ihre Unter¬
haltung hören konnte.

Das ist recht, Harry, daß Sie endlich die dumme Nachtarbeit in der
Druckerei aufgegeben haben. Sie sehen jetzt zehnmal wohler und frischer aus.




Bilder aus dem Westen
von L. Below
7. In der Schule

P
Ues hu—eiß nicht, hu—as soll es bedjuten — so buchstabirten
mir gegenüber im Kabelbahnwagen zwei hübsche junge Lehre¬
rinnen an der Heinischen Lorelei herum, die sie wahrscheinlich
in den Frühstunden ihren Schülerinnen beizubringen hatten. Da¬
bei knabberten die dem Backfischalter kaum entwachsenen lustigen
Mädchen Chokoladenbonbvns und ergingen sich in Späßen über die schreckliche
deutsche Sprache und die Deutschen im allgemeinen.

Warum muß man nur gleich traurig sein wegen eines Märchens, das
einem nicht ans dem Sinn kommt? sagte die eine. Ich glaube, diese deutschen
Dickköpfe sind immer traurig, weil sie so viel überflüssiges Zeug im Kopfe
haben, mit dem sie nichts anzufangen wissen, erwiderte die andre. Dabei
lachten sie beide herüber nach der andern Ecke des Wagens, wo zwei junge
Herren neben mir saßen, die diese englisch gesprochnen Bemerkungen offenbar
hören sollten. Sie hatten den Cornelius Nepos vor sich aufgeschlagen und
ließen sich von den Mädchen nicht stören, sondern lasen unbeirrt ihren
'liuzuüstoolos Akoolöi tsilius weiter in der Aankeeanssprache, wie sie ihnen
offenbar in der Schule beigebracht wurde.

An der Straßenecke vor einem großen Schulhause hielt der Wagen. Alles
stieg aus und begab sich auf den Spiel- und Turnplatz. Ich folgte den Aus-
steigenden als der letzte. Dicht vor mir ging eine der beiden hübschen
Amerikanerinnen. Sie schlug den einen der beiden Lateinschüler mit ihrem
Fächer auf die Schulter. Der schlanke junge Mann sah etwas blaß und an¬
gegriffen aus. Als er sich bei der Berührung nach der reichgekleideten
Schönen umsah, als wäre er solche kleine Vertraulichkeiten gewohnt, ging es
wie ein Zug aufleuchtender Freude über sein kluges Gesicht.

Das junge hübsche Paar — sie mochte etwa sechzehn, er siebzehn Jahre alt
sein — schritt unmittelbar vor mir her dem Schulplatze zu, sodaß ich ihre Unter¬
haltung hören konnte.

Das ist recht, Harry, daß Sie endlich die dumme Nachtarbeit in der
Druckerei aufgegeben haben. Sie sehen jetzt zehnmal wohler und frischer aus.


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[0613] [Abbildung] Bilder aus dem Westen von L. Below 7. In der Schule P Ues hu—eiß nicht, hu—as soll es bedjuten — so buchstabirten mir gegenüber im Kabelbahnwagen zwei hübsche junge Lehre¬ rinnen an der Heinischen Lorelei herum, die sie wahrscheinlich in den Frühstunden ihren Schülerinnen beizubringen hatten. Da¬ bei knabberten die dem Backfischalter kaum entwachsenen lustigen Mädchen Chokoladenbonbvns und ergingen sich in Späßen über die schreckliche deutsche Sprache und die Deutschen im allgemeinen. Warum muß man nur gleich traurig sein wegen eines Märchens, das einem nicht ans dem Sinn kommt? sagte die eine. Ich glaube, diese deutschen Dickköpfe sind immer traurig, weil sie so viel überflüssiges Zeug im Kopfe haben, mit dem sie nichts anzufangen wissen, erwiderte die andre. Dabei lachten sie beide herüber nach der andern Ecke des Wagens, wo zwei junge Herren neben mir saßen, die diese englisch gesprochnen Bemerkungen offenbar hören sollten. Sie hatten den Cornelius Nepos vor sich aufgeschlagen und ließen sich von den Mädchen nicht stören, sondern lasen unbeirrt ihren 'liuzuüstoolos Akoolöi tsilius weiter in der Aankeeanssprache, wie sie ihnen offenbar in der Schule beigebracht wurde. An der Straßenecke vor einem großen Schulhause hielt der Wagen. Alles stieg aus und begab sich auf den Spiel- und Turnplatz. Ich folgte den Aus- steigenden als der letzte. Dicht vor mir ging eine der beiden hübschen Amerikanerinnen. Sie schlug den einen der beiden Lateinschüler mit ihrem Fächer auf die Schulter. Der schlanke junge Mann sah etwas blaß und an¬ gegriffen aus. Als er sich bei der Berührung nach der reichgekleideten Schönen umsah, als wäre er solche kleine Vertraulichkeiten gewohnt, ging es wie ein Zug aufleuchtender Freude über sein kluges Gesicht. Das junge hübsche Paar — sie mochte etwa sechzehn, er siebzehn Jahre alt sein — schritt unmittelbar vor mir her dem Schulplatze zu, sodaß ich ihre Unter¬ haltung hören konnte. Das ist recht, Harry, daß Sie endlich die dumme Nachtarbeit in der Druckerei aufgegeben haben. Sie sehen jetzt zehnmal wohler und frischer aus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/613>, abgerufen am 23.11.2024.