Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.Teuer und wohlfeil Geldwert geringer war als in allen übrigen Ländern, und daß sich dieser Wenn in Deutschland die Nahrungsmittel heute durchschnittlich nicht viel Das Ergebnis unsrer Untersuchung lautet: 1. Ein allgemeines Sinken der Teuer und wohlfeil Geldwert geringer war als in allen übrigen Ländern, und daß sich dieser Wenn in Deutschland die Nahrungsmittel heute durchschnittlich nicht viel Das Ergebnis unsrer Untersuchung lautet: 1. Ein allgemeines Sinken der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0602" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215692"/> <fw type="header" place="top"> Teuer und wohlfeil</fw><lb/> <p xml:id="ID_2046" prev="#ID_2045"> Geldwert geringer war als in allen übrigen Ländern, und daß sich dieser<lb/> Unterschied seitdem ausgeglichen hat; zweitens, daß die englischen Getreidepreise<lb/> im Anfange des Jahrhunderts für die ärmern Klassen unerschwinglich waren,<lb/> und daß unter diesen bis in die dreißiger Jahre wirkliche Hungersnot herrschte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2047"> Wenn in Deutschland die Nahrungsmittel heute durchschnittlich nicht viel<lb/> höher stehen als 1816, so bedeutet das allerdings schon eine Verbilligung,<lb/> weil ja seit der Erschließung der kalifornischen Lager der Preis der Edelmetalle<lb/> stetig gesunken ist. Dieser Vorteil für die untern Klassen wird aber einerseits<lb/> durch Verteuerung der Wohnung aufgehoben, andrerseits durch die Ausgaben,<lb/> zu denen die von den höhern Klassen ausgehende stetige Erhöhung der Lebens¬<lb/> führung, die Polizei, die Schule, der Staat nötigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2048"> Das Ergebnis unsrer Untersuchung lautet: 1. Ein allgemeines Sinken der<lb/> Warenpreise seit 1873 ist nicht nachzuweisen. 2. Im Gegenteil, die stetige Zunahme<lb/> der Edelmetallmeuge seit der Mitte unsers Jahrhunderts würde sehr empfindliche<lb/> Preissteigerungen zur Folge haben, wenn nicht bei den Jndustrieerzeugnissen<lb/> die verbesserte Technik, bei den Nahrungsmitteln der erleichterte Handelsverkehr<lb/> entgegenwirkte. Sollte die Einführung der Goldwährung 1873 in demselben<lb/> Sinne gewirkt und die Preissteigerung ein wenig gehemmt haben, was sich<lb/> jedoch nicht genau erkennen läßt, so würden wir darin nicht ein Übel, sondern<lb/> eine Wohlthat sehen. 3. Sollte irgend einmal irgendwelche Währnngspolitik<lb/> — was aber sehr unwahrscheinlich ist — dauernde allgemeine Billigkeit oder<lb/> dauernde allgemeine Teuerung in dem zuerst erklärten Sinne erzeugen können, so<lb/> wäre das ganz gleichgiltig sür das Volkswohl. Dieses wird, abgesehen von den<lb/> allerdings nieist schmerzlichen Übergängen, nur durch allgemeine Preisäuderungen<lb/> der an zweiter Stelle erklärten Art berührt, d. h. durch solche, die nicht von<lb/> der Vermehrung oder Verminderung des Geldvorrath, sondern von der Ver¬<lb/> minderung oder Vermehrung der Gütermenge im Verhältnis zur Volkszahl<lb/> verursacht werden, und zwar bedeutet dann die Wohlfeilheit ein Glück, weil<lb/> sie die Wirkung einer vermehrten Gütermenge, also einer Erhöhung des Volks-<lb/> eiukommeus ist.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0602]
Teuer und wohlfeil
Geldwert geringer war als in allen übrigen Ländern, und daß sich dieser
Unterschied seitdem ausgeglichen hat; zweitens, daß die englischen Getreidepreise
im Anfange des Jahrhunderts für die ärmern Klassen unerschwinglich waren,
und daß unter diesen bis in die dreißiger Jahre wirkliche Hungersnot herrschte.
Wenn in Deutschland die Nahrungsmittel heute durchschnittlich nicht viel
höher stehen als 1816, so bedeutet das allerdings schon eine Verbilligung,
weil ja seit der Erschließung der kalifornischen Lager der Preis der Edelmetalle
stetig gesunken ist. Dieser Vorteil für die untern Klassen wird aber einerseits
durch Verteuerung der Wohnung aufgehoben, andrerseits durch die Ausgaben,
zu denen die von den höhern Klassen ausgehende stetige Erhöhung der Lebens¬
führung, die Polizei, die Schule, der Staat nötigen.
Das Ergebnis unsrer Untersuchung lautet: 1. Ein allgemeines Sinken der
Warenpreise seit 1873 ist nicht nachzuweisen. 2. Im Gegenteil, die stetige Zunahme
der Edelmetallmeuge seit der Mitte unsers Jahrhunderts würde sehr empfindliche
Preissteigerungen zur Folge haben, wenn nicht bei den Jndustrieerzeugnissen
die verbesserte Technik, bei den Nahrungsmitteln der erleichterte Handelsverkehr
entgegenwirkte. Sollte die Einführung der Goldwährung 1873 in demselben
Sinne gewirkt und die Preissteigerung ein wenig gehemmt haben, was sich
jedoch nicht genau erkennen läßt, so würden wir darin nicht ein Übel, sondern
eine Wohlthat sehen. 3. Sollte irgend einmal irgendwelche Währnngspolitik
— was aber sehr unwahrscheinlich ist — dauernde allgemeine Billigkeit oder
dauernde allgemeine Teuerung in dem zuerst erklärten Sinne erzeugen können, so
wäre das ganz gleichgiltig sür das Volkswohl. Dieses wird, abgesehen von den
allerdings nieist schmerzlichen Übergängen, nur durch allgemeine Preisäuderungen
der an zweiter Stelle erklärten Art berührt, d. h. durch solche, die nicht von
der Vermehrung oder Verminderung des Geldvorrath, sondern von der Ver¬
minderung oder Vermehrung der Gütermenge im Verhältnis zur Volkszahl
verursacht werden, und zwar bedeutet dann die Wohlfeilheit ein Glück, weil
sie die Wirkung einer vermehrten Gütermenge, also einer Erhöhung des Volks-
eiukommeus ist.
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