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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Teuer und wohlfeil

und kehrt bisweilen mehr als einmal zu ein und derselben Person zurück. Ein
Manu kann 1000 Mark, Thaler oder Gulden Einkommen beziehen, ohne auch
nur ein einziges Mark-, Thaler- oder Guldenstück zu Gesicht zu bekommen,
wie das bei Naturalwirtschaft oder Papiergeldwirtschaft wohl vorkommt. Das
Geld ist also nicht das Einkommen, sondern es mißt nur die verschiednen
Euikommen, und es vermittelt sie. Geld, sagt Adam Smith, ist das große
Rad, das die Güter umtreibt. Er meint deshalb auch, es sei an und für sich
kein Grund vorhanden, dieses Rad aus einem so kostbaren Material anzu¬
fertigen, wie Gold und Silber sind, das billige Papier thue es auch; warum
sollte diese Maschine eine Ausnahme machen von der allgemeinen Regel, uach
der man alle Maschinen so billig wie möglich herstellt? Zu entbehren sind
freilich vorläufig Silber und Gold auch beim allgemeinen Gebrauch papierncr
Umlaufsmittel noch nicht. Denn ihr Vorrat in den Landesbanken ist es, der
dein Papiergelde Tauschkraft verleiht, und sie dienen dazu, die Bilanz im
internationalen Warenhandel Herzustellen, indem der Überschuß der Einfuhr
eines Landes über seine Ausfuhr dem kreditircnden Laude in Gold oder Silber
ausgezahlt werden muß. Konnten diese beiden Aufgaben auf andre Weise erfüllt
werden, so stünde nichts im Wege, Smiths Rat zu befolgen und das große Rad
des Weltverkehrs ganz aus billigem Papier anzufertigen. Aus dieser Natur
des Geldes geht hervor, daß zwar eine fehlerhafte Konstruktion der Maschine,
eine falsche Währungspoltik sehr empfindliche Störungen im Verkehr hervor¬
bringen und einer Menge von Personen ihr Einkommen vorübergehend schmälern
kaun, wie das jetzt die Bürger der Vereinigten Staaten zu ihrem Schaden
erfahren müssen, daß aber Wachstum und Abnahme des Volksvermögens im
allgemeinen so wenig von der Währungspolitik abhängen können, wie etwa
die Obsternte vom Dezimal- oder Duodezimalmaß und das Gedeihen des Rind¬
viehs von der Beschaffenheit der Viehwaagen. Mögen übrigens die Theo¬
retiker der Doppelwährung die Sache auffassen, wie sie wollen, ihrem Heer¬
bann in den Parlamenten und in den politischen Parteien ist es nicht sowohl
um Silber- oder Doppelwährung, als um schlechte Währung zu thun. Denn
sie Preisen unaufhörlich die glückliche Lage der ungarischen und der russischen
Gutsbesitzer, denen ihre unterwcrtigen Gulden und Rubel die Dienste eines
Schutzzolls erwiesen. Dieses Vorteils können wir Reichsdeutschen mit der Zeit
auch bei Goldwährung teilhaftig werden, sobald unser Kredit so auf dem Hunde
sein wird wie der russische, worauf wir ja beim stattlichen Wachstum unsrer
Reichsschuld gegründete Aussicht haben. Wenn erst alle modernen Staaten
bankrott sein werden, dann wird jeder vor dem andern trefflich geschützt sein
und ganz allein für sich im Sumpfe umkommen, ohne von den übrigen be¬
lästigt zu werden.

Wie steht es aber mit dem angeblichen allgemeinen Preisfalle, den die
Goldwährung verschuldet haben soll, indem sie die verwendbare Menge der


Teuer und wohlfeil

und kehrt bisweilen mehr als einmal zu ein und derselben Person zurück. Ein
Manu kann 1000 Mark, Thaler oder Gulden Einkommen beziehen, ohne auch
nur ein einziges Mark-, Thaler- oder Guldenstück zu Gesicht zu bekommen,
wie das bei Naturalwirtschaft oder Papiergeldwirtschaft wohl vorkommt. Das
Geld ist also nicht das Einkommen, sondern es mißt nur die verschiednen
Euikommen, und es vermittelt sie. Geld, sagt Adam Smith, ist das große
Rad, das die Güter umtreibt. Er meint deshalb auch, es sei an und für sich
kein Grund vorhanden, dieses Rad aus einem so kostbaren Material anzu¬
fertigen, wie Gold und Silber sind, das billige Papier thue es auch; warum
sollte diese Maschine eine Ausnahme machen von der allgemeinen Regel, uach
der man alle Maschinen so billig wie möglich herstellt? Zu entbehren sind
freilich vorläufig Silber und Gold auch beim allgemeinen Gebrauch papierncr
Umlaufsmittel noch nicht. Denn ihr Vorrat in den Landesbanken ist es, der
dein Papiergelde Tauschkraft verleiht, und sie dienen dazu, die Bilanz im
internationalen Warenhandel Herzustellen, indem der Überschuß der Einfuhr
eines Landes über seine Ausfuhr dem kreditircnden Laude in Gold oder Silber
ausgezahlt werden muß. Konnten diese beiden Aufgaben auf andre Weise erfüllt
werden, so stünde nichts im Wege, Smiths Rat zu befolgen und das große Rad
des Weltverkehrs ganz aus billigem Papier anzufertigen. Aus dieser Natur
des Geldes geht hervor, daß zwar eine fehlerhafte Konstruktion der Maschine,
eine falsche Währungspoltik sehr empfindliche Störungen im Verkehr hervor¬
bringen und einer Menge von Personen ihr Einkommen vorübergehend schmälern
kaun, wie das jetzt die Bürger der Vereinigten Staaten zu ihrem Schaden
erfahren müssen, daß aber Wachstum und Abnahme des Volksvermögens im
allgemeinen so wenig von der Währungspolitik abhängen können, wie etwa
die Obsternte vom Dezimal- oder Duodezimalmaß und das Gedeihen des Rind¬
viehs von der Beschaffenheit der Viehwaagen. Mögen übrigens die Theo¬
retiker der Doppelwährung die Sache auffassen, wie sie wollen, ihrem Heer¬
bann in den Parlamenten und in den politischen Parteien ist es nicht sowohl
um Silber- oder Doppelwährung, als um schlechte Währung zu thun. Denn
sie Preisen unaufhörlich die glückliche Lage der ungarischen und der russischen
Gutsbesitzer, denen ihre unterwcrtigen Gulden und Rubel die Dienste eines
Schutzzolls erwiesen. Dieses Vorteils können wir Reichsdeutschen mit der Zeit
auch bei Goldwährung teilhaftig werden, sobald unser Kredit so auf dem Hunde
sein wird wie der russische, worauf wir ja beim stattlichen Wachstum unsrer
Reichsschuld gegründete Aussicht haben. Wenn erst alle modernen Staaten
bankrott sein werden, dann wird jeder vor dem andern trefflich geschützt sein
und ganz allein für sich im Sumpfe umkommen, ohne von den übrigen be¬
lästigt zu werden.

Wie steht es aber mit dem angeblichen allgemeinen Preisfalle, den die
Goldwährung verschuldet haben soll, indem sie die verwendbare Menge der


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[0597] Teuer und wohlfeil und kehrt bisweilen mehr als einmal zu ein und derselben Person zurück. Ein Manu kann 1000 Mark, Thaler oder Gulden Einkommen beziehen, ohne auch nur ein einziges Mark-, Thaler- oder Guldenstück zu Gesicht zu bekommen, wie das bei Naturalwirtschaft oder Papiergeldwirtschaft wohl vorkommt. Das Geld ist also nicht das Einkommen, sondern es mißt nur die verschiednen Euikommen, und es vermittelt sie. Geld, sagt Adam Smith, ist das große Rad, das die Güter umtreibt. Er meint deshalb auch, es sei an und für sich kein Grund vorhanden, dieses Rad aus einem so kostbaren Material anzu¬ fertigen, wie Gold und Silber sind, das billige Papier thue es auch; warum sollte diese Maschine eine Ausnahme machen von der allgemeinen Regel, uach der man alle Maschinen so billig wie möglich herstellt? Zu entbehren sind freilich vorläufig Silber und Gold auch beim allgemeinen Gebrauch papierncr Umlaufsmittel noch nicht. Denn ihr Vorrat in den Landesbanken ist es, der dein Papiergelde Tauschkraft verleiht, und sie dienen dazu, die Bilanz im internationalen Warenhandel Herzustellen, indem der Überschuß der Einfuhr eines Landes über seine Ausfuhr dem kreditircnden Laude in Gold oder Silber ausgezahlt werden muß. Konnten diese beiden Aufgaben auf andre Weise erfüllt werden, so stünde nichts im Wege, Smiths Rat zu befolgen und das große Rad des Weltverkehrs ganz aus billigem Papier anzufertigen. Aus dieser Natur des Geldes geht hervor, daß zwar eine fehlerhafte Konstruktion der Maschine, eine falsche Währungspoltik sehr empfindliche Störungen im Verkehr hervor¬ bringen und einer Menge von Personen ihr Einkommen vorübergehend schmälern kaun, wie das jetzt die Bürger der Vereinigten Staaten zu ihrem Schaden erfahren müssen, daß aber Wachstum und Abnahme des Volksvermögens im allgemeinen so wenig von der Währungspolitik abhängen können, wie etwa die Obsternte vom Dezimal- oder Duodezimalmaß und das Gedeihen des Rind¬ viehs von der Beschaffenheit der Viehwaagen. Mögen übrigens die Theo¬ retiker der Doppelwährung die Sache auffassen, wie sie wollen, ihrem Heer¬ bann in den Parlamenten und in den politischen Parteien ist es nicht sowohl um Silber- oder Doppelwährung, als um schlechte Währung zu thun. Denn sie Preisen unaufhörlich die glückliche Lage der ungarischen und der russischen Gutsbesitzer, denen ihre unterwcrtigen Gulden und Rubel die Dienste eines Schutzzolls erwiesen. Dieses Vorteils können wir Reichsdeutschen mit der Zeit auch bei Goldwährung teilhaftig werden, sobald unser Kredit so auf dem Hunde sein wird wie der russische, worauf wir ja beim stattlichen Wachstum unsrer Reichsschuld gegründete Aussicht haben. Wenn erst alle modernen Staaten bankrott sein werden, dann wird jeder vor dem andern trefflich geschützt sein und ganz allein für sich im Sumpfe umkommen, ohne von den übrigen be¬ lästigt zu werden. Wie steht es aber mit dem angeblichen allgemeinen Preisfalle, den die Goldwährung verschuldet haben soll, indem sie die verwendbare Menge der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/597>, abgerufen am 01.09.2024.