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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Mir Journalisten

insbesondre des Berliner Jvurnalistentums: die Exklusivität der jüdischen
Zeitmigen. Als seiner Zeit (fälschlich) behauptet wurde, die Bossische Zeitung
habe einen Redakteur wegen seines jüdische" Glaubens entlassen, erhob die
jüdische Presse ein Wutgeheul. Die jüdischen Blätter entlassen allerdings christ¬
liche Redakteure niemals, weil sie keine anstellen, selbst wenn der Chefredakteur
ein getaufter Jude ist. Ich bin kein Antisemit im Partcisiune, aber die zuneh¬
mende Überflutung der Presse mit jüdischen Elementen ist eine ernste Gefahr;
selbst die bescheidenste Auffassung von der Stellung und den Aufgaben der
Presse kann nicht verkennen, wie unsinnig es ist, wenn die tonangebenden
Blätter in den Händen von Leuten sind, die nun einmal, man sage, was man
will, Fremdlinge im Lande sind. Ich mochte den Grenzboten nicht deu Bor-
Wurf zuziehen, sie pflegten den Skandal, sonst konnte ich von dem Kliqueu-
weseu in der Berliner Presse trostlose Geschichten erzählen.

Wer die Entwicklung der Presse aufmerksam verfolgt, muß zu der Über¬
zeugung kommen, daß die geschilderten Verhältnisse von Jahr zu Jahr schlimmer
werden; je schroffere Formen der Kampf ums Dasein annimmt, desto stärker
wird der Anreiz eines Berufs, der keinerlei Schranken kennt und auch einem
bescheidnen Talent günstige Aussichten bietet. Wir brauchen uns nicht zu
wundern, wenn es nicht die beste" Elemente sind, die am stärksten angezogen
werden, sondern Leute, die in keinem andern Beruf etwas taugen, deren Ehr¬
begriffe teilweise schadhaft geworden sind, und denen für den neuen Beruf die
Hauptsache fehlt: die richtige Auffassung und das Gefühl der Verantwortlich¬
keit. Prostituirt dann diese Klasse von Leuten den Stand, zeigt sie sich ge-
sinnungslos, bestechlich, käuflich, so macheu wir alles mögliche dafür verant¬
wortlich, haben aber nicht den Mut und die Kraft, dem energisch entgegen¬
zutreten, daß mau unsern Stand als Nieselfeld der andern Berufe benutzt.
Und warum haben wir nicht die Kraft? Weil uns die Konkurrenz knebelt,
weil gerade in unserm Beruf ein wahnsinniger Kampf auf Leben und Tod,
eine tolle Hetzjagd tobt, auf der ein einziges Straucheln das Leben kostet --
über deu Gefallnen rasen die Nachfolgenden dahin. Aber es ist nicht nur der
Kampf nach außen, der das Standesgefühl lahmt, noch schlimmer ist der stete
Krieg, den der ehrenhafte Journalist mit sich selber zu führen gezwungen ist.
Sein Einsatz beim Erwerb sind seine Gedanken, seine Ansichten. Wehe
dem, der es nicht versteht, sie der Nachfrage anzupassen, wehe dem, der es
wagt, abseits zu stehen, bis ein Käufer kommt, der gerade die besondern
Ideen dieses Anbieters wünscht -- in neunundneunzig von hundert Fällen muß
er verhungern. Was thut also der Erfahrnere? Er schließt diese "besondern
Gedanken," die man auch Ueberzeugung nennt, in das hinterste Fach seines
Herzens und sucht so schnell als möglich -- de" Schlüssel dazu zu verlieren.
Mit dem übrigen Inhalt geht er Hausirer wie die andern, er verkauft sein
Denken an den Meistbietenden, nach dem Erfahrungssatz, daß es höchst un-


Mir Journalisten

insbesondre des Berliner Jvurnalistentums: die Exklusivität der jüdischen
Zeitmigen. Als seiner Zeit (fälschlich) behauptet wurde, die Bossische Zeitung
habe einen Redakteur wegen seines jüdische» Glaubens entlassen, erhob die
jüdische Presse ein Wutgeheul. Die jüdischen Blätter entlassen allerdings christ¬
liche Redakteure niemals, weil sie keine anstellen, selbst wenn der Chefredakteur
ein getaufter Jude ist. Ich bin kein Antisemit im Partcisiune, aber die zuneh¬
mende Überflutung der Presse mit jüdischen Elementen ist eine ernste Gefahr;
selbst die bescheidenste Auffassung von der Stellung und den Aufgaben der
Presse kann nicht verkennen, wie unsinnig es ist, wenn die tonangebenden
Blätter in den Händen von Leuten sind, die nun einmal, man sage, was man
will, Fremdlinge im Lande sind. Ich mochte den Grenzboten nicht deu Bor-
Wurf zuziehen, sie pflegten den Skandal, sonst konnte ich von dem Kliqueu-
weseu in der Berliner Presse trostlose Geschichten erzählen.

Wer die Entwicklung der Presse aufmerksam verfolgt, muß zu der Über¬
zeugung kommen, daß die geschilderten Verhältnisse von Jahr zu Jahr schlimmer
werden; je schroffere Formen der Kampf ums Dasein annimmt, desto stärker
wird der Anreiz eines Berufs, der keinerlei Schranken kennt und auch einem
bescheidnen Talent günstige Aussichten bietet. Wir brauchen uns nicht zu
wundern, wenn es nicht die beste» Elemente sind, die am stärksten angezogen
werden, sondern Leute, die in keinem andern Beruf etwas taugen, deren Ehr¬
begriffe teilweise schadhaft geworden sind, und denen für den neuen Beruf die
Hauptsache fehlt: die richtige Auffassung und das Gefühl der Verantwortlich¬
keit. Prostituirt dann diese Klasse von Leuten den Stand, zeigt sie sich ge-
sinnungslos, bestechlich, käuflich, so macheu wir alles mögliche dafür verant¬
wortlich, haben aber nicht den Mut und die Kraft, dem energisch entgegen¬
zutreten, daß mau unsern Stand als Nieselfeld der andern Berufe benutzt.
Und warum haben wir nicht die Kraft? Weil uns die Konkurrenz knebelt,
weil gerade in unserm Beruf ein wahnsinniger Kampf auf Leben und Tod,
eine tolle Hetzjagd tobt, auf der ein einziges Straucheln das Leben kostet —
über deu Gefallnen rasen die Nachfolgenden dahin. Aber es ist nicht nur der
Kampf nach außen, der das Standesgefühl lahmt, noch schlimmer ist der stete
Krieg, den der ehrenhafte Journalist mit sich selber zu führen gezwungen ist.
Sein Einsatz beim Erwerb sind seine Gedanken, seine Ansichten. Wehe
dem, der es nicht versteht, sie der Nachfrage anzupassen, wehe dem, der es
wagt, abseits zu stehen, bis ein Käufer kommt, der gerade die besondern
Ideen dieses Anbieters wünscht — in neunundneunzig von hundert Fällen muß
er verhungern. Was thut also der Erfahrnere? Er schließt diese „besondern
Gedanken," die man auch Ueberzeugung nennt, in das hinterste Fach seines
Herzens und sucht so schnell als möglich — de» Schlüssel dazu zu verlieren.
Mit dem übrigen Inhalt geht er Hausirer wie die andern, er verkauft sein
Denken an den Meistbietenden, nach dem Erfahrungssatz, daß es höchst un-


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[0565] Mir Journalisten insbesondre des Berliner Jvurnalistentums: die Exklusivität der jüdischen Zeitmigen. Als seiner Zeit (fälschlich) behauptet wurde, die Bossische Zeitung habe einen Redakteur wegen seines jüdische» Glaubens entlassen, erhob die jüdische Presse ein Wutgeheul. Die jüdischen Blätter entlassen allerdings christ¬ liche Redakteure niemals, weil sie keine anstellen, selbst wenn der Chefredakteur ein getaufter Jude ist. Ich bin kein Antisemit im Partcisiune, aber die zuneh¬ mende Überflutung der Presse mit jüdischen Elementen ist eine ernste Gefahr; selbst die bescheidenste Auffassung von der Stellung und den Aufgaben der Presse kann nicht verkennen, wie unsinnig es ist, wenn die tonangebenden Blätter in den Händen von Leuten sind, die nun einmal, man sage, was man will, Fremdlinge im Lande sind. Ich mochte den Grenzboten nicht deu Bor- Wurf zuziehen, sie pflegten den Skandal, sonst konnte ich von dem Kliqueu- weseu in der Berliner Presse trostlose Geschichten erzählen. Wer die Entwicklung der Presse aufmerksam verfolgt, muß zu der Über¬ zeugung kommen, daß die geschilderten Verhältnisse von Jahr zu Jahr schlimmer werden; je schroffere Formen der Kampf ums Dasein annimmt, desto stärker wird der Anreiz eines Berufs, der keinerlei Schranken kennt und auch einem bescheidnen Talent günstige Aussichten bietet. Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn es nicht die beste» Elemente sind, die am stärksten angezogen werden, sondern Leute, die in keinem andern Beruf etwas taugen, deren Ehr¬ begriffe teilweise schadhaft geworden sind, und denen für den neuen Beruf die Hauptsache fehlt: die richtige Auffassung und das Gefühl der Verantwortlich¬ keit. Prostituirt dann diese Klasse von Leuten den Stand, zeigt sie sich ge- sinnungslos, bestechlich, käuflich, so macheu wir alles mögliche dafür verant¬ wortlich, haben aber nicht den Mut und die Kraft, dem energisch entgegen¬ zutreten, daß mau unsern Stand als Nieselfeld der andern Berufe benutzt. Und warum haben wir nicht die Kraft? Weil uns die Konkurrenz knebelt, weil gerade in unserm Beruf ein wahnsinniger Kampf auf Leben und Tod, eine tolle Hetzjagd tobt, auf der ein einziges Straucheln das Leben kostet — über deu Gefallnen rasen die Nachfolgenden dahin. Aber es ist nicht nur der Kampf nach außen, der das Standesgefühl lahmt, noch schlimmer ist der stete Krieg, den der ehrenhafte Journalist mit sich selber zu führen gezwungen ist. Sein Einsatz beim Erwerb sind seine Gedanken, seine Ansichten. Wehe dem, der es nicht versteht, sie der Nachfrage anzupassen, wehe dem, der es wagt, abseits zu stehen, bis ein Käufer kommt, der gerade die besondern Ideen dieses Anbieters wünscht — in neunundneunzig von hundert Fällen muß er verhungern. Was thut also der Erfahrnere? Er schließt diese „besondern Gedanken," die man auch Ueberzeugung nennt, in das hinterste Fach seines Herzens und sucht so schnell als möglich — de» Schlüssel dazu zu verlieren. Mit dem übrigen Inhalt geht er Hausirer wie die andern, er verkauft sein Denken an den Meistbietenden, nach dem Erfahrungssatz, daß es höchst un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/565>, abgerufen am 24.11.2024.