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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Indische Zustände

geben, auf die es heute namentlich in Deutschland mehr als jemals an-
kommt.

Wenn ich mir also von der Anwendung der Bodenbesitzrefvrm auf das
ländliche Grundeigentum kein Heil verspreche, so stehe ich doch nicht an, zu
bekennen, daß die Reformpläne für den städtischen Grund und Boden, der nicht
in dem Sinne wie der ländliche als ein Arbeitsmittel angesehen werden kann,
zum Teil Bedeutung haben. Der bekannte Antrag des Oberbürgermeisters von
Frankfurt im preußischen Herrenhause, sowie die allgemeine Anerkennung des
Satzes, daß den Gemeinden das Recht zustehen soll, beim Verkauf städtischer
Immobilien eine besondre Abgabe zu erhebeu, erscheinen mir als die Vorboten
einer neuen Ausfassung, und wer sich um das Barometer der öffentlichen
Meinung kümmert, wird erkennen, daß Änderungen in dem, was jetzt gegen¬
über dem städtischen Grundbesitz als Recht gilt, in der Luft liegen. Zu pro¬
phezeien, wie weit diese Umgestaltung gehen wird, liegt hier außerhalb meiner
Aufgabe.

Während ich diese Sätze niederschreibe, veröffentlicht der Führer der
deutschen Vodeureforinbeweguug einen Bericht über die Wahrnehmungen, die
er vor kurzem in dem "Zukunftsstaat" Libertad gemacht hat; Libertad --
so nennt sich eine Ackerbaukolouie im nordwestlichen Mexiko, die nach den
Grundsätzen der deutschen Reformpartei eingerichtet worden ist, und für die
Flürscheim selbst eine Verfassung ausgearbeitet hat. Da sich Flürscheim
nächstens mit einem Aufruf an deutsche Auswandrer zu wenden gedenkt, einst¬
weilen jedoch die Entwicklung der Kolonie noch einige Monate abwarten will,
so will auch ich, bevor ich diesen Zukunftsstaat ein minig-durs den Lesern vor¬
führe, erst jenen Aufruf abwarten.


Johannes Are" her
Indische Zustände

as weite Gebiet zwischen dem Himalaja und dem Kap Komorin.
vom Thale des Indus bis zu dem des Jrawadi, steht in po¬
litischer Abhängigkeit von einer kleinen Insel des Atlantischen
Ozeans. All die verschiednen Völkermassen, Hindus und Mu-
hammedaner, Sikhs und Buddhisten, Bengalis und Marathcn,
Tamulen und Sandalen einen sich in dem Gehorsam vor einem europäische"
Volke. Die Königin von England trägt die Krone der Großmoguln und bestellt


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geben, auf die es heute namentlich in Deutschland mehr als jemals an-
kommt.

Wenn ich mir also von der Anwendung der Bodenbesitzrefvrm auf das
ländliche Grundeigentum kein Heil verspreche, so stehe ich doch nicht an, zu
bekennen, daß die Reformpläne für den städtischen Grund und Boden, der nicht
in dem Sinne wie der ländliche als ein Arbeitsmittel angesehen werden kann,
zum Teil Bedeutung haben. Der bekannte Antrag des Oberbürgermeisters von
Frankfurt im preußischen Herrenhause, sowie die allgemeine Anerkennung des
Satzes, daß den Gemeinden das Recht zustehen soll, beim Verkauf städtischer
Immobilien eine besondre Abgabe zu erhebeu, erscheinen mir als die Vorboten
einer neuen Ausfassung, und wer sich um das Barometer der öffentlichen
Meinung kümmert, wird erkennen, daß Änderungen in dem, was jetzt gegen¬
über dem städtischen Grundbesitz als Recht gilt, in der Luft liegen. Zu pro¬
phezeien, wie weit diese Umgestaltung gehen wird, liegt hier außerhalb meiner
Aufgabe.

Während ich diese Sätze niederschreibe, veröffentlicht der Führer der
deutschen Vodeureforinbeweguug einen Bericht über die Wahrnehmungen, die
er vor kurzem in dem „Zukunftsstaat" Libertad gemacht hat; Libertad —
so nennt sich eine Ackerbaukolouie im nordwestlichen Mexiko, die nach den
Grundsätzen der deutschen Reformpartei eingerichtet worden ist, und für die
Flürscheim selbst eine Verfassung ausgearbeitet hat. Da sich Flürscheim
nächstens mit einem Aufruf an deutsche Auswandrer zu wenden gedenkt, einst¬
weilen jedoch die Entwicklung der Kolonie noch einige Monate abwarten will,
so will auch ich, bevor ich diesen Zukunftsstaat ein minig-durs den Lesern vor¬
führe, erst jenen Aufruf abwarten.


Johannes Are» her
Indische Zustände

as weite Gebiet zwischen dem Himalaja und dem Kap Komorin.
vom Thale des Indus bis zu dem des Jrawadi, steht in po¬
litischer Abhängigkeit von einer kleinen Insel des Atlantischen
Ozeans. All die verschiednen Völkermassen, Hindus und Mu-
hammedaner, Sikhs und Buddhisten, Bengalis und Marathcn,
Tamulen und Sandalen einen sich in dem Gehorsam vor einem europäische»
Volke. Die Königin von England trägt die Krone der Großmoguln und bestellt


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[0551] Indische Zustände geben, auf die es heute namentlich in Deutschland mehr als jemals an- kommt. Wenn ich mir also von der Anwendung der Bodenbesitzrefvrm auf das ländliche Grundeigentum kein Heil verspreche, so stehe ich doch nicht an, zu bekennen, daß die Reformpläne für den städtischen Grund und Boden, der nicht in dem Sinne wie der ländliche als ein Arbeitsmittel angesehen werden kann, zum Teil Bedeutung haben. Der bekannte Antrag des Oberbürgermeisters von Frankfurt im preußischen Herrenhause, sowie die allgemeine Anerkennung des Satzes, daß den Gemeinden das Recht zustehen soll, beim Verkauf städtischer Immobilien eine besondre Abgabe zu erhebeu, erscheinen mir als die Vorboten einer neuen Ausfassung, und wer sich um das Barometer der öffentlichen Meinung kümmert, wird erkennen, daß Änderungen in dem, was jetzt gegen¬ über dem städtischen Grundbesitz als Recht gilt, in der Luft liegen. Zu pro¬ phezeien, wie weit diese Umgestaltung gehen wird, liegt hier außerhalb meiner Aufgabe. Während ich diese Sätze niederschreibe, veröffentlicht der Führer der deutschen Vodeureforinbeweguug einen Bericht über die Wahrnehmungen, die er vor kurzem in dem „Zukunftsstaat" Libertad gemacht hat; Libertad — so nennt sich eine Ackerbaukolouie im nordwestlichen Mexiko, die nach den Grundsätzen der deutschen Reformpartei eingerichtet worden ist, und für die Flürscheim selbst eine Verfassung ausgearbeitet hat. Da sich Flürscheim nächstens mit einem Aufruf an deutsche Auswandrer zu wenden gedenkt, einst¬ weilen jedoch die Entwicklung der Kolonie noch einige Monate abwarten will, so will auch ich, bevor ich diesen Zukunftsstaat ein minig-durs den Lesern vor¬ führe, erst jenen Aufruf abwarten. Johannes Are» her Indische Zustände as weite Gebiet zwischen dem Himalaja und dem Kap Komorin. vom Thale des Indus bis zu dem des Jrawadi, steht in po¬ litischer Abhängigkeit von einer kleinen Insel des Atlantischen Ozeans. All die verschiednen Völkermassen, Hindus und Mu- hammedaner, Sikhs und Buddhisten, Bengalis und Marathcn, Tamulen und Sandalen einen sich in dem Gehorsam vor einem europäische» Volke. Die Königin von England trägt die Krone der Großmoguln und bestellt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/551>, abgerufen am 23.11.2024.