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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Jur Beurteilung der Bodeureforinbestrebuugeu

das Gelände zwischen der alten und der neuen Umwallung der Festung Köln
erfahren hat, nicht als das Verdienst der einzelnen Besitzer aufgefaßt werden
kaun, sondern als die Wirkung des Fortschritts, den die Stadt als solche
dank ihrer günstigen Lage, ihrer umsichtigen Verwaltung und der Rührigkeit
ihrer Bürgerschaft gemacht hat.

Indem nun die deutscheu Reformer das bis jetzt auf Grund der be¬
stehenden Gesetze erworbne Eigentum anerkennen, verlangen sie, daß in Zukunft
jede Wertsteigernug des Bodens den Händen der Privaten entzogen, das Land
selbst durch Kauf allmählich in den Besitz der Gesamtheit gebracht werden
solle. Es bedarf wohl vor deutschen Lesern keiner längern Auseinandersetzung
darüber, daß Flürscheim wohl daran gethan hat, die radikalen Borschläge
Georges nicht in ihrem ganzen Umfange anzunehmen. Ihre Ausführung be¬
deutet für das deutsche Rechtsbewußtsein ein Unrecht, das jede daraus her¬
vorgehende Neugestaltung und Neuordnung in der Wurzel vergifte" würde.
Im Grunde genommen ist der, dessen Grundstück im Werte steigt, in einer
ähnlichen Lage wie einer, der an einem günstigen Punkte eine Windmühle
aufstellt: wie diesem eine Naturkraft, so bringt jenem die Wirkung eines wirt¬
schaftlichen Gesetzes Gewinn. Außerdem wäre es eine seltsame Rechtsernenernng,
wenn mau zwar dem nngeublicklicheu Besitzer, der vielleicht erst seit kurzer
Zeit den Ertrag langjähriger Arbeit zum Erwerb von Grund und Boden
verwandt hat, das Fell abziehen, dagegen den, der früher aus dem Grund¬
besitz Vorteile gezogen und nun beizeiten sein Schäfchen ins Trockne ge¬
bracht hat, ungeschoren lassen wollte. Stimmen wir also mit Flürscheim in
seiner ablehnenden Haltung gegenüber der amerikanischen Reformpartei überein,
so haben wir nun seinen positiven Vorschlag zu prüfen, wonach von jetzt an
jede Wertsteigerung des Grund und Vvdeus in die öffentlichen Kassen fließen
soll. Die Inkonsequenz, die darin liegt, daß das, was mau nach der Lage
der Dinge bis heute als Recht anerkennen muß, von morgen an als Unrecht
gelten soll, liegt auf der Hand. Doch wir gehen darüber hinweg, denn auf
unserm Wege liegen noch größere Steine.

Da die Ausführung des Planes die allgemeine Festsetzung des augen¬
blicklichen Bodenwertes erfordert, so fragen wir zunächst, wer diese vornehmen
soll. Der Staat? Als künftiger Käufer wäre er an den festgesetzten Preis
gebunden, sodaß er ein natürliches Interesse daran hätte, den Wert der Grund¬
stücke zu drücke". Die gegenwärtigen Besitzer? Das würden schöne Preise
werden! Eine gemischte Kommission also? Nein, für so naiv halte ich die
Leser nicht, daß sie von dieser Brutstätte von Beschlüssen, die nachher ans
dem Papiere stehen bleiben, in einer Frage wie der vorliegenden die
Losung erwarten sollten. Doch halt, es giebt noch einen Ausweg! Man
kann durch ein Reichsgesetz -- denn was erwartet man nicht heute alles von
Gesetzen! -- die bei der Steuer vorliegenden Schätzungen oder die letzten,


Jur Beurteilung der Bodeureforinbestrebuugeu

das Gelände zwischen der alten und der neuen Umwallung der Festung Köln
erfahren hat, nicht als das Verdienst der einzelnen Besitzer aufgefaßt werden
kaun, sondern als die Wirkung des Fortschritts, den die Stadt als solche
dank ihrer günstigen Lage, ihrer umsichtigen Verwaltung und der Rührigkeit
ihrer Bürgerschaft gemacht hat.

Indem nun die deutscheu Reformer das bis jetzt auf Grund der be¬
stehenden Gesetze erworbne Eigentum anerkennen, verlangen sie, daß in Zukunft
jede Wertsteigernug des Bodens den Händen der Privaten entzogen, das Land
selbst durch Kauf allmählich in den Besitz der Gesamtheit gebracht werden
solle. Es bedarf wohl vor deutschen Lesern keiner längern Auseinandersetzung
darüber, daß Flürscheim wohl daran gethan hat, die radikalen Borschläge
Georges nicht in ihrem ganzen Umfange anzunehmen. Ihre Ausführung be¬
deutet für das deutsche Rechtsbewußtsein ein Unrecht, das jede daraus her¬
vorgehende Neugestaltung und Neuordnung in der Wurzel vergifte» würde.
Im Grunde genommen ist der, dessen Grundstück im Werte steigt, in einer
ähnlichen Lage wie einer, der an einem günstigen Punkte eine Windmühle
aufstellt: wie diesem eine Naturkraft, so bringt jenem die Wirkung eines wirt¬
schaftlichen Gesetzes Gewinn. Außerdem wäre es eine seltsame Rechtsernenernng,
wenn mau zwar dem nngeublicklicheu Besitzer, der vielleicht erst seit kurzer
Zeit den Ertrag langjähriger Arbeit zum Erwerb von Grund und Boden
verwandt hat, das Fell abziehen, dagegen den, der früher aus dem Grund¬
besitz Vorteile gezogen und nun beizeiten sein Schäfchen ins Trockne ge¬
bracht hat, ungeschoren lassen wollte. Stimmen wir also mit Flürscheim in
seiner ablehnenden Haltung gegenüber der amerikanischen Reformpartei überein,
so haben wir nun seinen positiven Vorschlag zu prüfen, wonach von jetzt an
jede Wertsteigerung des Grund und Vvdeus in die öffentlichen Kassen fließen
soll. Die Inkonsequenz, die darin liegt, daß das, was mau nach der Lage
der Dinge bis heute als Recht anerkennen muß, von morgen an als Unrecht
gelten soll, liegt auf der Hand. Doch wir gehen darüber hinweg, denn auf
unserm Wege liegen noch größere Steine.

Da die Ausführung des Planes die allgemeine Festsetzung des augen¬
blicklichen Bodenwertes erfordert, so fragen wir zunächst, wer diese vornehmen
soll. Der Staat? Als künftiger Käufer wäre er an den festgesetzten Preis
gebunden, sodaß er ein natürliches Interesse daran hätte, den Wert der Grund¬
stücke zu drücke». Die gegenwärtigen Besitzer? Das würden schöne Preise
werden! Eine gemischte Kommission also? Nein, für so naiv halte ich die
Leser nicht, daß sie von dieser Brutstätte von Beschlüssen, die nachher ans
dem Papiere stehen bleiben, in einer Frage wie der vorliegenden die
Losung erwarten sollten. Doch halt, es giebt noch einen Ausweg! Man
kann durch ein Reichsgesetz — denn was erwartet man nicht heute alles von
Gesetzen! — die bei der Steuer vorliegenden Schätzungen oder die letzten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/540>, abgerufen am 28.07.2024.