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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Lhcirles Kingsley als Dichter und Sozialrefonuer

manchmal drei Tage und Nächte ohne Nahrung aushalten können, und darum
tragen es die Indianer stets auf ihren Kriegszügen bei sich. Kein Wunder,
es ist das Beste unter allem Guten, was Gott geschaffen hat. Es ist des
einsamen Mannes Gesellschafter, des Alleinstehenden Freund, die Nahrung des
Hungrigen, der Trost des Betrübten, des Wächters Schlaf, des Erstarrten
Feuer. Selbst bei Verwundung, bei Magenkrampf und Gliederreißen kann man
unter dem weiten Himmelsgewölbe kein besseres Mittel finden als dieses Kraut."

Wie Kingsley in L^xcckm den Sieg des Christentums über das Heidentum
darstellt, so feiert er in VöslvMÄ Ho! die triumphirende Macht des prote¬
stantischen Geistes über den Katholizismus und das Jesuitentum. Und wie
er in H^Meis, seinen Zeitgenossen das Christentum der Liebe vor Augen hält,
das nichts zu schaffen hat mit mönchischer Weltflucht und Askese, so ruft er
in ^Vo8ton,ra Ho! den damals im Krimkriege kümpfeuden Engländern zu: "Seid
so bieder und gottesfürchtig, wie es die Helden zur Zeit der Königin Elisabeth
waren, und der Sieg ist euer!" Der Krimkrieg kostete den Engländern viel
Blut und brachte in Tausende von Familien Kummer und Herzeleid. Aber
Kingsley begrüßte diese Prüfungen als einen Segen für England, als eine
Macht, die die selbstgerechten, höhern Klassen aus ihrem üppigen Dasein
und ihrem leichtfertigen Sportslcben herausreißen sollte. Er schrieb damals auch
eine Flugschrift Lravs ^oräs to Lrsvs Zoläivrs s,v<1 Lailors, die zu taufenden
gedruckt und unter die Soldaten im Krimkriege verteilt wurde. "Dem englischen
Soldaten -- sagt er in einem Briefe -- fehlt eine Volksreligion (a will-
tar/ auel oorxorg-es füret imlioiml rsliZ'inen), die muß er erst noch bekommen,
und ich hoffe, sie ihm in meiner Schrift zu geben. Diese Religion hatten
Cromwells Eisenmänner, und damit wurden sie Sieger. Diese Religion hatten
die Helden Elisabeths, und damit schlugen sie die Armada."

Der Krimkrieg spielt auch noch in seinen im Jahre 1857 erschienenen
Roman Ivo ^<ZM hinein (I'Äuvllnit/ lüäiticm. Übersetzt von M. Bau¬
mann. Gotha, Perthes, 1891). Hier spinnt Kingsley die Fäden seiner sozialen
Romane ^sg-se und ^.Itou Iivelco weiter. Alle wirtschaftlichen, religiösen und
gesellschaftlichen Fragen, deren Lösung die christlichen Sozialisten anstrebten,
erscheinen noch einmal in 'Iwo Dabei sucht Kingsley die Reformer
und Volksfreunde noch nach einer andern Seite zu lenken, nämlich auf die
sanitäre Lage der englischen Bevölkerung. In einem Briefe aus dem Jahre
1857 schreibt er: "Ich sehe, ein Werk muß uoch gethan werden, ehe ich sterbe.
Man muß der Natur so entgegenarbeiten, daß sie sich nicht als Fluch und
Vernichtung erweist, sondern als Segen und als unsre Mutter; und das kann
geschehen durch Gesundheitsreform. Die Politik und die Wirtschaftslehre mögen
jetzt meinetwegen ihre Bahn gehen. Wenn ich für meine Person nur dabei
helfen kann, ein paar tausend Arbeitern und ihren Kindern das Leben zu retten,
so kann ich mir dadurch Gottes Segen verdienen."


Lhcirles Kingsley als Dichter und Sozialrefonuer

manchmal drei Tage und Nächte ohne Nahrung aushalten können, und darum
tragen es die Indianer stets auf ihren Kriegszügen bei sich. Kein Wunder,
es ist das Beste unter allem Guten, was Gott geschaffen hat. Es ist des
einsamen Mannes Gesellschafter, des Alleinstehenden Freund, die Nahrung des
Hungrigen, der Trost des Betrübten, des Wächters Schlaf, des Erstarrten
Feuer. Selbst bei Verwundung, bei Magenkrampf und Gliederreißen kann man
unter dem weiten Himmelsgewölbe kein besseres Mittel finden als dieses Kraut."

Wie Kingsley in L^xcckm den Sieg des Christentums über das Heidentum
darstellt, so feiert er in VöslvMÄ Ho! die triumphirende Macht des prote¬
stantischen Geistes über den Katholizismus und das Jesuitentum. Und wie
er in H^Meis, seinen Zeitgenossen das Christentum der Liebe vor Augen hält,
das nichts zu schaffen hat mit mönchischer Weltflucht und Askese, so ruft er
in ^Vo8ton,ra Ho! den damals im Krimkriege kümpfeuden Engländern zu: „Seid
so bieder und gottesfürchtig, wie es die Helden zur Zeit der Königin Elisabeth
waren, und der Sieg ist euer!" Der Krimkrieg kostete den Engländern viel
Blut und brachte in Tausende von Familien Kummer und Herzeleid. Aber
Kingsley begrüßte diese Prüfungen als einen Segen für England, als eine
Macht, die die selbstgerechten, höhern Klassen aus ihrem üppigen Dasein
und ihrem leichtfertigen Sportslcben herausreißen sollte. Er schrieb damals auch
eine Flugschrift Lravs ^oräs to Lrsvs Zoläivrs s,v<1 Lailors, die zu taufenden
gedruckt und unter die Soldaten im Krimkriege verteilt wurde. „Dem englischen
Soldaten — sagt er in einem Briefe — fehlt eine Volksreligion (a will-
tar/ auel oorxorg-es füret imlioiml rsliZ'inen), die muß er erst noch bekommen,
und ich hoffe, sie ihm in meiner Schrift zu geben. Diese Religion hatten
Cromwells Eisenmänner, und damit wurden sie Sieger. Diese Religion hatten
die Helden Elisabeths, und damit schlugen sie die Armada."

Der Krimkrieg spielt auch noch in seinen im Jahre 1857 erschienenen
Roman Ivo ^<ZM hinein (I'Äuvllnit/ lüäiticm. Übersetzt von M. Bau¬
mann. Gotha, Perthes, 1891). Hier spinnt Kingsley die Fäden seiner sozialen
Romane ^sg-se und ^.Itou Iivelco weiter. Alle wirtschaftlichen, religiösen und
gesellschaftlichen Fragen, deren Lösung die christlichen Sozialisten anstrebten,
erscheinen noch einmal in 'Iwo Dabei sucht Kingsley die Reformer
und Volksfreunde noch nach einer andern Seite zu lenken, nämlich auf die
sanitäre Lage der englischen Bevölkerung. In einem Briefe aus dem Jahre
1857 schreibt er: „Ich sehe, ein Werk muß uoch gethan werden, ehe ich sterbe.
Man muß der Natur so entgegenarbeiten, daß sie sich nicht als Fluch und
Vernichtung erweist, sondern als Segen und als unsre Mutter; und das kann
geschehen durch Gesundheitsreform. Die Politik und die Wirtschaftslehre mögen
jetzt meinetwegen ihre Bahn gehen. Wenn ich für meine Person nur dabei
helfen kann, ein paar tausend Arbeitern und ihren Kindern das Leben zu retten,
so kann ich mir dadurch Gottes Segen verdienen."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/527>, abgerufen am 24.11.2024.