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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Bilder aus dem Westen

nehme Familien, die die Räume in ihren Palästen richtig benutzen, wo die
Töchter wirklich musiziren und nicht Pferde putzen, wo die Söhne wirklich
Sport treiben und nicht mit den Niggern und Cowboys hinter den Ställen
herumlungern. Wo das aber der Fall ist, da hat es lange Zeit gekostet, das
einzuführen, denn Lölkmgclsinen sind sie doch fast alle, und die schwieligen
Hände passen selten zu Kunst und Wissenschaft. Erbt den guten Geschmack
der Sohn, so hält sich allenfalls noch durch eine Generation ein Schein
von Vornehmheit aufrecht. Meist kommt aber alles schon früher unter
den Hammer. Doch je mehr dieses verbohrte Knownothingtum, das nichts
von der Welt über seinen Horizont hinaus wissen, will, die große Masse be¬
fangen hält, um so kräftiger sind die Anstrengungen der Ausnahmen, die sich
davon loszumachen suchen. Der Amerikaner hat eine Feuerseele. Hat sich
bei ihm ein Gedanke zur Klarheit durchgerungen, so verfolgt er ihn mit einer
Energie ohne gleichen. Erfaßt er ein Studium mit Lust und Interesse,
so arbeitet er sich darin doppelt so schnell vorwärts als jeder andre, Tag
und Nacht ist er dabei mit einem Eifer, ja einem Fanatismus, der bis zum
Unsinn gehen kann.

Fast jede Familie, und wenn sie noch so sehr in der eben geschilderten
abgeschmackten Lebensart befangen sein mag, hat näher oder ferner ein Mit¬
glied, das auf diese Weise eine glänzende Ausnahme macht.

Die Mehrzahl dieser über das niedrige Durchschnittsniveau hervor¬
ragenden gehört dem neuen Zukunftsklnb, der Nationalunion an, die monat¬
liche Zusammenkünfte in dem elegantesten Kasino der Stadt hält und für die
Verwirklichung der Gedanken Vellamhs agitirt. In diesem Klub hatte ich,
dank der schon erwähnten Einführung, Gelegenheit, die geistige Blüte der Ge¬
sellschaft kennen zu lernen.

Man kommt hier nach englischem Muster abends im untadelhafter Ge-
sellschaftsanznge zusammen zu einem Vortrage und einer darauf folgenden
Unterhaltung bei einigen Erfrischungen. Hier hört man nur Leute sprechen,
denen das ernste Denken auf der Stirn geschrieben steht. Man erstaunt über
die Tiefe und Wucht der Gedanken, man vermutet sie uicht hinter den oft so
närrischen Außenseiten der amerikanischen Gesellschaft. Hatte ich schon in der
medizinischen Gesellschaft zu meiner freudigen Verwunderung einige Leute kennen
lernen, die die ganze Welt durchreist, sich bei den Universitätslehrern Frank¬
reichs, Englands und Deutschlands theoretisch und besonders praktisch gebildet
hatten und Kenntnisse und Fertigkeiten in der Bakterienbehandlnng besaßen, um
die sie mancher deutsche Arzt hätte beneiden können, so erschrak ich fast vor
der Unerbittlichkeit der Logik, mit der diese Redner und Nednerinnen im Na>-
tivualunionklub die Konsequenzen unsrer konventionellen Lügen zogen, in einer
Weise, die in Deutschland höchstens in streng wissenschaftlichen Abhandlungen
vorkommen dürfte, die aber in öffentlichen Bersammlnngen vor der Welt zu


Bilder aus dem Westen

nehme Familien, die die Räume in ihren Palästen richtig benutzen, wo die
Töchter wirklich musiziren und nicht Pferde putzen, wo die Söhne wirklich
Sport treiben und nicht mit den Niggern und Cowboys hinter den Ställen
herumlungern. Wo das aber der Fall ist, da hat es lange Zeit gekostet, das
einzuführen, denn Lölkmgclsinen sind sie doch fast alle, und die schwieligen
Hände passen selten zu Kunst und Wissenschaft. Erbt den guten Geschmack
der Sohn, so hält sich allenfalls noch durch eine Generation ein Schein
von Vornehmheit aufrecht. Meist kommt aber alles schon früher unter
den Hammer. Doch je mehr dieses verbohrte Knownothingtum, das nichts
von der Welt über seinen Horizont hinaus wissen, will, die große Masse be¬
fangen hält, um so kräftiger sind die Anstrengungen der Ausnahmen, die sich
davon loszumachen suchen. Der Amerikaner hat eine Feuerseele. Hat sich
bei ihm ein Gedanke zur Klarheit durchgerungen, so verfolgt er ihn mit einer
Energie ohne gleichen. Erfaßt er ein Studium mit Lust und Interesse,
so arbeitet er sich darin doppelt so schnell vorwärts als jeder andre, Tag
und Nacht ist er dabei mit einem Eifer, ja einem Fanatismus, der bis zum
Unsinn gehen kann.

Fast jede Familie, und wenn sie noch so sehr in der eben geschilderten
abgeschmackten Lebensart befangen sein mag, hat näher oder ferner ein Mit¬
glied, das auf diese Weise eine glänzende Ausnahme macht.

Die Mehrzahl dieser über das niedrige Durchschnittsniveau hervor¬
ragenden gehört dem neuen Zukunftsklnb, der Nationalunion an, die monat¬
liche Zusammenkünfte in dem elegantesten Kasino der Stadt hält und für die
Verwirklichung der Gedanken Vellamhs agitirt. In diesem Klub hatte ich,
dank der schon erwähnten Einführung, Gelegenheit, die geistige Blüte der Ge¬
sellschaft kennen zu lernen.

Man kommt hier nach englischem Muster abends im untadelhafter Ge-
sellschaftsanznge zusammen zu einem Vortrage und einer darauf folgenden
Unterhaltung bei einigen Erfrischungen. Hier hört man nur Leute sprechen,
denen das ernste Denken auf der Stirn geschrieben steht. Man erstaunt über
die Tiefe und Wucht der Gedanken, man vermutet sie uicht hinter den oft so
närrischen Außenseiten der amerikanischen Gesellschaft. Hatte ich schon in der
medizinischen Gesellschaft zu meiner freudigen Verwunderung einige Leute kennen
lernen, die die ganze Welt durchreist, sich bei den Universitätslehrern Frank¬
reichs, Englands und Deutschlands theoretisch und besonders praktisch gebildet
hatten und Kenntnisse und Fertigkeiten in der Bakterienbehandlnng besaßen, um
die sie mancher deutsche Arzt hätte beneiden können, so erschrak ich fast vor
der Unerbittlichkeit der Logik, mit der diese Redner und Nednerinnen im Na>-
tivualunionklub die Konsequenzen unsrer konventionellen Lügen zogen, in einer
Weise, die in Deutschland höchstens in streng wissenschaftlichen Abhandlungen
vorkommen dürfte, die aber in öffentlichen Bersammlnngen vor der Welt zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/52>, abgerufen am 24.11.2024.