Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

gestattet worden ist. schlimmstenfalls muß er durch gerichtliches Verfahren
erzwungen werden.

1r0U86 i8 ogMs, sagt die amerikanische Hausfrau, stolz wie eine
Königin auf ihr Heim, ihre üssülsnoe, wie sie es gern nennt, wenn sie es
auch nur für ein Paar Monate inne hat, um dann wieder an einem andern
Geschäftsplatze ihr Glück zu versuchen.

Sie kann auch stolz sein auf ihr umfriedigtes Heim, denn da ist nie¬
mand, der es wagen dürfte, sie merken zu lassen, daß er in seinem Heim
mehr sei, mehr vorstelle, mehr sein wolle, ob das nun mehr kostet oder
weniger, ob es hübscher oder weniger hübsch ist. Und käme der Präsident
der Vereinigten Staaten an ihrer baumumrauschten kleinen Eingangsthür vor¬
bei, sie würde sich zwar freuen, ihm als Ebenbürtige an ihrem Kamin
die Hand zu schütteln, würde ihn nach seiner Frau und seinen Kindern
fragen, aber sie würde sich nicht vor ihm beugen, und wenn er glaubte, er
dürfe sie von oben herab behandeln, so würde sie ihm die Thür weisen. Das
ist das Recht, das mit jeder Amerikanerin und mit jedem Amerikaner geboren
ist, das Recht, Mensch zu sein, sich dem Höchsten gleich zu betrachten. Dies
Selbstbewußtsein verläßt den Amerikaner nie. Bei diesem Selbstbewußtsein
der Sinn für Traulichkeit in der Einrichtung des Hauses und das Aufgehen
in seir>)"< Kindern, das zusammen müßte eigentlich die glücklichsten Menschen
machen, wenn nur nicht die Geldjagd das ganze Dasein in Anspruch nähme!

Eben wurde drüben, jenseits der noch ungepflasterten Fahrstraße, an einem
niedlichen Gartenhäuschen, ans dem ein paar Möbel herausgetragen wurden,
die rote Fahne befestigt. Die rote Fahne bedeutet -- Auktion. Eine große
Krähe flatterte von einem alten Eichbaum herunter, und wie auf ein gegebnes
Zeichen folgten ihr viele aus allen Windrichtungen in das kleine Eichendickicht,
wo sie wahrscheinlich einen Leckerbissen aufgefunden hatten. Und wie die
Krähen, so versammelten sich in wenigen Minuten vor der aufgehängten roten
Fahne Neugierige, die die Möbel derer kaufen wollten, die eben auszogen,
denen es also wohl hier nicht hatte glücken wollen.

Ja, wenn man der Sache auf den Grund blickt, grinst einem auch hier
nichts entgegen als Dollarjagd! Wie soll sich damit Glück und Behagen
vereinen? Wird dabei nicht der Mann zur gedankenlosen Arbeitsmaschine?
Von einem Beruf zum andern umspringen, fortwährend alles aufs Spiel
setzen, sich selbst, sein ganzes Familienglück, bedeutet dieses Glücksspiel nicht
Verlust jedes Glückes? Denn welcher Halt bleibt noch in der Seele eines
ewig gehetzten Mannes, der sein Leben als verloren ansieht, wenn er es
nicht bis zu einer halben Million oder doch zu Hunderttausenden gebracht
hat? Diese Geldjagd bei dem Mangel an tieferer Bildung macht die Männer,
während die Frauen die Königinnen spielen wollen, zu deren Handlangern und
Arbeitsknechten. Für alles Technische haben sie viel Sinn, aber zu der Höhe


Grenzboten III 1393 l;

gestattet worden ist. schlimmstenfalls muß er durch gerichtliches Verfahren
erzwungen werden.

1r0U86 i8 ogMs, sagt die amerikanische Hausfrau, stolz wie eine
Königin auf ihr Heim, ihre üssülsnoe, wie sie es gern nennt, wenn sie es
auch nur für ein Paar Monate inne hat, um dann wieder an einem andern
Geschäftsplatze ihr Glück zu versuchen.

Sie kann auch stolz sein auf ihr umfriedigtes Heim, denn da ist nie¬
mand, der es wagen dürfte, sie merken zu lassen, daß er in seinem Heim
mehr sei, mehr vorstelle, mehr sein wolle, ob das nun mehr kostet oder
weniger, ob es hübscher oder weniger hübsch ist. Und käme der Präsident
der Vereinigten Staaten an ihrer baumumrauschten kleinen Eingangsthür vor¬
bei, sie würde sich zwar freuen, ihm als Ebenbürtige an ihrem Kamin
die Hand zu schütteln, würde ihn nach seiner Frau und seinen Kindern
fragen, aber sie würde sich nicht vor ihm beugen, und wenn er glaubte, er
dürfe sie von oben herab behandeln, so würde sie ihm die Thür weisen. Das
ist das Recht, das mit jeder Amerikanerin und mit jedem Amerikaner geboren
ist, das Recht, Mensch zu sein, sich dem Höchsten gleich zu betrachten. Dies
Selbstbewußtsein verläßt den Amerikaner nie. Bei diesem Selbstbewußtsein
der Sinn für Traulichkeit in der Einrichtung des Hauses und das Aufgehen
in seir>)"< Kindern, das zusammen müßte eigentlich die glücklichsten Menschen
machen, wenn nur nicht die Geldjagd das ganze Dasein in Anspruch nähme!

Eben wurde drüben, jenseits der noch ungepflasterten Fahrstraße, an einem
niedlichen Gartenhäuschen, ans dem ein paar Möbel herausgetragen wurden,
die rote Fahne befestigt. Die rote Fahne bedeutet — Auktion. Eine große
Krähe flatterte von einem alten Eichbaum herunter, und wie auf ein gegebnes
Zeichen folgten ihr viele aus allen Windrichtungen in das kleine Eichendickicht,
wo sie wahrscheinlich einen Leckerbissen aufgefunden hatten. Und wie die
Krähen, so versammelten sich in wenigen Minuten vor der aufgehängten roten
Fahne Neugierige, die die Möbel derer kaufen wollten, die eben auszogen,
denen es also wohl hier nicht hatte glücken wollen.

Ja, wenn man der Sache auf den Grund blickt, grinst einem auch hier
nichts entgegen als Dollarjagd! Wie soll sich damit Glück und Behagen
vereinen? Wird dabei nicht der Mann zur gedankenlosen Arbeitsmaschine?
Von einem Beruf zum andern umspringen, fortwährend alles aufs Spiel
setzen, sich selbst, sein ganzes Familienglück, bedeutet dieses Glücksspiel nicht
Verlust jedes Glückes? Denn welcher Halt bleibt noch in der Seele eines
ewig gehetzten Mannes, der sein Leben als verloren ansieht, wenn er es
nicht bis zu einer halben Million oder doch zu Hunderttausenden gebracht
hat? Diese Geldjagd bei dem Mangel an tieferer Bildung macht die Männer,
während die Frauen die Königinnen spielen wollen, zu deren Handlangern und
Arbeitsknechten. Für alles Technische haben sie viel Sinn, aber zu der Höhe


Grenzboten III 1393 l;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0049" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215139"/>
          <p xml:id="ID_158" prev="#ID_157"> gestattet worden ist. schlimmstenfalls muß er durch gerichtliches Verfahren<lb/>
erzwungen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_159"> 1r0U86 i8 ogMs, sagt die amerikanische Hausfrau, stolz wie eine<lb/>
Königin auf ihr Heim, ihre üssülsnoe, wie sie es gern nennt, wenn sie es<lb/>
auch nur für ein Paar Monate inne hat, um dann wieder an einem andern<lb/>
Geschäftsplatze ihr Glück zu versuchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_160"> Sie kann auch stolz sein auf ihr umfriedigtes Heim, denn da ist nie¬<lb/>
mand, der es wagen dürfte, sie merken zu lassen, daß er in seinem Heim<lb/>
mehr sei, mehr vorstelle, mehr sein wolle, ob das nun mehr kostet oder<lb/>
weniger, ob es hübscher oder weniger hübsch ist. Und käme der Präsident<lb/>
der Vereinigten Staaten an ihrer baumumrauschten kleinen Eingangsthür vor¬<lb/>
bei, sie würde sich zwar freuen, ihm als Ebenbürtige an ihrem Kamin<lb/>
die Hand zu schütteln, würde ihn nach seiner Frau und seinen Kindern<lb/>
fragen, aber sie würde sich nicht vor ihm beugen, und wenn er glaubte, er<lb/>
dürfe sie von oben herab behandeln, so würde sie ihm die Thür weisen. Das<lb/>
ist das Recht, das mit jeder Amerikanerin und mit jedem Amerikaner geboren<lb/>
ist, das Recht, Mensch zu sein, sich dem Höchsten gleich zu betrachten. Dies<lb/>
Selbstbewußtsein verläßt den Amerikaner nie. Bei diesem Selbstbewußtsein<lb/>
der Sinn für Traulichkeit in der Einrichtung des Hauses und das Aufgehen<lb/>
in seir&gt;)"&lt; Kindern, das zusammen müßte eigentlich die glücklichsten Menschen<lb/>
machen, wenn nur nicht die Geldjagd das ganze Dasein in Anspruch nähme!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_161"> Eben wurde drüben, jenseits der noch ungepflasterten Fahrstraße, an einem<lb/>
niedlichen Gartenhäuschen, ans dem ein paar Möbel herausgetragen wurden,<lb/>
die rote Fahne befestigt. Die rote Fahne bedeutet &#x2014; Auktion. Eine große<lb/>
Krähe flatterte von einem alten Eichbaum herunter, und wie auf ein gegebnes<lb/>
Zeichen folgten ihr viele aus allen Windrichtungen in das kleine Eichendickicht,<lb/>
wo sie wahrscheinlich einen Leckerbissen aufgefunden hatten. Und wie die<lb/>
Krähen, so versammelten sich in wenigen Minuten vor der aufgehängten roten<lb/>
Fahne Neugierige, die die Möbel derer kaufen wollten, die eben auszogen,<lb/>
denen es also wohl hier nicht hatte glücken wollen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_162" next="#ID_163"> Ja, wenn man der Sache auf den Grund blickt, grinst einem auch hier<lb/>
nichts entgegen als Dollarjagd! Wie soll sich damit Glück und Behagen<lb/>
vereinen? Wird dabei nicht der Mann zur gedankenlosen Arbeitsmaschine?<lb/>
Von einem Beruf zum andern umspringen, fortwährend alles aufs Spiel<lb/>
setzen, sich selbst, sein ganzes Familienglück, bedeutet dieses Glücksspiel nicht<lb/>
Verlust jedes Glückes? Denn welcher Halt bleibt noch in der Seele eines<lb/>
ewig gehetzten Mannes, der sein Leben als verloren ansieht, wenn er es<lb/>
nicht bis zu einer halben Million oder doch zu Hunderttausenden gebracht<lb/>
hat? Diese Geldjagd bei dem Mangel an tieferer Bildung macht die Männer,<lb/>
während die Frauen die Königinnen spielen wollen, zu deren Handlangern und<lb/>
Arbeitsknechten. Für alles Technische haben sie viel Sinn, aber zu der Höhe</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1393 l;</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0049] gestattet worden ist. schlimmstenfalls muß er durch gerichtliches Verfahren erzwungen werden. 1r0U86 i8 ogMs, sagt die amerikanische Hausfrau, stolz wie eine Königin auf ihr Heim, ihre üssülsnoe, wie sie es gern nennt, wenn sie es auch nur für ein Paar Monate inne hat, um dann wieder an einem andern Geschäftsplatze ihr Glück zu versuchen. Sie kann auch stolz sein auf ihr umfriedigtes Heim, denn da ist nie¬ mand, der es wagen dürfte, sie merken zu lassen, daß er in seinem Heim mehr sei, mehr vorstelle, mehr sein wolle, ob das nun mehr kostet oder weniger, ob es hübscher oder weniger hübsch ist. Und käme der Präsident der Vereinigten Staaten an ihrer baumumrauschten kleinen Eingangsthür vor¬ bei, sie würde sich zwar freuen, ihm als Ebenbürtige an ihrem Kamin die Hand zu schütteln, würde ihn nach seiner Frau und seinen Kindern fragen, aber sie würde sich nicht vor ihm beugen, und wenn er glaubte, er dürfe sie von oben herab behandeln, so würde sie ihm die Thür weisen. Das ist das Recht, das mit jeder Amerikanerin und mit jedem Amerikaner geboren ist, das Recht, Mensch zu sein, sich dem Höchsten gleich zu betrachten. Dies Selbstbewußtsein verläßt den Amerikaner nie. Bei diesem Selbstbewußtsein der Sinn für Traulichkeit in der Einrichtung des Hauses und das Aufgehen in seir>)"< Kindern, das zusammen müßte eigentlich die glücklichsten Menschen machen, wenn nur nicht die Geldjagd das ganze Dasein in Anspruch nähme! Eben wurde drüben, jenseits der noch ungepflasterten Fahrstraße, an einem niedlichen Gartenhäuschen, ans dem ein paar Möbel herausgetragen wurden, die rote Fahne befestigt. Die rote Fahne bedeutet — Auktion. Eine große Krähe flatterte von einem alten Eichbaum herunter, und wie auf ein gegebnes Zeichen folgten ihr viele aus allen Windrichtungen in das kleine Eichendickicht, wo sie wahrscheinlich einen Leckerbissen aufgefunden hatten. Und wie die Krähen, so versammelten sich in wenigen Minuten vor der aufgehängten roten Fahne Neugierige, die die Möbel derer kaufen wollten, die eben auszogen, denen es also wohl hier nicht hatte glücken wollen. Ja, wenn man der Sache auf den Grund blickt, grinst einem auch hier nichts entgegen als Dollarjagd! Wie soll sich damit Glück und Behagen vereinen? Wird dabei nicht der Mann zur gedankenlosen Arbeitsmaschine? Von einem Beruf zum andern umspringen, fortwährend alles aufs Spiel setzen, sich selbst, sein ganzes Familienglück, bedeutet dieses Glücksspiel nicht Verlust jedes Glückes? Denn welcher Halt bleibt noch in der Seele eines ewig gehetzten Mannes, der sein Leben als verloren ansieht, wenn er es nicht bis zu einer halben Million oder doch zu Hunderttausenden gebracht hat? Diese Geldjagd bei dem Mangel an tieferer Bildung macht die Männer, während die Frauen die Königinnen spielen wollen, zu deren Handlangern und Arbeitsknechten. Für alles Technische haben sie viel Sinn, aber zu der Höhe Grenzboten III 1393 l;

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/49
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/49>, abgerufen am 23.11.2024.