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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Aur Silderfrage

können. Bever meint, beide Edelmetalle seien dem Menschen vom Schöpfer
geschenkt, um dem gemeinsamen Tauschbedürfnis zu dienen. Zugestanden! Er
meint ferner, sie seien auch zu allen Zeiten gemeinsam benutzt worden. Eben¬
falls zugestanden! Wenn er aber klagt, daß dieses schöne Verhältnis der
"Doppelwährung" durch die deutsche Mmnzgesetzgebuug zu Gunsten des Goldes
aufgehoben worden sei, so hat er in jedem Fall Unrecht, man mag unter
Doppelwährung verstehen, was man will. Versteht mau darunter, daß zum
Warcutausch Silber wie Gold verwendet wird, so hat sie die Welt -- viel¬
leicht mit alleiniger Ausnahme Englands -- heute noch und ivird sie wahr¬
scheinlich immer haben. Denn überall in der Welt führt man Silbermünzen,
und nachdem der Silberpreis seinen tiefsten Stand erreicht haben und zum
Goldpreise wieder in ein festeres Verhältnis getreten sein wird, wird auch der
vorwiegende Gebrauch von Silber in den ärmern Ländern keine so Übeln
Folgen mehr habe", wie er unter den jetzigen Umständen in Indien gehabt
hat. Versteht man aber unter Doppelwährung, daß beide Metalle unter¬
schiedslos als Wertmaß gebraucht werden, so hat es eine solche niemals ge¬
geben, und es wird niemals eine geben. Sie wäre nur möglich, wenn das
Wertverhältnis zwischen Gold und Silber ganz unveränderlich wäre. Betaue
mau immer und unter allen Umständen für ein Pfund Gold zehn Pfund
Silber, dann würden Gold und Silber für die Wertmessung dasselbe sein,
was Unter und Fuß für die Längcnmesfung, Zentner nud Pfund fürs Ge¬
wicht sind: ein größeres und ein kleineres Maß desselben Systems. Das ist aber
eben niemals der Fall gewesen und kann auch niemals erreicht werden; es
giebt kein Mittel, die Unveründerlichkeit des Wertverhältnisses zu erzwingen.
Ist aber das Verhältnis veränderlich, weil eben die Preise der beiden Me¬
talle schwanken, dann bleibt nichts übrig, als eines der beiden zum Wert¬
messer zu wählen -- Tauschmittel können sie deswegen beide bleiben --, und
wenn zu irgend einer Zeit eines der beiden an ganz auffällig starken Preis-
veründernngen leidet, so kann dieses natürlicherweise nicht gewühlt werden.
Nicht die Doppelwährung haben die Völker ehedem gehabt, sondern bald die
Goldwährung, bald die Silberwährung; meist nur thatsächlich, ohne ausdrück¬
liche Übereinkunft. Die mittelalterlichen Handelsstaaten zahlten im Groß-
verkchr mit Gold; Deutschland hatte vor 187Z die Silberwährung. Auf
Goldmünzen zahlte man ein Agio, und zwar um die Mitte unsers Jahr¬
hunderts etwa dreizehn Prozent. Das goldne Fünfthalerstück, der Friedrichs-
dor, galt gewöhnlich fünf Thaler zwanzig Silbergroschen, der Doppelfrik
elf Thaler 'zehn Silbergroschen. Machte sich der Professor die Bezahlung
des Kollegienhonvrars in Gold aus, was namentlich bei den Medizinern
--- an manchen Universitäten wenigstens -- üblich war, so kostete das Kolleg,
das mit zehn Thalern angesetzt war, in Wirklichkeit nicht zehn Thaler,
sondern elf Thaler zwanzig Silbergroschen.


Aur Silderfrage

können. Bever meint, beide Edelmetalle seien dem Menschen vom Schöpfer
geschenkt, um dem gemeinsamen Tauschbedürfnis zu dienen. Zugestanden! Er
meint ferner, sie seien auch zu allen Zeiten gemeinsam benutzt worden. Eben¬
falls zugestanden! Wenn er aber klagt, daß dieses schöne Verhältnis der
„Doppelwährung" durch die deutsche Mmnzgesetzgebuug zu Gunsten des Goldes
aufgehoben worden sei, so hat er in jedem Fall Unrecht, man mag unter
Doppelwährung verstehen, was man will. Versteht mau darunter, daß zum
Warcutausch Silber wie Gold verwendet wird, so hat sie die Welt — viel¬
leicht mit alleiniger Ausnahme Englands — heute noch und ivird sie wahr¬
scheinlich immer haben. Denn überall in der Welt führt man Silbermünzen,
und nachdem der Silberpreis seinen tiefsten Stand erreicht haben und zum
Goldpreise wieder in ein festeres Verhältnis getreten sein wird, wird auch der
vorwiegende Gebrauch von Silber in den ärmern Ländern keine so Übeln
Folgen mehr habe», wie er unter den jetzigen Umständen in Indien gehabt
hat. Versteht man aber unter Doppelwährung, daß beide Metalle unter¬
schiedslos als Wertmaß gebraucht werden, so hat es eine solche niemals ge¬
geben, und es wird niemals eine geben. Sie wäre nur möglich, wenn das
Wertverhältnis zwischen Gold und Silber ganz unveränderlich wäre. Betaue
mau immer und unter allen Umständen für ein Pfund Gold zehn Pfund
Silber, dann würden Gold und Silber für die Wertmessung dasselbe sein,
was Unter und Fuß für die Längcnmesfung, Zentner nud Pfund fürs Ge¬
wicht sind: ein größeres und ein kleineres Maß desselben Systems. Das ist aber
eben niemals der Fall gewesen und kann auch niemals erreicht werden; es
giebt kein Mittel, die Unveründerlichkeit des Wertverhältnisses zu erzwingen.
Ist aber das Verhältnis veränderlich, weil eben die Preise der beiden Me¬
talle schwanken, dann bleibt nichts übrig, als eines der beiden zum Wert¬
messer zu wählen — Tauschmittel können sie deswegen beide bleiben —, und
wenn zu irgend einer Zeit eines der beiden an ganz auffällig starken Preis-
veründernngen leidet, so kann dieses natürlicherweise nicht gewühlt werden.
Nicht die Doppelwährung haben die Völker ehedem gehabt, sondern bald die
Goldwährung, bald die Silberwährung; meist nur thatsächlich, ohne ausdrück¬
liche Übereinkunft. Die mittelalterlichen Handelsstaaten zahlten im Groß-
verkchr mit Gold; Deutschland hatte vor 187Z die Silberwährung. Auf
Goldmünzen zahlte man ein Agio, und zwar um die Mitte unsers Jahr¬
hunderts etwa dreizehn Prozent. Das goldne Fünfthalerstück, der Friedrichs-
dor, galt gewöhnlich fünf Thaler zwanzig Silbergroschen, der Doppelfrik
elf Thaler 'zehn Silbergroschen. Machte sich der Professor die Bezahlung
des Kollegienhonvrars in Gold aus, was namentlich bei den Medizinern
—- an manchen Universitäten wenigstens — üblich war, so kostete das Kolleg,
das mit zehn Thalern angesetzt war, in Wirklichkeit nicht zehn Thaler,
sondern elf Thaler zwanzig Silbergroschen.


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[0451] Aur Silderfrage können. Bever meint, beide Edelmetalle seien dem Menschen vom Schöpfer geschenkt, um dem gemeinsamen Tauschbedürfnis zu dienen. Zugestanden! Er meint ferner, sie seien auch zu allen Zeiten gemeinsam benutzt worden. Eben¬ falls zugestanden! Wenn er aber klagt, daß dieses schöne Verhältnis der „Doppelwährung" durch die deutsche Mmnzgesetzgebuug zu Gunsten des Goldes aufgehoben worden sei, so hat er in jedem Fall Unrecht, man mag unter Doppelwährung verstehen, was man will. Versteht mau darunter, daß zum Warcutausch Silber wie Gold verwendet wird, so hat sie die Welt — viel¬ leicht mit alleiniger Ausnahme Englands — heute noch und ivird sie wahr¬ scheinlich immer haben. Denn überall in der Welt führt man Silbermünzen, und nachdem der Silberpreis seinen tiefsten Stand erreicht haben und zum Goldpreise wieder in ein festeres Verhältnis getreten sein wird, wird auch der vorwiegende Gebrauch von Silber in den ärmern Ländern keine so Übeln Folgen mehr habe», wie er unter den jetzigen Umständen in Indien gehabt hat. Versteht man aber unter Doppelwährung, daß beide Metalle unter¬ schiedslos als Wertmaß gebraucht werden, so hat es eine solche niemals ge¬ geben, und es wird niemals eine geben. Sie wäre nur möglich, wenn das Wertverhältnis zwischen Gold und Silber ganz unveränderlich wäre. Betaue mau immer und unter allen Umständen für ein Pfund Gold zehn Pfund Silber, dann würden Gold und Silber für die Wertmessung dasselbe sein, was Unter und Fuß für die Längcnmesfung, Zentner nud Pfund fürs Ge¬ wicht sind: ein größeres und ein kleineres Maß desselben Systems. Das ist aber eben niemals der Fall gewesen und kann auch niemals erreicht werden; es giebt kein Mittel, die Unveründerlichkeit des Wertverhältnisses zu erzwingen. Ist aber das Verhältnis veränderlich, weil eben die Preise der beiden Me¬ talle schwanken, dann bleibt nichts übrig, als eines der beiden zum Wert¬ messer zu wählen — Tauschmittel können sie deswegen beide bleiben —, und wenn zu irgend einer Zeit eines der beiden an ganz auffällig starken Preis- veründernngen leidet, so kann dieses natürlicherweise nicht gewühlt werden. Nicht die Doppelwährung haben die Völker ehedem gehabt, sondern bald die Goldwährung, bald die Silberwährung; meist nur thatsächlich, ohne ausdrück¬ liche Übereinkunft. Die mittelalterlichen Handelsstaaten zahlten im Groß- verkchr mit Gold; Deutschland hatte vor 187Z die Silberwährung. Auf Goldmünzen zahlte man ein Agio, und zwar um die Mitte unsers Jahr¬ hunderts etwa dreizehn Prozent. Das goldne Fünfthalerstück, der Friedrichs- dor, galt gewöhnlich fünf Thaler zwanzig Silbergroschen, der Doppelfrik elf Thaler 'zehn Silbergroschen. Machte sich der Professor die Bezahlung des Kollegienhonvrars in Gold aus, was namentlich bei den Medizinern —- an manchen Universitäten wenigstens — üblich war, so kostete das Kolleg, das mit zehn Thalern angesetzt war, in Wirklichkeit nicht zehn Thaler, sondern elf Thaler zwanzig Silbergroschen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/451>, abgerufen am 24.11.2024.