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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Zur Silberfrage

heit betrieben. Jetzt sind die Tschechen "liberaler" oder "demokratischer" ge¬
worden; sie sind es, die mit ihrer Forderung des allgemeinen Stimmrechts,
mit ihrer Gegnerschaft wider die Privilegien des Großgrundbesitzes den abso¬
lutistischen und feudalen Staat, so weit er sich noch erhalten hat, in seinem
ganzen Baue bedrohen. Daher kommt es, daß das Staatsoberhaupt gleich
nach dem ersten Wahlsiege der Jungtschccheu das Wort von der "gemischten
Gesellschaft" sprach. Mit der wachsenden Flut der demokratischen Bewegung
unter den Slawen der Sudeteuläuder ist die österreichische Politik in eine
neue Phase getreten. Bis jetzt haben die Deutschen allein die Last des
Kampfes für die freiheitlichen Einrichtungen getragen, sie haben den harten
Strauß mit der katholischen Kirche ausgefochten zur Schaffung und Erhaltung
des Schulgesetzes. Nachdem sie Jahrzehnte hindurch infolge ihrer reichern
Bildung und wirtschaftlichen Entwicklung allein den Nachteil einer stärkern
politischen Gliederung in ihren Reihen und damit alle Schäden innerer
Zerklüftung empfunden hatten, wird jetzt das Slawentum von denselben
Wirren ergriffen. Die Deutschen sind es nicht mehr allein, die den
herrschenden Mächten wegen ihres Liberalismus verdächtig sind; dies ist
sehr wichtig für das künftige Verhältnis zwischen der Krone und den Na¬
tionalitüten.

lSchlus! fol-it)




Zur Silberfrage

n C. F. Bever ist dem jetzt zum Aschenputtel erniedrigten Ge¬
schwister des gelben Goldes ein Ritter erstanden, der es mit
dem Feuer des leidenschaftlichen Liebhabers verteidigt. (Die
Frage des Goldes und Silbers und ihrer Währungen in
populär-wissenschaftlicher Form erörtert von Carl Friedrich
Bever. Dritte Bearbeitung. Köln a. Rh., Kölner Verlagsanstalt, 1893.)
Was der Verfasser vorbringt, hat Hand und Fuß, und in Fragen, die sich
auf die Gewinnung der Edelmetalle beziehen, ist er Sachverständiger, da er
"nach gründlicher Ausbildung dazu berufen wurde, siebenundzwanzig Jahre
lang ununterbrochen im Auslande thätig zu sein, und zwar zuerst in Frank¬
reich, dann in England, Zentralamerika, Mexiko und vielen andern (?) Küsten¬
punkten des Stillen Ozeans, teils in geschäftlichen Unternehmungen der Er-
forschungsbrnnche (?), teils als Mitglied wissenschaftlicher Expeditionen mancher


Zur Silberfrage

heit betrieben. Jetzt sind die Tschechen „liberaler" oder „demokratischer" ge¬
worden; sie sind es, die mit ihrer Forderung des allgemeinen Stimmrechts,
mit ihrer Gegnerschaft wider die Privilegien des Großgrundbesitzes den abso¬
lutistischen und feudalen Staat, so weit er sich noch erhalten hat, in seinem
ganzen Baue bedrohen. Daher kommt es, daß das Staatsoberhaupt gleich
nach dem ersten Wahlsiege der Jungtschccheu das Wort von der „gemischten
Gesellschaft" sprach. Mit der wachsenden Flut der demokratischen Bewegung
unter den Slawen der Sudeteuläuder ist die österreichische Politik in eine
neue Phase getreten. Bis jetzt haben die Deutschen allein die Last des
Kampfes für die freiheitlichen Einrichtungen getragen, sie haben den harten
Strauß mit der katholischen Kirche ausgefochten zur Schaffung und Erhaltung
des Schulgesetzes. Nachdem sie Jahrzehnte hindurch infolge ihrer reichern
Bildung und wirtschaftlichen Entwicklung allein den Nachteil einer stärkern
politischen Gliederung in ihren Reihen und damit alle Schäden innerer
Zerklüftung empfunden hatten, wird jetzt das Slawentum von denselben
Wirren ergriffen. Die Deutschen sind es nicht mehr allein, die den
herrschenden Mächten wegen ihres Liberalismus verdächtig sind; dies ist
sehr wichtig für das künftige Verhältnis zwischen der Krone und den Na¬
tionalitüten.

lSchlus! fol-it)




Zur Silberfrage

n C. F. Bever ist dem jetzt zum Aschenputtel erniedrigten Ge¬
schwister des gelben Goldes ein Ritter erstanden, der es mit
dem Feuer des leidenschaftlichen Liebhabers verteidigt. (Die
Frage des Goldes und Silbers und ihrer Währungen in
populär-wissenschaftlicher Form erörtert von Carl Friedrich
Bever. Dritte Bearbeitung. Köln a. Rh., Kölner Verlagsanstalt, 1893.)
Was der Verfasser vorbringt, hat Hand und Fuß, und in Fragen, die sich
auf die Gewinnung der Edelmetalle beziehen, ist er Sachverständiger, da er
„nach gründlicher Ausbildung dazu berufen wurde, siebenundzwanzig Jahre
lang ununterbrochen im Auslande thätig zu sein, und zwar zuerst in Frank¬
reich, dann in England, Zentralamerika, Mexiko und vielen andern (?) Küsten¬
punkten des Stillen Ozeans, teils in geschäftlichen Unternehmungen der Er-
forschungsbrnnche (?), teils als Mitglied wissenschaftlicher Expeditionen mancher


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[0448] Zur Silberfrage heit betrieben. Jetzt sind die Tschechen „liberaler" oder „demokratischer" ge¬ worden; sie sind es, die mit ihrer Forderung des allgemeinen Stimmrechts, mit ihrer Gegnerschaft wider die Privilegien des Großgrundbesitzes den abso¬ lutistischen und feudalen Staat, so weit er sich noch erhalten hat, in seinem ganzen Baue bedrohen. Daher kommt es, daß das Staatsoberhaupt gleich nach dem ersten Wahlsiege der Jungtschccheu das Wort von der „gemischten Gesellschaft" sprach. Mit der wachsenden Flut der demokratischen Bewegung unter den Slawen der Sudeteuläuder ist die österreichische Politik in eine neue Phase getreten. Bis jetzt haben die Deutschen allein die Last des Kampfes für die freiheitlichen Einrichtungen getragen, sie haben den harten Strauß mit der katholischen Kirche ausgefochten zur Schaffung und Erhaltung des Schulgesetzes. Nachdem sie Jahrzehnte hindurch infolge ihrer reichern Bildung und wirtschaftlichen Entwicklung allein den Nachteil einer stärkern politischen Gliederung in ihren Reihen und damit alle Schäden innerer Zerklüftung empfunden hatten, wird jetzt das Slawentum von denselben Wirren ergriffen. Die Deutschen sind es nicht mehr allein, die den herrschenden Mächten wegen ihres Liberalismus verdächtig sind; dies ist sehr wichtig für das künftige Verhältnis zwischen der Krone und den Na¬ tionalitüten. lSchlus! fol-it) Zur Silberfrage n C. F. Bever ist dem jetzt zum Aschenputtel erniedrigten Ge¬ schwister des gelben Goldes ein Ritter erstanden, der es mit dem Feuer des leidenschaftlichen Liebhabers verteidigt. (Die Frage des Goldes und Silbers und ihrer Währungen in populär-wissenschaftlicher Form erörtert von Carl Friedrich Bever. Dritte Bearbeitung. Köln a. Rh., Kölner Verlagsanstalt, 1893.) Was der Verfasser vorbringt, hat Hand und Fuß, und in Fragen, die sich auf die Gewinnung der Edelmetalle beziehen, ist er Sachverständiger, da er „nach gründlicher Ausbildung dazu berufen wurde, siebenundzwanzig Jahre lang ununterbrochen im Auslande thätig zu sein, und zwar zuerst in Frank¬ reich, dann in England, Zentralamerika, Mexiko und vielen andern (?) Küsten¬ punkten des Stillen Ozeans, teils in geschäftlichen Unternehmungen der Er- forschungsbrnnche (?), teils als Mitglied wissenschaftlicher Expeditionen mancher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/448>, abgerufen am 27.11.2024.