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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Zur Wohnungsfrage

Während der unverheiratete Kamerad leichten Herzens mit seinem Koffer ab¬
dampft. ^ -

Aber dem Unverheirateten den halben Wohuungsgeldzuschuß zu entziehen,
damit wäre dem Familienvater noch nicht gedient. Dieser muß nach der
Zahl seiner Kinder eine Erhöhung des Zuschusses erhalten. Bei ein oder zwei
Kindern wird unter normalen Verhältnissen, d. h. wenn die Fran gesund ist,
ein zweiter Dienstbote nicht nötig sein. (Die Zeit, wo ein Kind noch ganz
klein ist, kann nicht als normal in Betracht kommen.) Man kann da also
von einer Erhöhung absehen. Bei mehr Kindern aber wird oft ein zweiter
Dienstbote nötig sein. Da erscheint es billig, den durch vermehrtes Naum-
bedürfuis, durch die erhöhten Kosten für die Verpflegung und durch den
Dienstbotenlvhn sich bedeutend mehrenden Ansprüchen an die Kasse des Haus¬
herrn durch einen Zuschuß zu Hilfe zu kommen, vielleicht im Betrage eines
Viertels des Wohnungsgcldzuschusses. In Orten der Servisklasse II würde
diese Erhöhung des Einkommens bei einem Hauptmmni oder Regierungsrat
nur 135 Mark betragen. Das wäre kaum der bare Aufwand, den ein Kinder¬
mädchen nötig macht, also gewiß eine sehr bescheidne Hilfe, aber doch immer
besser als gar keine. Sind mehr als drei Kinder vorhanden, so gewähre man
sür jedes weitere Kind abermals ein Viertel des Wohnungsgcldzuschusses, so-
daß eine Familie mit sechs Kindern doppelte" Wohnnngsgeldznschuß erhalten
würde. Eine noch weitere Erhöhung würde zwar für den Staat nicht schwer
ins Gewicht fallen, weil Familien mit noch mehr .Kindern hente sehr selten
sind, aber eine Grenze muß doch festgesetzt werden. Man lasse es also beim
doppelten Wohnungsgeldzuschuß. Einigermaßen wäre damit geholfen. ,

Bei dem bisherigen Vorschlag ist nur der Wohnungsgeldzuschuß, ins
Auge gefaßt, weil dieser dem Offizier und den, Zivilbenmten gleicherweise zu¬
steht. Für den Offizier und den Militärbeamten muß dann noch das Servis
in Betracht gezogen werden, die Vergütung, die den Militärpersonen zur
Selbstbeschassuug ihrer Wohnnngsbcdürfnisse (Bedienung, Heizung, Beleuchtung)
gewährt wird. Es liegt auf der Hand, daß das, was wir von der Wohnung
gesagt haben, auch von diesen Bedürfnissen gilt: der Unverheiratete braucht
weniger, der Verheiratete mehr. Eine Verminderung des Servis fürder
Unverheirateten wäre daher für diesen zwar schmerzlich, aber nicht ungerecht;
für den Familienvater wäre eine Erhöhung auch dieses Teiles seines Ein¬
kommens eine große Hilfe. Natürlich müßte das Gesetz genau vorschreiben,
in welchem Falle auch der Unverheiratete die Bezüge des Verheirateten zu
erhalten hätte, da ja Fälle eintreten, wo der Hausstand mit unverheirateten
Geschwistern oder einer verwitweten Mutter die gleichen Aufwendungen riötig
macht, als wenn der Offizier oder der Beamte verheiratet wäre. Ebenso dürfte
einem kinderlosen Witwer erst nach einer gewissen, ja nicht zu kurz zu bemessenen
Frist der Bezug des vollen Wohnungsgeldznschnsses und des vollen Servis


Zur Wohnungsfrage

Während der unverheiratete Kamerad leichten Herzens mit seinem Koffer ab¬
dampft. ^ -

Aber dem Unverheirateten den halben Wohuungsgeldzuschuß zu entziehen,
damit wäre dem Familienvater noch nicht gedient. Dieser muß nach der
Zahl seiner Kinder eine Erhöhung des Zuschusses erhalten. Bei ein oder zwei
Kindern wird unter normalen Verhältnissen, d. h. wenn die Fran gesund ist,
ein zweiter Dienstbote nicht nötig sein. (Die Zeit, wo ein Kind noch ganz
klein ist, kann nicht als normal in Betracht kommen.) Man kann da also
von einer Erhöhung absehen. Bei mehr Kindern aber wird oft ein zweiter
Dienstbote nötig sein. Da erscheint es billig, den durch vermehrtes Naum-
bedürfuis, durch die erhöhten Kosten für die Verpflegung und durch den
Dienstbotenlvhn sich bedeutend mehrenden Ansprüchen an die Kasse des Haus¬
herrn durch einen Zuschuß zu Hilfe zu kommen, vielleicht im Betrage eines
Viertels des Wohnungsgcldzuschusses. In Orten der Servisklasse II würde
diese Erhöhung des Einkommens bei einem Hauptmmni oder Regierungsrat
nur 135 Mark betragen. Das wäre kaum der bare Aufwand, den ein Kinder¬
mädchen nötig macht, also gewiß eine sehr bescheidne Hilfe, aber doch immer
besser als gar keine. Sind mehr als drei Kinder vorhanden, so gewähre man
sür jedes weitere Kind abermals ein Viertel des Wohnungsgcldzuschusses, so-
daß eine Familie mit sechs Kindern doppelte« Wohnnngsgeldznschuß erhalten
würde. Eine noch weitere Erhöhung würde zwar für den Staat nicht schwer
ins Gewicht fallen, weil Familien mit noch mehr .Kindern hente sehr selten
sind, aber eine Grenze muß doch festgesetzt werden. Man lasse es also beim
doppelten Wohnungsgeldzuschuß. Einigermaßen wäre damit geholfen. ,

Bei dem bisherigen Vorschlag ist nur der Wohnungsgeldzuschuß, ins
Auge gefaßt, weil dieser dem Offizier und den, Zivilbenmten gleicherweise zu¬
steht. Für den Offizier und den Militärbeamten muß dann noch das Servis
in Betracht gezogen werden, die Vergütung, die den Militärpersonen zur
Selbstbeschassuug ihrer Wohnnngsbcdürfnisse (Bedienung, Heizung, Beleuchtung)
gewährt wird. Es liegt auf der Hand, daß das, was wir von der Wohnung
gesagt haben, auch von diesen Bedürfnissen gilt: der Unverheiratete braucht
weniger, der Verheiratete mehr. Eine Verminderung des Servis fürder
Unverheirateten wäre daher für diesen zwar schmerzlich, aber nicht ungerecht;
für den Familienvater wäre eine Erhöhung auch dieses Teiles seines Ein¬
kommens eine große Hilfe. Natürlich müßte das Gesetz genau vorschreiben,
in welchem Falle auch der Unverheiratete die Bezüge des Verheirateten zu
erhalten hätte, da ja Fälle eintreten, wo der Hausstand mit unverheirateten
Geschwistern oder einer verwitweten Mutter die gleichen Aufwendungen riötig
macht, als wenn der Offizier oder der Beamte verheiratet wäre. Ebenso dürfte
einem kinderlosen Witwer erst nach einer gewissen, ja nicht zu kurz zu bemessenen
Frist der Bezug des vollen Wohnungsgeldznschnsses und des vollen Servis


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[0404] Zur Wohnungsfrage Während der unverheiratete Kamerad leichten Herzens mit seinem Koffer ab¬ dampft. ^ - Aber dem Unverheirateten den halben Wohuungsgeldzuschuß zu entziehen, damit wäre dem Familienvater noch nicht gedient. Dieser muß nach der Zahl seiner Kinder eine Erhöhung des Zuschusses erhalten. Bei ein oder zwei Kindern wird unter normalen Verhältnissen, d. h. wenn die Fran gesund ist, ein zweiter Dienstbote nicht nötig sein. (Die Zeit, wo ein Kind noch ganz klein ist, kann nicht als normal in Betracht kommen.) Man kann da also von einer Erhöhung absehen. Bei mehr Kindern aber wird oft ein zweiter Dienstbote nötig sein. Da erscheint es billig, den durch vermehrtes Naum- bedürfuis, durch die erhöhten Kosten für die Verpflegung und durch den Dienstbotenlvhn sich bedeutend mehrenden Ansprüchen an die Kasse des Haus¬ herrn durch einen Zuschuß zu Hilfe zu kommen, vielleicht im Betrage eines Viertels des Wohnungsgcldzuschusses. In Orten der Servisklasse II würde diese Erhöhung des Einkommens bei einem Hauptmmni oder Regierungsrat nur 135 Mark betragen. Das wäre kaum der bare Aufwand, den ein Kinder¬ mädchen nötig macht, also gewiß eine sehr bescheidne Hilfe, aber doch immer besser als gar keine. Sind mehr als drei Kinder vorhanden, so gewähre man sür jedes weitere Kind abermals ein Viertel des Wohnungsgcldzuschusses, so- daß eine Familie mit sechs Kindern doppelte« Wohnnngsgeldznschuß erhalten würde. Eine noch weitere Erhöhung würde zwar für den Staat nicht schwer ins Gewicht fallen, weil Familien mit noch mehr .Kindern hente sehr selten sind, aber eine Grenze muß doch festgesetzt werden. Man lasse es also beim doppelten Wohnungsgeldzuschuß. Einigermaßen wäre damit geholfen. , Bei dem bisherigen Vorschlag ist nur der Wohnungsgeldzuschuß, ins Auge gefaßt, weil dieser dem Offizier und den, Zivilbenmten gleicherweise zu¬ steht. Für den Offizier und den Militärbeamten muß dann noch das Servis in Betracht gezogen werden, die Vergütung, die den Militärpersonen zur Selbstbeschassuug ihrer Wohnnngsbcdürfnisse (Bedienung, Heizung, Beleuchtung) gewährt wird. Es liegt auf der Hand, daß das, was wir von der Wohnung gesagt haben, auch von diesen Bedürfnissen gilt: der Unverheiratete braucht weniger, der Verheiratete mehr. Eine Verminderung des Servis fürder Unverheirateten wäre daher für diesen zwar schmerzlich, aber nicht ungerecht; für den Familienvater wäre eine Erhöhung auch dieses Teiles seines Ein¬ kommens eine große Hilfe. Natürlich müßte das Gesetz genau vorschreiben, in welchem Falle auch der Unverheiratete die Bezüge des Verheirateten zu erhalten hätte, da ja Fälle eintreten, wo der Hausstand mit unverheirateten Geschwistern oder einer verwitweten Mutter die gleichen Aufwendungen riötig macht, als wenn der Offizier oder der Beamte verheiratet wäre. Ebenso dürfte einem kinderlosen Witwer erst nach einer gewissen, ja nicht zu kurz zu bemessenen Frist der Bezug des vollen Wohnungsgeldznschnsses und des vollen Servis

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/404>, abgerufen am 28.11.2024.