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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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büchern sprechen durchaus dafür, daß auch in Deutschland dieses traurige
"System" in den erwähnten Ständen mehr und mehr üblich wird. Darin
liegt eine große Gefahr für den Staat. "Mich wird es nach aushalten, aber
mein Enkel mag sich in Acht nehmen," sagte Ludwig XV.

Am gründlichsten ließe sich helfen, wenn der Staat in genügender Menge
für Dienstwohnungen sorgte. Der Willkür in der Festsetzung der Mietpreise
wäre damit ein Riegel vorgeschoben. Die Hauswirte könnten nicht wie bisher
besonders den mit Kindern gesegneten Offizier und Beamten ausbeuten. In
einzelnen neuen Garnisonen Lothringens, wie z. B. in Mörchingen, ist schon
jetzt nichts andres übrig geblieben; es mußten aus Mangel an allen Unter-
kunstsräumen für die Offizierfamilien Wohnungen gebaut werden. Aber das
allgemein durchzuführen, das ist leichter vorgeschlagen, als gethan. Der Staat
baut teuer. Die Wohnungen in gutem Stande zu erhalten, ist sehr teuer.
Schließlich wäre auch für viele, denen man helfen wollte, eine Dienstwohnung
ein Danaergeschenk bei Besetzung der Stellen. Dienstliche Rücksichten sind
maßgebend und müsse" es sein. Man muß an die geeignete Stelle auch einen
unverheirateten Mann bringen können, wenn er besonders befähigt ist. Ist
nun eine große Dienstwohnung vorhanden, was soll er damit anfangen, wenn
er vielleicht nicht einmal die Einrichtung für eine viel kleinere hat? So glück¬
lich eine Familie über eine gerünmige Dienstwohnung ist, so unglücklich ist
darüber der alleinstehende Mann.

Hier muß eine Ausgleichung geschaffen werden. Man verleite den Woh¬
nungsgeldzuschuß so, daß die Bedürfnisse des Empfängers den Maßstab ab¬
geben, natürlich mit genau bestimmten Grenzen. Der Unverheiratete kann mit
der Hälfte des gegenwärtigen Satzes schon zufrieden sein. Natürlich wird
dieser Vorschlag einen Sturm des Unwillens bei allen Unverheirateten erregen.
Man wird einwerfen: Viele heiraten nicht, weil ihre Verhältnisse das über¬
haupt uicht gestatten, vielleicht weil Eltern oder jüngere Geschwister zu unter¬
stützen sind u. s. w. Zugegeben, daß das in einzelnen Fällen richtig sein mag,
ist doch bei der großen Mehrzahl die Ehelosigkeit aus andern Gründen
herzuleiten. Der Staat muß seine Zuwendungen nach den Leistungen be¬
sessen, und die Erziehung künftiger Offiziere und Beamten ist auch eine
Leistung, Bei Bemessung der Umzugskosten hat man sich der Erwägung nicht
verschließen können, daß ein Unverheirateter anders als ein Verheirateter zu
behandeln sei. Der Unverheiratete erhält nur die Hälfte der allgemeinen und
Transportkosten, die dem Verheirateten gewährt werden. Freilich ist man
anch hier ans halbem Wege stehen geblieben, insofern man die Reisekosten nnr
der Person des Versetzten, nicht seiner Familie bewilligt. Doch ist der Satz
für allgemeine Kosten und Transportkosten so hoch gegriffen, daß Klagen hier
weht angebracht wären, wenn auch natürlich ein mit Fran, fünf Kindern und
zwei Dienstboten umziehender Offizier mit Sorge an die großen Kosten denkt,


büchern sprechen durchaus dafür, daß auch in Deutschland dieses traurige
„System" in den erwähnten Ständen mehr und mehr üblich wird. Darin
liegt eine große Gefahr für den Staat. „Mich wird es nach aushalten, aber
mein Enkel mag sich in Acht nehmen," sagte Ludwig XV.

Am gründlichsten ließe sich helfen, wenn der Staat in genügender Menge
für Dienstwohnungen sorgte. Der Willkür in der Festsetzung der Mietpreise
wäre damit ein Riegel vorgeschoben. Die Hauswirte könnten nicht wie bisher
besonders den mit Kindern gesegneten Offizier und Beamten ausbeuten. In
einzelnen neuen Garnisonen Lothringens, wie z. B. in Mörchingen, ist schon
jetzt nichts andres übrig geblieben; es mußten aus Mangel an allen Unter-
kunstsräumen für die Offizierfamilien Wohnungen gebaut werden. Aber das
allgemein durchzuführen, das ist leichter vorgeschlagen, als gethan. Der Staat
baut teuer. Die Wohnungen in gutem Stande zu erhalten, ist sehr teuer.
Schließlich wäre auch für viele, denen man helfen wollte, eine Dienstwohnung
ein Danaergeschenk bei Besetzung der Stellen. Dienstliche Rücksichten sind
maßgebend und müsse» es sein. Man muß an die geeignete Stelle auch einen
unverheirateten Mann bringen können, wenn er besonders befähigt ist. Ist
nun eine große Dienstwohnung vorhanden, was soll er damit anfangen, wenn
er vielleicht nicht einmal die Einrichtung für eine viel kleinere hat? So glück¬
lich eine Familie über eine gerünmige Dienstwohnung ist, so unglücklich ist
darüber der alleinstehende Mann.

Hier muß eine Ausgleichung geschaffen werden. Man verleite den Woh¬
nungsgeldzuschuß so, daß die Bedürfnisse des Empfängers den Maßstab ab¬
geben, natürlich mit genau bestimmten Grenzen. Der Unverheiratete kann mit
der Hälfte des gegenwärtigen Satzes schon zufrieden sein. Natürlich wird
dieser Vorschlag einen Sturm des Unwillens bei allen Unverheirateten erregen.
Man wird einwerfen: Viele heiraten nicht, weil ihre Verhältnisse das über¬
haupt uicht gestatten, vielleicht weil Eltern oder jüngere Geschwister zu unter¬
stützen sind u. s. w. Zugegeben, daß das in einzelnen Fällen richtig sein mag,
ist doch bei der großen Mehrzahl die Ehelosigkeit aus andern Gründen
herzuleiten. Der Staat muß seine Zuwendungen nach den Leistungen be¬
sessen, und die Erziehung künftiger Offiziere und Beamten ist auch eine
Leistung, Bei Bemessung der Umzugskosten hat man sich der Erwägung nicht
verschließen können, daß ein Unverheirateter anders als ein Verheirateter zu
behandeln sei. Der Unverheiratete erhält nur die Hälfte der allgemeinen und
Transportkosten, die dem Verheirateten gewährt werden. Freilich ist man
anch hier ans halbem Wege stehen geblieben, insofern man die Reisekosten nnr
der Person des Versetzten, nicht seiner Familie bewilligt. Doch ist der Satz
für allgemeine Kosten und Transportkosten so hoch gegriffen, daß Klagen hier
weht angebracht wären, wenn auch natürlich ein mit Fran, fünf Kindern und
zwei Dienstboten umziehender Offizier mit Sorge an die großen Kosten denkt,


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[0403] büchern sprechen durchaus dafür, daß auch in Deutschland dieses traurige „System" in den erwähnten Ständen mehr und mehr üblich wird. Darin liegt eine große Gefahr für den Staat. „Mich wird es nach aushalten, aber mein Enkel mag sich in Acht nehmen," sagte Ludwig XV. Am gründlichsten ließe sich helfen, wenn der Staat in genügender Menge für Dienstwohnungen sorgte. Der Willkür in der Festsetzung der Mietpreise wäre damit ein Riegel vorgeschoben. Die Hauswirte könnten nicht wie bisher besonders den mit Kindern gesegneten Offizier und Beamten ausbeuten. In einzelnen neuen Garnisonen Lothringens, wie z. B. in Mörchingen, ist schon jetzt nichts andres übrig geblieben; es mußten aus Mangel an allen Unter- kunstsräumen für die Offizierfamilien Wohnungen gebaut werden. Aber das allgemein durchzuführen, das ist leichter vorgeschlagen, als gethan. Der Staat baut teuer. Die Wohnungen in gutem Stande zu erhalten, ist sehr teuer. Schließlich wäre auch für viele, denen man helfen wollte, eine Dienstwohnung ein Danaergeschenk bei Besetzung der Stellen. Dienstliche Rücksichten sind maßgebend und müsse» es sein. Man muß an die geeignete Stelle auch einen unverheirateten Mann bringen können, wenn er besonders befähigt ist. Ist nun eine große Dienstwohnung vorhanden, was soll er damit anfangen, wenn er vielleicht nicht einmal die Einrichtung für eine viel kleinere hat? So glück¬ lich eine Familie über eine gerünmige Dienstwohnung ist, so unglücklich ist darüber der alleinstehende Mann. Hier muß eine Ausgleichung geschaffen werden. Man verleite den Woh¬ nungsgeldzuschuß so, daß die Bedürfnisse des Empfängers den Maßstab ab¬ geben, natürlich mit genau bestimmten Grenzen. Der Unverheiratete kann mit der Hälfte des gegenwärtigen Satzes schon zufrieden sein. Natürlich wird dieser Vorschlag einen Sturm des Unwillens bei allen Unverheirateten erregen. Man wird einwerfen: Viele heiraten nicht, weil ihre Verhältnisse das über¬ haupt uicht gestatten, vielleicht weil Eltern oder jüngere Geschwister zu unter¬ stützen sind u. s. w. Zugegeben, daß das in einzelnen Fällen richtig sein mag, ist doch bei der großen Mehrzahl die Ehelosigkeit aus andern Gründen herzuleiten. Der Staat muß seine Zuwendungen nach den Leistungen be¬ sessen, und die Erziehung künftiger Offiziere und Beamten ist auch eine Leistung, Bei Bemessung der Umzugskosten hat man sich der Erwägung nicht verschließen können, daß ein Unverheirateter anders als ein Verheirateter zu behandeln sei. Der Unverheiratete erhält nur die Hälfte der allgemeinen und Transportkosten, die dem Verheirateten gewährt werden. Freilich ist man anch hier ans halbem Wege stehen geblieben, insofern man die Reisekosten nnr der Person des Versetzten, nicht seiner Familie bewilligt. Doch ist der Satz für allgemeine Kosten und Transportkosten so hoch gegriffen, daß Klagen hier weht angebracht wären, wenn auch natürlich ein mit Fran, fünf Kindern und zwei Dienstboten umziehender Offizier mit Sorge an die großen Kosten denkt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/403>, abgerufen am 24.11.2024.