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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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schwerer Schlag. Man sage nicht, daß hier durch billigere Lebensmittelpreise
eine gewisse Ausgleichung geschaffen werde, denn bei den heutigen Verkehrs-
verhültnisfen ist ein wesentlicher Unterschied in diesen Preisen nicht mehr fest¬
zustellen. Selbst wenn durch billigern Dienstbotenlohn und etwas wohlfeiler"
Heizungsstoff 150 Mark im Jahre erspart werden können, ist doch der Ab¬
stand immer noch bedeutend.

Man sieht, daß selbst innerhalb der Armee die Einkvmmensverhältnisfe
keineswegs "uniform" sind. Das macht sich anch fühlbar, wenn der Offizier
aus einer größern in eine kleine Garnison versetzt wird. Meistens kommt er
hier in eine niedrigere Servisklassc, ohne daß deshalb die Wohnungen für
geringern Preis zu haben wären. Im Gegenteil, oft ist gerade in kleinern
Städten der Mietpreis für Wohnungen unverhältnismäßig hoch. Die Haus¬
wirte bilden einen Ring; sie halten auf Preis und lassen lieber einmal eine
Wohnung leer stehen, als daß sie sie billiger vermieteten. Meist muß sich der
Offizier den Preis einfach vorschreiben lassen, da keine Auswahl möglich ist,
denn die ganze Anzahl der vorhandnen Wohnungen wird regelmäßig gebraucht.
Wehe den Familien, die bei Verlegungeil oder Neubildungen von Truppen¬
teilen ihre Versetzung erst spät zu erfahren bekommen! Sie merken es gewaltig
am Geldbeutel. Der gemeine Mann wird untergebracht; die Stadt muß dafür
sorgen. Auch für den Arbeiter wird gesorgt. Aber der Offizier und der
höhere Beamte müssen sehe", wo und wie sie unterkommen. Der Wvhnnngs-
geldzuschuß bleibt sür sie immer derselbe, mögen die Verhältnisse noch so
schwierig sein. Das ist ungerecht.

Eine zweite Ungerechtigkeit ist folgendes. Der Familienvater wird hin¬
sichtlich des Wohuuiigsgeldzuschusfes mit demselben Maß gemessen wie der
Alleinstehende. Hat aber ein Offizier starke Familie, so muß er natürlich
mehr Wohnrüumc mieten, als wenn er unverheiratet ist oder keine Kinder hat.
Auch hier ist eine Änderung dringend geboten. Ist so oft gefordert worden,
daß sür die Wohnung des Arbeiters schon um der Gesundheit und der Sitt¬
lichkeit willen besser gesorgt werde, so ist dies auch für die höher gebildeten
Kreise der Gesellschaft zu fordern. Eine Familie, die mit Kindern gesegnet
'se, erhält vom Staate gar keine Förderung. Das ist sehr bedenklich. Den
monarchischen Staat, wie er heute ist, erhalten von der städtischen Bevölkerung,
auf die es bei unserm Gegenstand allein ankommt, da eine Wohnungsfrage
auf dem Lande natürlich kaum besteht, doch vor allem die Familien, aus denen
der Staat für Heer und Beamtenschaft seinen Ersatz zieht. Ist nun auch bis jetzt
für alle Arten von Beamten genügender Nachwuchs, ja sogar Überfluß dagewesen,
so kann das doch auch einmal anders werden. In einem Aufsatz im Juliheft
der Preußischen Jahrbücher wird von Dr. R. Bürger in Görlitz auf Grund
der unerbittlichen Zahlen nachgewiesen, daß voraussichtlich noch vor Ablauf
des Jahrhunderts nicht nur keine Überfüllung mehr, sondern zum Teil sogar


Grenzboten III 1WZ 5.9

schwerer Schlag. Man sage nicht, daß hier durch billigere Lebensmittelpreise
eine gewisse Ausgleichung geschaffen werde, denn bei den heutigen Verkehrs-
verhültnisfen ist ein wesentlicher Unterschied in diesen Preisen nicht mehr fest¬
zustellen. Selbst wenn durch billigern Dienstbotenlohn und etwas wohlfeiler»
Heizungsstoff 150 Mark im Jahre erspart werden können, ist doch der Ab¬
stand immer noch bedeutend.

Man sieht, daß selbst innerhalb der Armee die Einkvmmensverhältnisfe
keineswegs „uniform" sind. Das macht sich anch fühlbar, wenn der Offizier
aus einer größern in eine kleine Garnison versetzt wird. Meistens kommt er
hier in eine niedrigere Servisklassc, ohne daß deshalb die Wohnungen für
geringern Preis zu haben wären. Im Gegenteil, oft ist gerade in kleinern
Städten der Mietpreis für Wohnungen unverhältnismäßig hoch. Die Haus¬
wirte bilden einen Ring; sie halten auf Preis und lassen lieber einmal eine
Wohnung leer stehen, als daß sie sie billiger vermieteten. Meist muß sich der
Offizier den Preis einfach vorschreiben lassen, da keine Auswahl möglich ist,
denn die ganze Anzahl der vorhandnen Wohnungen wird regelmäßig gebraucht.
Wehe den Familien, die bei Verlegungeil oder Neubildungen von Truppen¬
teilen ihre Versetzung erst spät zu erfahren bekommen! Sie merken es gewaltig
am Geldbeutel. Der gemeine Mann wird untergebracht; die Stadt muß dafür
sorgen. Auch für den Arbeiter wird gesorgt. Aber der Offizier und der
höhere Beamte müssen sehe», wo und wie sie unterkommen. Der Wvhnnngs-
geldzuschuß bleibt sür sie immer derselbe, mögen die Verhältnisse noch so
schwierig sein. Das ist ungerecht.

Eine zweite Ungerechtigkeit ist folgendes. Der Familienvater wird hin¬
sichtlich des Wohuuiigsgeldzuschusfes mit demselben Maß gemessen wie der
Alleinstehende. Hat aber ein Offizier starke Familie, so muß er natürlich
mehr Wohnrüumc mieten, als wenn er unverheiratet ist oder keine Kinder hat.
Auch hier ist eine Änderung dringend geboten. Ist so oft gefordert worden,
daß sür die Wohnung des Arbeiters schon um der Gesundheit und der Sitt¬
lichkeit willen besser gesorgt werde, so ist dies auch für die höher gebildeten
Kreise der Gesellschaft zu fordern. Eine Familie, die mit Kindern gesegnet
'se, erhält vom Staate gar keine Förderung. Das ist sehr bedenklich. Den
monarchischen Staat, wie er heute ist, erhalten von der städtischen Bevölkerung,
auf die es bei unserm Gegenstand allein ankommt, da eine Wohnungsfrage
auf dem Lande natürlich kaum besteht, doch vor allem die Familien, aus denen
der Staat für Heer und Beamtenschaft seinen Ersatz zieht. Ist nun auch bis jetzt
für alle Arten von Beamten genügender Nachwuchs, ja sogar Überfluß dagewesen,
so kann das doch auch einmal anders werden. In einem Aufsatz im Juliheft
der Preußischen Jahrbücher wird von Dr. R. Bürger in Görlitz auf Grund
der unerbittlichen Zahlen nachgewiesen, daß voraussichtlich noch vor Ablauf
des Jahrhunderts nicht nur keine Überfüllung mehr, sondern zum Teil sogar


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[0401] schwerer Schlag. Man sage nicht, daß hier durch billigere Lebensmittelpreise eine gewisse Ausgleichung geschaffen werde, denn bei den heutigen Verkehrs- verhültnisfen ist ein wesentlicher Unterschied in diesen Preisen nicht mehr fest¬ zustellen. Selbst wenn durch billigern Dienstbotenlohn und etwas wohlfeiler» Heizungsstoff 150 Mark im Jahre erspart werden können, ist doch der Ab¬ stand immer noch bedeutend. Man sieht, daß selbst innerhalb der Armee die Einkvmmensverhältnisfe keineswegs „uniform" sind. Das macht sich anch fühlbar, wenn der Offizier aus einer größern in eine kleine Garnison versetzt wird. Meistens kommt er hier in eine niedrigere Servisklassc, ohne daß deshalb die Wohnungen für geringern Preis zu haben wären. Im Gegenteil, oft ist gerade in kleinern Städten der Mietpreis für Wohnungen unverhältnismäßig hoch. Die Haus¬ wirte bilden einen Ring; sie halten auf Preis und lassen lieber einmal eine Wohnung leer stehen, als daß sie sie billiger vermieteten. Meist muß sich der Offizier den Preis einfach vorschreiben lassen, da keine Auswahl möglich ist, denn die ganze Anzahl der vorhandnen Wohnungen wird regelmäßig gebraucht. Wehe den Familien, die bei Verlegungeil oder Neubildungen von Truppen¬ teilen ihre Versetzung erst spät zu erfahren bekommen! Sie merken es gewaltig am Geldbeutel. Der gemeine Mann wird untergebracht; die Stadt muß dafür sorgen. Auch für den Arbeiter wird gesorgt. Aber der Offizier und der höhere Beamte müssen sehe», wo und wie sie unterkommen. Der Wvhnnngs- geldzuschuß bleibt sür sie immer derselbe, mögen die Verhältnisse noch so schwierig sein. Das ist ungerecht. Eine zweite Ungerechtigkeit ist folgendes. Der Familienvater wird hin¬ sichtlich des Wohuuiigsgeldzuschusfes mit demselben Maß gemessen wie der Alleinstehende. Hat aber ein Offizier starke Familie, so muß er natürlich mehr Wohnrüumc mieten, als wenn er unverheiratet ist oder keine Kinder hat. Auch hier ist eine Änderung dringend geboten. Ist so oft gefordert worden, daß sür die Wohnung des Arbeiters schon um der Gesundheit und der Sitt¬ lichkeit willen besser gesorgt werde, so ist dies auch für die höher gebildeten Kreise der Gesellschaft zu fordern. Eine Familie, die mit Kindern gesegnet 'se, erhält vom Staate gar keine Förderung. Das ist sehr bedenklich. Den monarchischen Staat, wie er heute ist, erhalten von der städtischen Bevölkerung, auf die es bei unserm Gegenstand allein ankommt, da eine Wohnungsfrage auf dem Lande natürlich kaum besteht, doch vor allem die Familien, aus denen der Staat für Heer und Beamtenschaft seinen Ersatz zieht. Ist nun auch bis jetzt für alle Arten von Beamten genügender Nachwuchs, ja sogar Überfluß dagewesen, so kann das doch auch einmal anders werden. In einem Aufsatz im Juliheft der Preußischen Jahrbücher wird von Dr. R. Bürger in Görlitz auf Grund der unerbittlichen Zahlen nachgewiesen, daß voraussichtlich noch vor Ablauf des Jahrhunderts nicht nur keine Überfüllung mehr, sondern zum Teil sogar Grenzboten III 1WZ 5.9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/401>, abgerufen am 24.11.2024.