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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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mophvrienfeier klagt eine Kränzewinderin, daß ihr der Sohn dieser Grünzeug¬
frau das Geschäft verderbe.


Es starb in Kypros neulich mir der Mann dahin

Und hinterließ fünf Kinderchen, die mit Müh und Not

Ich erhielt, indem auf dem Myrtenmarkt ich Kränze flocht.

So ernährt' ich anfangs, freilich nur notdürftig, sie.

Jetzt aber hat in seinen Trauerspielen der

Die Männer überredet, Götter geb' es nicht,

Sodnß kaum halb so groß jetzt unser Absatz ist.

Drum ist mein Rat, und dringend fordr' euch all ich auf,

Den Mann ob vieler Unbill streng zu züchtigen;

Denn herbe Leiden fügt, ihr Frauen, er uns zu,

Wuchs doch er unter herben Gartenkräuteru auf.

Nun aber muß zu Markt ich, es bestelleten

Die Männer zwanzig Kränze, die ich flechten muß.


Also lauter selbst arbeitendes kleines Voll von Freien! Und so scheint es
dann später alle die Jahrhunderte hindurch in den Provinzen des römischen
Reichs geblieben zu sein, woraus vou selbst folgt, daß sowohl die wirtschaft¬
lichen wie die Sittenzustande Griechenlands -- Sparta ausgenommen -- im
allgemeinen denen unsrer heutigen Kleinstädte und Dörfer ähnlich gewesen
sein müssen. Nur in Italien und ncnneutlich in Rom, wo der Reichtum der
Provinzen zusammenfloß, entwickelten sich drei Jahrhunderte später Zustände,
wie sie das Großkapital immer und überall erzeugt. Wie es da auf dem
Laude ausgesehen haben mag, veranschaulichen uns die englischen und italieni¬
schen, seit einigen Jahren auch die norddeutschen Latifundien, und die Zustände
der Hauptstadt finden wir in unsern heutigen Großstädten wieder, nnr daß
unsre Polizei strenger gegen alles "Gesindel" ist, und daß die verarmten
Bürger Roms, die täglich vom Patron die Sporteln einheimsten und bei all¬
gemeinen Spenden bedacht wurden, noch nicht so tief gesunken waren und
nicht mit solcher Verachtung als Abschaum von der Gesellschaft ausgeschlossen
waren, wie unsre heutigen Arbeitslosen. Erst der Heliastensold, das heißt
das Tagegeld, das den Bürgern seit Perikles für Verwaltung des Nichter-
amts gezahlt wurde, verschuldete eine Verlumpung, die einstweilen im kleinen
vorbildete, was später in Rom durch x^ufm et "irosiisss im großen an¬
gerichtet werden sollte; den Anfang dieses Unheils hat Aristophanes in den
Wespen geschildert. Knaben rücken da ihren Vätern vor, daß sie um des
elenden Trivbolvs willen ihr Gewerbe vernachlässigten und die Familie ins
Elend stürzten, und Haßkleon sperrt seinen Vater Kleobold ein und bewacht
ihn mit Hilfe der Knechte Tag und Nacht, damit er nicht den ganzen Tag
auf der Gerichtsstätte totschlage.

Der Vorwurf endlich, die Griechen hätten ihre Frauen verachtet, sie wie
Sklavinnen behandelt und ihnen keinerlei Anteil am öffentlichen Leben ver-


mophvrienfeier klagt eine Kränzewinderin, daß ihr der Sohn dieser Grünzeug¬
frau das Geschäft verderbe.


Es starb in Kypros neulich mir der Mann dahin

Und hinterließ fünf Kinderchen, die mit Müh und Not

Ich erhielt, indem auf dem Myrtenmarkt ich Kränze flocht.

So ernährt' ich anfangs, freilich nur notdürftig, sie.

Jetzt aber hat in seinen Trauerspielen der

Die Männer überredet, Götter geb' es nicht,

Sodnß kaum halb so groß jetzt unser Absatz ist.

Drum ist mein Rat, und dringend fordr' euch all ich auf,

Den Mann ob vieler Unbill streng zu züchtigen;

Denn herbe Leiden fügt, ihr Frauen, er uns zu,

Wuchs doch er unter herben Gartenkräuteru auf.

Nun aber muß zu Markt ich, es bestelleten

Die Männer zwanzig Kränze, die ich flechten muß.


Also lauter selbst arbeitendes kleines Voll von Freien! Und so scheint es
dann später alle die Jahrhunderte hindurch in den Provinzen des römischen
Reichs geblieben zu sein, woraus vou selbst folgt, daß sowohl die wirtschaft¬
lichen wie die Sittenzustande Griechenlands — Sparta ausgenommen — im
allgemeinen denen unsrer heutigen Kleinstädte und Dörfer ähnlich gewesen
sein müssen. Nur in Italien und ncnneutlich in Rom, wo der Reichtum der
Provinzen zusammenfloß, entwickelten sich drei Jahrhunderte später Zustände,
wie sie das Großkapital immer und überall erzeugt. Wie es da auf dem
Laude ausgesehen haben mag, veranschaulichen uns die englischen und italieni¬
schen, seit einigen Jahren auch die norddeutschen Latifundien, und die Zustände
der Hauptstadt finden wir in unsern heutigen Großstädten wieder, nnr daß
unsre Polizei strenger gegen alles „Gesindel" ist, und daß die verarmten
Bürger Roms, die täglich vom Patron die Sporteln einheimsten und bei all¬
gemeinen Spenden bedacht wurden, noch nicht so tief gesunken waren und
nicht mit solcher Verachtung als Abschaum von der Gesellschaft ausgeschlossen
waren, wie unsre heutigen Arbeitslosen. Erst der Heliastensold, das heißt
das Tagegeld, das den Bürgern seit Perikles für Verwaltung des Nichter-
amts gezahlt wurde, verschuldete eine Verlumpung, die einstweilen im kleinen
vorbildete, was später in Rom durch x^ufm et «irosiisss im großen an¬
gerichtet werden sollte; den Anfang dieses Unheils hat Aristophanes in den
Wespen geschildert. Knaben rücken da ihren Vätern vor, daß sie um des
elenden Trivbolvs willen ihr Gewerbe vernachlässigten und die Familie ins
Elend stürzten, und Haßkleon sperrt seinen Vater Kleobold ein und bewacht
ihn mit Hilfe der Knechte Tag und Nacht, damit er nicht den ganzen Tag
auf der Gerichtsstätte totschlage.

Der Vorwurf endlich, die Griechen hätten ihre Frauen verachtet, sie wie
Sklavinnen behandelt und ihnen keinerlei Anteil am öffentlichen Leben ver-


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[0358] mophvrienfeier klagt eine Kränzewinderin, daß ihr der Sohn dieser Grünzeug¬ frau das Geschäft verderbe. Es starb in Kypros neulich mir der Mann dahin Und hinterließ fünf Kinderchen, die mit Müh und Not Ich erhielt, indem auf dem Myrtenmarkt ich Kränze flocht. So ernährt' ich anfangs, freilich nur notdürftig, sie. Jetzt aber hat in seinen Trauerspielen der Die Männer überredet, Götter geb' es nicht, Sodnß kaum halb so groß jetzt unser Absatz ist. Drum ist mein Rat, und dringend fordr' euch all ich auf, Den Mann ob vieler Unbill streng zu züchtigen; Denn herbe Leiden fügt, ihr Frauen, er uns zu, Wuchs doch er unter herben Gartenkräuteru auf. Nun aber muß zu Markt ich, es bestelleten Die Männer zwanzig Kränze, die ich flechten muß. Also lauter selbst arbeitendes kleines Voll von Freien! Und so scheint es dann später alle die Jahrhunderte hindurch in den Provinzen des römischen Reichs geblieben zu sein, woraus vou selbst folgt, daß sowohl die wirtschaft¬ lichen wie die Sittenzustande Griechenlands — Sparta ausgenommen — im allgemeinen denen unsrer heutigen Kleinstädte und Dörfer ähnlich gewesen sein müssen. Nur in Italien und ncnneutlich in Rom, wo der Reichtum der Provinzen zusammenfloß, entwickelten sich drei Jahrhunderte später Zustände, wie sie das Großkapital immer und überall erzeugt. Wie es da auf dem Laude ausgesehen haben mag, veranschaulichen uns die englischen und italieni¬ schen, seit einigen Jahren auch die norddeutschen Latifundien, und die Zustände der Hauptstadt finden wir in unsern heutigen Großstädten wieder, nnr daß unsre Polizei strenger gegen alles „Gesindel" ist, und daß die verarmten Bürger Roms, die täglich vom Patron die Sporteln einheimsten und bei all¬ gemeinen Spenden bedacht wurden, noch nicht so tief gesunken waren und nicht mit solcher Verachtung als Abschaum von der Gesellschaft ausgeschlossen waren, wie unsre heutigen Arbeitslosen. Erst der Heliastensold, das heißt das Tagegeld, das den Bürgern seit Perikles für Verwaltung des Nichter- amts gezahlt wurde, verschuldete eine Verlumpung, die einstweilen im kleinen vorbildete, was später in Rom durch x^ufm et «irosiisss im großen an¬ gerichtet werden sollte; den Anfang dieses Unheils hat Aristophanes in den Wespen geschildert. Knaben rücken da ihren Vätern vor, daß sie um des elenden Trivbolvs willen ihr Gewerbe vernachlässigten und die Familie ins Elend stürzten, und Haßkleon sperrt seinen Vater Kleobold ein und bewacht ihn mit Hilfe der Knechte Tag und Nacht, damit er nicht den ganzen Tag auf der Gerichtsstätte totschlage. Der Vorwurf endlich, die Griechen hätten ihre Frauen verachtet, sie wie Sklavinnen behandelt und ihnen keinerlei Anteil am öffentlichen Leben ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/358>, abgerufen am 25.11.2024.