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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Lharles Aingsley als Dichter mit Sozialreformer

Wissenschaften, lor tuo 8t,v.cly c>k iMAuagö Q"z ki-la not Arss.t lilcinA. Jm Jahre
1836 erhielt sein Vater eine Pfarre in Chelsea bei London. Hier bestand der
Verkehr im Elternhause fast nur aus c>>nu) "u'n. Charles bekam zum ersten-
mal einen Einblick in das geistlose, kaltherzige und selbstsüchtige Leben der
orthodoxen Hochkirchler, es ergriff ihn ein tiefer Widerwille gegen die ganze
gepriesene englische Kirchlichkeit. Er haßte tre clappör ^ounA luclx prsaeusi-Z,
die mit alten und jungen Weibern kokettirenden Kanzelredner, die galanten und
süßlich thuenden Salonthevlogen, die mehr mit sich und ihrer verdammten
Eitelkeit als mit der wahren Seelsorge beschäftigt seien, und die von Würde
und Selbstgefälligkeit triefend, keine Ahnung von den hohen praktischen Aus¬
gaben eines wahren Geistlichen und Seelsorgers unsrer Zeit hätten, "Ich
könnte -- sagte er zu einem Freunde -- Bände über diese Zustünde schreiben,
Zustünde, die deine Entrüstung und Verachtung hervorrufen würden."

In London besuchte .Kingsleh zwei Ihre lang HiuZ''8 vollere. Er studierte
dort eifrig die englischen Dichter Sontheh, Cvleridge, Wordswvrth, Shelley
und Spenser und beschüftigte sich gründlich mit der deutschen Sprache und
Litteratur, In London hatte er auch Gelegenheit, das entsetzliche Elend kennen
zu lernen, das in gewissen Stadtvierteln herrschte, und von dem er in seinem
Roman ^teor ^volo so ergreifende Schilderungen gegeben hat. Im Jahre 1838
ging er auf die Universität Cambridge, studierte zuerst Jura, wandte sich dann
aber der Theologie zu, machte also den entgegengesetzten Weg wie sein Lehr¬
meister Thomas Carlhle durch, der von der Theologie zum juristischen Studium
übergegangen war.

Kingsleh wurde auf der Universität wegen seiner vorzüglichen Leistungen
als Lsuior oxtimo ausgezeichnet. Aber die akademischen Jahre hatten für ihn
nur eine untergeordnete Bedeutung. Philisterhafter Ehrgeiz und liebedienerisches
Strebertum lagen ihm ganz fern. So schrieb er damals an einen seiner Studien¬
freunde: "Ich fürchte, du hast dich zu sehr gewöhnt, die auf der Universität
zu erwerbenden Ehren als das Endziel des Lebens anzusehen, während sie
mir nur als eine Stufe zu viel Höhen,, ernstern und fruchtbarem Studien
erscheinen. Bleibt uns doch das große Rätsel unsers Daseins zu entziffern,
das Woher und Wohin unsrer wunderbaren Menschheit. Es bleiben uns die
Aufgaben und Fähigkeiten der Erdgebornen zu begreifen, damit wir sie in
Thaten umsetzen können, ihnen und uns selbst zu Nutzen. Es liegt uns eine
Selbsterziehung ob, die uns befähigen soll, uns selbst und unsre Umgebung
Weiser, besser und glücklicher zu macheu. Dies scheint mir in jedem Studien¬
gange das einzig Erstrebenswerte. Hat dich der deine anders gelehrt, so ist
dein Studium unnütz und schädlich."

Im Jahre 1842 wurde Kingsleh Pfarrverweser in Eversleh, einem freundlich
gelegnen Dörfchen in Hampshire. Im nächsten Jahre erhielt er die Stelle
selbst und verheiratete sich mit Miß Grenfell. Sein Vorgänger, ein salbungs-


Lharles Aingsley als Dichter mit Sozialreformer

Wissenschaften, lor tuo 8t,v.cly c>k iMAuagö Q«z ki-la not Arss.t lilcinA. Jm Jahre
1836 erhielt sein Vater eine Pfarre in Chelsea bei London. Hier bestand der
Verkehr im Elternhause fast nur aus c>>nu) »u'n. Charles bekam zum ersten-
mal einen Einblick in das geistlose, kaltherzige und selbstsüchtige Leben der
orthodoxen Hochkirchler, es ergriff ihn ein tiefer Widerwille gegen die ganze
gepriesene englische Kirchlichkeit. Er haßte tre clappör ^ounA luclx prsaeusi-Z,
die mit alten und jungen Weibern kokettirenden Kanzelredner, die galanten und
süßlich thuenden Salonthevlogen, die mehr mit sich und ihrer verdammten
Eitelkeit als mit der wahren Seelsorge beschäftigt seien, und die von Würde
und Selbstgefälligkeit triefend, keine Ahnung von den hohen praktischen Aus¬
gaben eines wahren Geistlichen und Seelsorgers unsrer Zeit hätten, „Ich
könnte — sagte er zu einem Freunde — Bände über diese Zustünde schreiben,
Zustünde, die deine Entrüstung und Verachtung hervorrufen würden."

In London besuchte .Kingsleh zwei Ihre lang HiuZ''8 vollere. Er studierte
dort eifrig die englischen Dichter Sontheh, Cvleridge, Wordswvrth, Shelley
und Spenser und beschüftigte sich gründlich mit der deutschen Sprache und
Litteratur, In London hatte er auch Gelegenheit, das entsetzliche Elend kennen
zu lernen, das in gewissen Stadtvierteln herrschte, und von dem er in seinem
Roman ^teor ^volo so ergreifende Schilderungen gegeben hat. Im Jahre 1838
ging er auf die Universität Cambridge, studierte zuerst Jura, wandte sich dann
aber der Theologie zu, machte also den entgegengesetzten Weg wie sein Lehr¬
meister Thomas Carlhle durch, der von der Theologie zum juristischen Studium
übergegangen war.

Kingsleh wurde auf der Universität wegen seiner vorzüglichen Leistungen
als Lsuior oxtimo ausgezeichnet. Aber die akademischen Jahre hatten für ihn
nur eine untergeordnete Bedeutung. Philisterhafter Ehrgeiz und liebedienerisches
Strebertum lagen ihm ganz fern. So schrieb er damals an einen seiner Studien¬
freunde: „Ich fürchte, du hast dich zu sehr gewöhnt, die auf der Universität
zu erwerbenden Ehren als das Endziel des Lebens anzusehen, während sie
mir nur als eine Stufe zu viel Höhen,, ernstern und fruchtbarem Studien
erscheinen. Bleibt uns doch das große Rätsel unsers Daseins zu entziffern,
das Woher und Wohin unsrer wunderbaren Menschheit. Es bleiben uns die
Aufgaben und Fähigkeiten der Erdgebornen zu begreifen, damit wir sie in
Thaten umsetzen können, ihnen und uns selbst zu Nutzen. Es liegt uns eine
Selbsterziehung ob, die uns befähigen soll, uns selbst und unsre Umgebung
Weiser, besser und glücklicher zu macheu. Dies scheint mir in jedem Studien¬
gange das einzig Erstrebenswerte. Hat dich der deine anders gelehrt, so ist
dein Studium unnütz und schädlich."

Im Jahre 1842 wurde Kingsleh Pfarrverweser in Eversleh, einem freundlich
gelegnen Dörfchen in Hampshire. Im nächsten Jahre erhielt er die Stelle
selbst und verheiratete sich mit Miß Grenfell. Sein Vorgänger, ein salbungs-


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[0323] Lharles Aingsley als Dichter mit Sozialreformer Wissenschaften, lor tuo 8t,v.cly c>k iMAuagö Q«z ki-la not Arss.t lilcinA. Jm Jahre 1836 erhielt sein Vater eine Pfarre in Chelsea bei London. Hier bestand der Verkehr im Elternhause fast nur aus c>>nu) »u'n. Charles bekam zum ersten- mal einen Einblick in das geistlose, kaltherzige und selbstsüchtige Leben der orthodoxen Hochkirchler, es ergriff ihn ein tiefer Widerwille gegen die ganze gepriesene englische Kirchlichkeit. Er haßte tre clappör ^ounA luclx prsaeusi-Z, die mit alten und jungen Weibern kokettirenden Kanzelredner, die galanten und süßlich thuenden Salonthevlogen, die mehr mit sich und ihrer verdammten Eitelkeit als mit der wahren Seelsorge beschäftigt seien, und die von Würde und Selbstgefälligkeit triefend, keine Ahnung von den hohen praktischen Aus¬ gaben eines wahren Geistlichen und Seelsorgers unsrer Zeit hätten, „Ich könnte — sagte er zu einem Freunde — Bände über diese Zustünde schreiben, Zustünde, die deine Entrüstung und Verachtung hervorrufen würden." In London besuchte .Kingsleh zwei Ihre lang HiuZ''8 vollere. Er studierte dort eifrig die englischen Dichter Sontheh, Cvleridge, Wordswvrth, Shelley und Spenser und beschüftigte sich gründlich mit der deutschen Sprache und Litteratur, In London hatte er auch Gelegenheit, das entsetzliche Elend kennen zu lernen, das in gewissen Stadtvierteln herrschte, und von dem er in seinem Roman ^teor ^volo so ergreifende Schilderungen gegeben hat. Im Jahre 1838 ging er auf die Universität Cambridge, studierte zuerst Jura, wandte sich dann aber der Theologie zu, machte also den entgegengesetzten Weg wie sein Lehr¬ meister Thomas Carlhle durch, der von der Theologie zum juristischen Studium übergegangen war. Kingsleh wurde auf der Universität wegen seiner vorzüglichen Leistungen als Lsuior oxtimo ausgezeichnet. Aber die akademischen Jahre hatten für ihn nur eine untergeordnete Bedeutung. Philisterhafter Ehrgeiz und liebedienerisches Strebertum lagen ihm ganz fern. So schrieb er damals an einen seiner Studien¬ freunde: „Ich fürchte, du hast dich zu sehr gewöhnt, die auf der Universität zu erwerbenden Ehren als das Endziel des Lebens anzusehen, während sie mir nur als eine Stufe zu viel Höhen,, ernstern und fruchtbarem Studien erscheinen. Bleibt uns doch das große Rätsel unsers Daseins zu entziffern, das Woher und Wohin unsrer wunderbaren Menschheit. Es bleiben uns die Aufgaben und Fähigkeiten der Erdgebornen zu begreifen, damit wir sie in Thaten umsetzen können, ihnen und uns selbst zu Nutzen. Es liegt uns eine Selbsterziehung ob, die uns befähigen soll, uns selbst und unsre Umgebung Weiser, besser und glücklicher zu macheu. Dies scheint mir in jedem Studien¬ gange das einzig Erstrebenswerte. Hat dich der deine anders gelehrt, so ist dein Studium unnütz und schädlich." Im Jahre 1842 wurde Kingsleh Pfarrverweser in Eversleh, einem freundlich gelegnen Dörfchen in Hampshire. Im nächsten Jahre erhielt er die Stelle selbst und verheiratete sich mit Miß Grenfell. Sein Vorgänger, ein salbungs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/323>, abgerufen am 24.11.2024.