Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.Die Bodenbesitzreforin deutscher Richtung werdenden Angebots steigt der Staatskredit, der Zinsfuß der öffentlichen Wir hören den Einwand: Gut für den Unternehmer, aber desto schlimmer Der Schein ist allerdings vielfach dagegen; aber er trügt. In derselben Sobald sich also das Kapital dem großen und kleinen Unternehmertum Steigt die Kousumfähigkeit, so tritt auch eine größere Nachfrage nach Die Bodenbesitzreforin deutscher Richtung werdenden Angebots steigt der Staatskredit, der Zinsfuß der öffentlichen Wir hören den Einwand: Gut für den Unternehmer, aber desto schlimmer Der Schein ist allerdings vielfach dagegen; aber er trügt. In derselben Sobald sich also das Kapital dem großen und kleinen Unternehmertum Steigt die Kousumfähigkeit, so tritt auch eine größere Nachfrage nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215392"/> <fw type="header" place="top"> Die Bodenbesitzreforin deutscher Richtung</fw><lb/> <p xml:id="ID_1049" prev="#ID_1048"> werdenden Angebots steigt der Staatskredit, der Zinsfuß der öffentlichen<lb/> Schulden kann um ein viertel, ein halb Prozent niedriger gesetzt werden. So<lb/> beginnt die Last, uuter der die Staaten seufzen, die von den Nationalökonomen<lb/> als unerträglich geschildert wird — auch für die jetzt noch solid dastehenden<lb/> Staaten —, etwas leichter zu werden. Ein Teil der Milliarde bietet sich aber<lb/> schon dem soliden Unternehmertum an; dies vermag zu günstigern Bedingungen<lb/> Kapital zu erhalten, eS bekommt Luft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1050"> Wir hören den Einwand: Gut für den Unternehmer, aber desto schlimmer<lb/> für den Arbeiter, dem Lvhnsklaven; der Unternehmer würde noch mächtiger<lb/> werden, und gerade seine Gewalt gilt es zu brechen. Ju diesem Punkte denkt<lb/> die Bodenbesitzreform sehr verschieden von der Sozialdemokratie. Ihr sind<lb/> Unternehmer und Arbeiter keine Gegensätze; unversöhnliche Gegensätze sind der<lb/> heutige Kapitalismus und die Arbeit, aber nicht das Unternehmertum und die<lb/> Arbeit. Der Unternehmer ist als Unternehmer anch Arbeiter; auch sei» Feind<lb/> ist der Kapitalismus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1051"> Der Schein ist allerdings vielfach dagegen; aber er trügt. In derselben<lb/> Person sind nämlich häusig Kapitalist und Unternehmer vereinigt; in dieser<lb/> Personalunion werden die Interessen des Kapitalisten und des Unternehmers<lb/> ausgeglichen, die an sich einander widerstreiten, denn im Interesse des Unter¬<lb/> nehmers liegt es, das Kapital so billig wie möglich zu bekommen, im Inter¬<lb/> esse des Kapitalisten, es so teuer wie möglich auszuleihen. Ganz ähnlich Guts¬<lb/> besitzer und Landwirte, zwei Klassen, die man fortwährend dnrcheinnnderwirft.<lb/> Viele Gutsbesitzer sind gar nicht Landwirte, sie leben von dem Pacht ihres<lb/> Ackers; der Landwirt ist Arbeiter, und eine hohe Zahl von Landwirten sind<lb/> nicht Gutsbesitzer. Der Gutsbesitzer sucht den Pacht zu steigern, der Land¬<lb/> wirt wünscht sein Arbeitsmaterial, den Acker, so billig wie möglich zu be¬<lb/> kommen. Und ebenso wie die Landwirtschaft, als Landwirtschaft, so steht das<lb/> Unternehmertum im großen und ganzen nicht gut. Die Bodenbesitzreformer<lb/> rechnen von hundert Unternehmungen, auch die der kleinern Handwerker und<lb/> Landwirte eingeschlossen, etwa zehn, die in Blüte steh», fünfzig, die sich eben<lb/> halten, und vierzig, die rückwärts gehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_1052"> Sobald sich also das Kapital dem großen und kleinen Unternehmertum<lb/> williger und billiger anbietet, wird die Arbeit erleichtert werden. Die Inter¬<lb/> essen des Lohnarbeiters sind aber mit denen des arbeitenden Unternehmers ein<lb/> und dieselben. Wir sehen es jetzt schon, daß, wo die Unternehmungen blühen,<lb/> anch die Löhne steigen; es beweist nur die Kurzsichtigkeit des Unternehmer¬<lb/> tums, wenn es niedrige Löhne wünscht, denn diese erzeugen Mangel an Konsum,<lb/> drücken die Preise, häufen die Waren an. Ju Amerika sind die Löhne ver¬<lb/> hältnismäßig hoch, und die Unternehmungen blühen; in Rußland sind die<lb/> Löhne niedrig, und die Unternehmungen stocken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1053" next="#ID_1054"> Steigt die Kousumfähigkeit, so tritt auch eine größere Nachfrage nach</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0302]
Die Bodenbesitzreforin deutscher Richtung
werdenden Angebots steigt der Staatskredit, der Zinsfuß der öffentlichen
Schulden kann um ein viertel, ein halb Prozent niedriger gesetzt werden. So
beginnt die Last, uuter der die Staaten seufzen, die von den Nationalökonomen
als unerträglich geschildert wird — auch für die jetzt noch solid dastehenden
Staaten —, etwas leichter zu werden. Ein Teil der Milliarde bietet sich aber
schon dem soliden Unternehmertum an; dies vermag zu günstigern Bedingungen
Kapital zu erhalten, eS bekommt Luft.
Wir hören den Einwand: Gut für den Unternehmer, aber desto schlimmer
für den Arbeiter, dem Lvhnsklaven; der Unternehmer würde noch mächtiger
werden, und gerade seine Gewalt gilt es zu brechen. Ju diesem Punkte denkt
die Bodenbesitzreform sehr verschieden von der Sozialdemokratie. Ihr sind
Unternehmer und Arbeiter keine Gegensätze; unversöhnliche Gegensätze sind der
heutige Kapitalismus und die Arbeit, aber nicht das Unternehmertum und die
Arbeit. Der Unternehmer ist als Unternehmer anch Arbeiter; auch sei» Feind
ist der Kapitalismus.
Der Schein ist allerdings vielfach dagegen; aber er trügt. In derselben
Person sind nämlich häusig Kapitalist und Unternehmer vereinigt; in dieser
Personalunion werden die Interessen des Kapitalisten und des Unternehmers
ausgeglichen, die an sich einander widerstreiten, denn im Interesse des Unter¬
nehmers liegt es, das Kapital so billig wie möglich zu bekommen, im Inter¬
esse des Kapitalisten, es so teuer wie möglich auszuleihen. Ganz ähnlich Guts¬
besitzer und Landwirte, zwei Klassen, die man fortwährend dnrcheinnnderwirft.
Viele Gutsbesitzer sind gar nicht Landwirte, sie leben von dem Pacht ihres
Ackers; der Landwirt ist Arbeiter, und eine hohe Zahl von Landwirten sind
nicht Gutsbesitzer. Der Gutsbesitzer sucht den Pacht zu steigern, der Land¬
wirt wünscht sein Arbeitsmaterial, den Acker, so billig wie möglich zu be¬
kommen. Und ebenso wie die Landwirtschaft, als Landwirtschaft, so steht das
Unternehmertum im großen und ganzen nicht gut. Die Bodenbesitzreformer
rechnen von hundert Unternehmungen, auch die der kleinern Handwerker und
Landwirte eingeschlossen, etwa zehn, die in Blüte steh», fünfzig, die sich eben
halten, und vierzig, die rückwärts gehn.
Sobald sich also das Kapital dem großen und kleinen Unternehmertum
williger und billiger anbietet, wird die Arbeit erleichtert werden. Die Inter¬
essen des Lohnarbeiters sind aber mit denen des arbeitenden Unternehmers ein
und dieselben. Wir sehen es jetzt schon, daß, wo die Unternehmungen blühen,
anch die Löhne steigen; es beweist nur die Kurzsichtigkeit des Unternehmer¬
tums, wenn es niedrige Löhne wünscht, denn diese erzeugen Mangel an Konsum,
drücken die Preise, häufen die Waren an. Ju Amerika sind die Löhne ver¬
hältnismäßig hoch, und die Unternehmungen blühen; in Rußland sind die
Löhne niedrig, und die Unternehmungen stocken.
Steigt die Kousumfähigkeit, so tritt auch eine größere Nachfrage nach
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