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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Loluccio Salutati

nach Petrarcas Vorbild an dem Ausbau seiner Persönlichkeit weiterarbeitend.
Sind doch auch die wenigen aus der Zeit von 1360 bis 1366 erhaltnen
Briefe Colueeios alle von Ortschaften des Val ti Nicvole, meist ans Sti-
gnano datirt.

Während dieses langen Zeitraumes eines beschaulichen und den idealen
Gütern zugewandten Lebens hat sich wohl jene Fülle von Kraft in ihm auf¬
gespeichert, die dann auf der Höhe seines Lebens mit so elementarer Gewalt
hervorbrach. In Stigncmo vertiefte er zunächst seine klassischen Studien; der
Kreis seiner Lektüre läßt sich ungefähr nach den in seinen Briefen enthaltnen
Zitaten bestimmen: er umfaßt nußer der heiligen Schrift, mit der er ganz be¬
sonders vertraut war, die damals bekannten Schriften Ciceros, Sallust, Sueton,
Valerius Maximus, Quintilian, Macrobius, Boethius und von deu Dichtern
Virgil, Homz, Ovid, Juvenal, Statius, die Tragödien Senecas, die Disticha
Catonis, später auch Catull, Properz, Tibull, Claudian n, a. Nach diesen
Vorbildern, vor allem aber nach dem Beispiele Petrarcas versuchte sich Coluceio
auch selbst in lateinischen Dichtungen. Er sand, wie vor ihm Dante und
Petrarca, das Wesen der Poesie in der Allegorie und in der Moral. Und
wie für Petrarca die Ekloge eine willkommne Form gewesen war, "seine An¬
griffe gegen das Papsttum von Avignon, seine politischen Meinungen, aber
auch Persönliches unter einer zugleich schützenden und doch lockenden Hülle
vorzutragen," so verstand Cvluccio in seiner ersten Ekloge, die er an Boccaccio
schickte, unter dem Hirten Phrgis die irdische Welt, die in Liebe zu Cariste,
d. i. zur Gnade Gottes, vergeblich erglüht. Pyrgis gelangt ans Ziel seiner
Wünsche erst durch seinen Aufstieg über die vier schweren Berge der Kardinal-
tugenden zum Hirten Silvida, d. i. Christus. Auch was wir von Coluccios
Versuchen auf dem Gebiete des Epos und des eigentlichen Lehrgedichts wissen,
zeigt, daß er sich als Dichter über die bloße Nachahmung Petrarcas nicht er¬
hoben hat. Um so erfolgreicher waren seine Bemühungen um die Ausbildung
seines prosaischen Stils. Seine Redeweise zeigt im Wortschatz und im Satzbau,
wie natürlich, noch manche Anklänge an die mittelalterliche Latinitüt, nament¬
lich an die Briefe des Petrus de Vinca, des Kanzlers Friedrichs II,, andrer¬
seits aber eine große Verwandtschaft mit der Sprache der philosophischen
Schriften Ciceros. Doch sinkt er niemals zu einer sklavischen Nachahmung
seiner Vorbilder herab, sein Stil hat vielmehr jederzeit etwas Urwüchsiges und
deshalb besonders Wirkungsvolles behalten, das ihn von der gefeilten, aber
langweiligen Glätte der spätern Ciceronianer unterscheidet. Er sagt von sich
selbst, daß er winnlwimtö stilo schreibe. Überdies haben die Briefe Colnccios
wie auch die Petrarcas keineswegs bloß der Pflege freundschaftlicher Be¬
ziehungen, dem Trösten und Glückwünschen gedient, sie behandeln oft auch eine
wissenschaftliche oder politische Tagesfrage. Dann wachsen sie manchmal zum
Umfange kleiner Abhandlungen an, wie z.V. der Brief an Tancredo Vergivlesi


Loluccio Salutati

nach Petrarcas Vorbild an dem Ausbau seiner Persönlichkeit weiterarbeitend.
Sind doch auch die wenigen aus der Zeit von 1360 bis 1366 erhaltnen
Briefe Colueeios alle von Ortschaften des Val ti Nicvole, meist ans Sti-
gnano datirt.

Während dieses langen Zeitraumes eines beschaulichen und den idealen
Gütern zugewandten Lebens hat sich wohl jene Fülle von Kraft in ihm auf¬
gespeichert, die dann auf der Höhe seines Lebens mit so elementarer Gewalt
hervorbrach. In Stigncmo vertiefte er zunächst seine klassischen Studien; der
Kreis seiner Lektüre läßt sich ungefähr nach den in seinen Briefen enthaltnen
Zitaten bestimmen: er umfaßt nußer der heiligen Schrift, mit der er ganz be¬
sonders vertraut war, die damals bekannten Schriften Ciceros, Sallust, Sueton,
Valerius Maximus, Quintilian, Macrobius, Boethius und von deu Dichtern
Virgil, Homz, Ovid, Juvenal, Statius, die Tragödien Senecas, die Disticha
Catonis, später auch Catull, Properz, Tibull, Claudian n, a. Nach diesen
Vorbildern, vor allem aber nach dem Beispiele Petrarcas versuchte sich Coluceio
auch selbst in lateinischen Dichtungen. Er sand, wie vor ihm Dante und
Petrarca, das Wesen der Poesie in der Allegorie und in der Moral. Und
wie für Petrarca die Ekloge eine willkommne Form gewesen war, „seine An¬
griffe gegen das Papsttum von Avignon, seine politischen Meinungen, aber
auch Persönliches unter einer zugleich schützenden und doch lockenden Hülle
vorzutragen," so verstand Cvluccio in seiner ersten Ekloge, die er an Boccaccio
schickte, unter dem Hirten Phrgis die irdische Welt, die in Liebe zu Cariste,
d. i. zur Gnade Gottes, vergeblich erglüht. Pyrgis gelangt ans Ziel seiner
Wünsche erst durch seinen Aufstieg über die vier schweren Berge der Kardinal-
tugenden zum Hirten Silvida, d. i. Christus. Auch was wir von Coluccios
Versuchen auf dem Gebiete des Epos und des eigentlichen Lehrgedichts wissen,
zeigt, daß er sich als Dichter über die bloße Nachahmung Petrarcas nicht er¬
hoben hat. Um so erfolgreicher waren seine Bemühungen um die Ausbildung
seines prosaischen Stils. Seine Redeweise zeigt im Wortschatz und im Satzbau,
wie natürlich, noch manche Anklänge an die mittelalterliche Latinitüt, nament¬
lich an die Briefe des Petrus de Vinca, des Kanzlers Friedrichs II,, andrer¬
seits aber eine große Verwandtschaft mit der Sprache der philosophischen
Schriften Ciceros. Doch sinkt er niemals zu einer sklavischen Nachahmung
seiner Vorbilder herab, sein Stil hat vielmehr jederzeit etwas Urwüchsiges und
deshalb besonders Wirkungsvolles behalten, das ihn von der gefeilten, aber
langweiligen Glätte der spätern Ciceronianer unterscheidet. Er sagt von sich
selbst, daß er winnlwimtö stilo schreibe. Überdies haben die Briefe Colnccios
wie auch die Petrarcas keineswegs bloß der Pflege freundschaftlicher Be¬
ziehungen, dem Trösten und Glückwünschen gedient, sie behandeln oft auch eine
wissenschaftliche oder politische Tagesfrage. Dann wachsen sie manchmal zum
Umfange kleiner Abhandlungen an, wie z.V. der Brief an Tancredo Vergivlesi


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[0266] Loluccio Salutati nach Petrarcas Vorbild an dem Ausbau seiner Persönlichkeit weiterarbeitend. Sind doch auch die wenigen aus der Zeit von 1360 bis 1366 erhaltnen Briefe Colueeios alle von Ortschaften des Val ti Nicvole, meist ans Sti- gnano datirt. Während dieses langen Zeitraumes eines beschaulichen und den idealen Gütern zugewandten Lebens hat sich wohl jene Fülle von Kraft in ihm auf¬ gespeichert, die dann auf der Höhe seines Lebens mit so elementarer Gewalt hervorbrach. In Stigncmo vertiefte er zunächst seine klassischen Studien; der Kreis seiner Lektüre läßt sich ungefähr nach den in seinen Briefen enthaltnen Zitaten bestimmen: er umfaßt nußer der heiligen Schrift, mit der er ganz be¬ sonders vertraut war, die damals bekannten Schriften Ciceros, Sallust, Sueton, Valerius Maximus, Quintilian, Macrobius, Boethius und von deu Dichtern Virgil, Homz, Ovid, Juvenal, Statius, die Tragödien Senecas, die Disticha Catonis, später auch Catull, Properz, Tibull, Claudian n, a. Nach diesen Vorbildern, vor allem aber nach dem Beispiele Petrarcas versuchte sich Coluceio auch selbst in lateinischen Dichtungen. Er sand, wie vor ihm Dante und Petrarca, das Wesen der Poesie in der Allegorie und in der Moral. Und wie für Petrarca die Ekloge eine willkommne Form gewesen war, „seine An¬ griffe gegen das Papsttum von Avignon, seine politischen Meinungen, aber auch Persönliches unter einer zugleich schützenden und doch lockenden Hülle vorzutragen," so verstand Cvluccio in seiner ersten Ekloge, die er an Boccaccio schickte, unter dem Hirten Phrgis die irdische Welt, die in Liebe zu Cariste, d. i. zur Gnade Gottes, vergeblich erglüht. Pyrgis gelangt ans Ziel seiner Wünsche erst durch seinen Aufstieg über die vier schweren Berge der Kardinal- tugenden zum Hirten Silvida, d. i. Christus. Auch was wir von Coluccios Versuchen auf dem Gebiete des Epos und des eigentlichen Lehrgedichts wissen, zeigt, daß er sich als Dichter über die bloße Nachahmung Petrarcas nicht er¬ hoben hat. Um so erfolgreicher waren seine Bemühungen um die Ausbildung seines prosaischen Stils. Seine Redeweise zeigt im Wortschatz und im Satzbau, wie natürlich, noch manche Anklänge an die mittelalterliche Latinitüt, nament¬ lich an die Briefe des Petrus de Vinca, des Kanzlers Friedrichs II,, andrer¬ seits aber eine große Verwandtschaft mit der Sprache der philosophischen Schriften Ciceros. Doch sinkt er niemals zu einer sklavischen Nachahmung seiner Vorbilder herab, sein Stil hat vielmehr jederzeit etwas Urwüchsiges und deshalb besonders Wirkungsvolles behalten, das ihn von der gefeilten, aber langweiligen Glätte der spätern Ciceronianer unterscheidet. Er sagt von sich selbst, daß er winnlwimtö stilo schreibe. Überdies haben die Briefe Colnccios wie auch die Petrarcas keineswegs bloß der Pflege freundschaftlicher Be¬ ziehungen, dem Trösten und Glückwünschen gedient, sie behandeln oft auch eine wissenschaftliche oder politische Tagesfrage. Dann wachsen sie manchmal zum Umfange kleiner Abhandlungen an, wie z.V. der Brief an Tancredo Vergivlesi

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/266>, abgerufen am 27.11.2024.