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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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nisse der Gesellschaft eingezogen werden. Verkennt die Gesellschaft dieses so¬
ziale Naturgesetz, so bleibt der Wert, der, wegen der Unvermehrbarkeit des
Grund und Bodens und seiner Rohstoffe, das stärkste Monopol bildet,
das es giebt, der Spekulation überlassen, und die spekulative Monopvlreute
wird immer höher und höher hinaufgeschraubt. Denn die Spekulation in
Erdbodenwerten aller Art erzeugt einen künstlichen Land- und Rohstoffmangel,
indem sie Grundstücke der Bebauung vorenthält und die Erdbodenschätze, die
Urstoffe: Kohlen, Eisen, Kupfer, Blei, Stein, Thon, Salze u. s. w.
zeitweise ungehoben und unbearbeitet läßt, um einerseits die Preise dieser,
zweifellos für alle Menschen erschaffnen, zur Arbeit und zum Leben unent¬
behrlichen Wohnflächen und Rohstoffe in die Höhe zu treiben, andrerseits die
Löhne hinabzudrücken. Denn je teurer die Urstoffe und je höher die Rente,
desto billiger muß der Arbeitslohn werden. Besteuert also der Staat die
Arbeit und die Arbeitsfrüchte anstatt die Monopolwerte der Erde, so ver¬
stößt er gegen die Gesetze der Natur und gegen die Gebote der Gerechtigkeit.

Die Verteidiger von Henry Georges Ideen glauben nun nicht, daß diese
Steuerreform die menschliche Natur ändern würde. Das wäre eine für Menschen
unlösbare Ausgabe. Aber die Reform würde Zustände schaffen, die es der mensch¬
lichen Natur ermöglichten, sich zum Guten zu entwickeln, anstatt sie zum Schlechten
zu verleiten, wie es unsre heutigen ungerechten wirtschaftlichen Verhältnisse
thun. Sie würde den Arbeitslohn erhöhen und eine so große Gütererzeugung
veranlassen, wie wir sie uns heute gar uicht vorstellen können. Sie würde
die rationellste Ausnutzung des Bodens erzwingen. Sie würde eine gerechte
Verteilung des Wohlstandes, dem Fleiß und den Fähigkeiten entsprechend, be¬
wirken. Sie würde also die heutige soziale Frage lösen und die sich immer
dichter ansammelnden Wolken von dem Horizonte unsrer Zivilisation ver¬
scheuchen. Sie würde unverschuldete Arbeitslosigkeit und Armut ganz un¬
möglich machen. Sie würde den seclenverderbenden Mammonkultus vernichten.
Sie würde dem brutalisirenden Mangel und dem überflüssigen entsittlichenden
Luxus ein Ende bereiten. Sie würde es den Menschen ermöglichen,
wenigstens so ehrlich, so wahr, so liebevoll und so hochherzig zu sein, wie
sie gern sein möchten, wie sie aber uuter den heutigen wirtschaftlichen Ver¬
hältnissen so oft nicht sein tonnen. Sie würde die quälende Furcht vor
Mangel und Not verbannen. Sie würde selbst die wirtschaftlich Schwächsten
in die Lage versetzen, sich einen ausreichenden Lebensunterhalt zu verdienen,
und sie sogar der höhern Knlturgenüssc teilhaftig werden lassen. Kurz, die
Reform würde den Weg zu einem Zeitalter der Gerechtigkeit anbahnen.

Dies sind einige der Hauptgründe, die den großen Denker und Welt¬
wirtschaftslehrer Henry George veranlaßt haben, eine Grundwertsteuer als
"einzige Steuer" zu empfehlen. Um jedoch seine Lehre von der wirtschaft¬
lichen Gerechtigkeit ganz zu verstehen, muß man seine meisterhaft geschriebnen


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nisse der Gesellschaft eingezogen werden. Verkennt die Gesellschaft dieses so¬
ziale Naturgesetz, so bleibt der Wert, der, wegen der Unvermehrbarkeit des
Grund und Bodens und seiner Rohstoffe, das stärkste Monopol bildet,
das es giebt, der Spekulation überlassen, und die spekulative Monopvlreute
wird immer höher und höher hinaufgeschraubt. Denn die Spekulation in
Erdbodenwerten aller Art erzeugt einen künstlichen Land- und Rohstoffmangel,
indem sie Grundstücke der Bebauung vorenthält und die Erdbodenschätze, die
Urstoffe: Kohlen, Eisen, Kupfer, Blei, Stein, Thon, Salze u. s. w.
zeitweise ungehoben und unbearbeitet läßt, um einerseits die Preise dieser,
zweifellos für alle Menschen erschaffnen, zur Arbeit und zum Leben unent¬
behrlichen Wohnflächen und Rohstoffe in die Höhe zu treiben, andrerseits die
Löhne hinabzudrücken. Denn je teurer die Urstoffe und je höher die Rente,
desto billiger muß der Arbeitslohn werden. Besteuert also der Staat die
Arbeit und die Arbeitsfrüchte anstatt die Monopolwerte der Erde, so ver¬
stößt er gegen die Gesetze der Natur und gegen die Gebote der Gerechtigkeit.

Die Verteidiger von Henry Georges Ideen glauben nun nicht, daß diese
Steuerreform die menschliche Natur ändern würde. Das wäre eine für Menschen
unlösbare Ausgabe. Aber die Reform würde Zustände schaffen, die es der mensch¬
lichen Natur ermöglichten, sich zum Guten zu entwickeln, anstatt sie zum Schlechten
zu verleiten, wie es unsre heutigen ungerechten wirtschaftlichen Verhältnisse
thun. Sie würde den Arbeitslohn erhöhen und eine so große Gütererzeugung
veranlassen, wie wir sie uns heute gar uicht vorstellen können. Sie würde
die rationellste Ausnutzung des Bodens erzwingen. Sie würde eine gerechte
Verteilung des Wohlstandes, dem Fleiß und den Fähigkeiten entsprechend, be¬
wirken. Sie würde also die heutige soziale Frage lösen und die sich immer
dichter ansammelnden Wolken von dem Horizonte unsrer Zivilisation ver¬
scheuchen. Sie würde unverschuldete Arbeitslosigkeit und Armut ganz un¬
möglich machen. Sie würde den seclenverderbenden Mammonkultus vernichten.
Sie würde dem brutalisirenden Mangel und dem überflüssigen entsittlichenden
Luxus ein Ende bereiten. Sie würde es den Menschen ermöglichen,
wenigstens so ehrlich, so wahr, so liebevoll und so hochherzig zu sein, wie
sie gern sein möchten, wie sie aber uuter den heutigen wirtschaftlichen Ver¬
hältnissen so oft nicht sein tonnen. Sie würde die quälende Furcht vor
Mangel und Not verbannen. Sie würde selbst die wirtschaftlich Schwächsten
in die Lage versetzen, sich einen ausreichenden Lebensunterhalt zu verdienen,
und sie sogar der höhern Knlturgenüssc teilhaftig werden lassen. Kurz, die
Reform würde den Weg zu einem Zeitalter der Gerechtigkeit anbahnen.

Dies sind einige der Hauptgründe, die den großen Denker und Welt¬
wirtschaftslehrer Henry George veranlaßt haben, eine Grundwertsteuer als
„einzige Steuer" zu empfehlen. Um jedoch seine Lehre von der wirtschaft¬
lichen Gerechtigkeit ganz zu verstehen, muß man seine meisterhaft geschriebnen


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[0026] Line einzige steuert nisse der Gesellschaft eingezogen werden. Verkennt die Gesellschaft dieses so¬ ziale Naturgesetz, so bleibt der Wert, der, wegen der Unvermehrbarkeit des Grund und Bodens und seiner Rohstoffe, das stärkste Monopol bildet, das es giebt, der Spekulation überlassen, und die spekulative Monopvlreute wird immer höher und höher hinaufgeschraubt. Denn die Spekulation in Erdbodenwerten aller Art erzeugt einen künstlichen Land- und Rohstoffmangel, indem sie Grundstücke der Bebauung vorenthält und die Erdbodenschätze, die Urstoffe: Kohlen, Eisen, Kupfer, Blei, Stein, Thon, Salze u. s. w. zeitweise ungehoben und unbearbeitet läßt, um einerseits die Preise dieser, zweifellos für alle Menschen erschaffnen, zur Arbeit und zum Leben unent¬ behrlichen Wohnflächen und Rohstoffe in die Höhe zu treiben, andrerseits die Löhne hinabzudrücken. Denn je teurer die Urstoffe und je höher die Rente, desto billiger muß der Arbeitslohn werden. Besteuert also der Staat die Arbeit und die Arbeitsfrüchte anstatt die Monopolwerte der Erde, so ver¬ stößt er gegen die Gesetze der Natur und gegen die Gebote der Gerechtigkeit. Die Verteidiger von Henry Georges Ideen glauben nun nicht, daß diese Steuerreform die menschliche Natur ändern würde. Das wäre eine für Menschen unlösbare Ausgabe. Aber die Reform würde Zustände schaffen, die es der mensch¬ lichen Natur ermöglichten, sich zum Guten zu entwickeln, anstatt sie zum Schlechten zu verleiten, wie es unsre heutigen ungerechten wirtschaftlichen Verhältnisse thun. Sie würde den Arbeitslohn erhöhen und eine so große Gütererzeugung veranlassen, wie wir sie uns heute gar uicht vorstellen können. Sie würde die rationellste Ausnutzung des Bodens erzwingen. Sie würde eine gerechte Verteilung des Wohlstandes, dem Fleiß und den Fähigkeiten entsprechend, be¬ wirken. Sie würde also die heutige soziale Frage lösen und die sich immer dichter ansammelnden Wolken von dem Horizonte unsrer Zivilisation ver¬ scheuchen. Sie würde unverschuldete Arbeitslosigkeit und Armut ganz un¬ möglich machen. Sie würde den seclenverderbenden Mammonkultus vernichten. Sie würde dem brutalisirenden Mangel und dem überflüssigen entsittlichenden Luxus ein Ende bereiten. Sie würde es den Menschen ermöglichen, wenigstens so ehrlich, so wahr, so liebevoll und so hochherzig zu sein, wie sie gern sein möchten, wie sie aber uuter den heutigen wirtschaftlichen Ver¬ hältnissen so oft nicht sein tonnen. Sie würde die quälende Furcht vor Mangel und Not verbannen. Sie würde selbst die wirtschaftlich Schwächsten in die Lage versetzen, sich einen ausreichenden Lebensunterhalt zu verdienen, und sie sogar der höhern Knlturgenüssc teilhaftig werden lassen. Kurz, die Reform würde den Weg zu einem Zeitalter der Gerechtigkeit anbahnen. Dies sind einige der Hauptgründe, die den großen Denker und Welt¬ wirtschaftslehrer Henry George veranlaßt haben, eine Grundwertsteuer als „einzige Steuer" zu empfehlen. Um jedoch seine Lehre von der wirtschaft¬ lichen Gerechtigkeit ganz zu verstehen, muß man seine meisterhaft geschriebnen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/26>, abgerufen am 23.11.2024.