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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Der Schutz der Gewerbtreibeiiden gegen unlautern Mitbewerb

Ich halte diese Formulirung des Gedankens für befriedigend. Durch
den wörtlichen Anschluß der Fassung an 8 263 des Strafgesetzbuchs ist aus¬
gedrückt, daß nur solche unwahre Angaben mit Strafe bedroht werden sollen,
die unter andern Verhältnissen den Begriff des Betrugs ausmachen. Würde
der Paragraph zum Gesetz erhoben, so könnte der oben erwähnte Z 15, als
einen besondern Fall betreffend, damit verbunden werden. Beiden Bestim¬
mungen dürfte dann aber noch ein Zusatz zu geben sein.

Es liegt in der Natur der Sache und ist auch in der Fassung der Para¬
graphen vorgesehen, daß nur der gestraft werden kaun, der die täuschende
Handlung wider besseres Wissen vornimmt. Nun find aber Fälle denkbar,
wo jemand bei seiner unwahren Angabe in gutem Glauben gewesen ist, oder
wo wenigstens die Absicht der Täuschung nicht nachgewiesen werden kann.
Soll es nun in einem solchen Falle bei der Freisprechung des Angeklagten
sein Bewenden haben? Meiner Ansicht nach wären die Gerichte anzuweisen,
in einem solchen Falle auszusprechen, daß eine objektiv täuschende Handlung
vorliege, und daß sich der Angeklagte fortan dieser Handlung zu enthalten habe.
Damit wäre für die Zukunft gesorgt.

Es entsteht nun die Frage: soll in dem Falle einer solchen unwahren
Reklame, neben der strafrechtlichen Verfolgung, auch ein zivilrechtlicher An¬
spruch der dadurch geschädigten andern Gewerbtreibenden gegeben sein? Im
französischen Recht bildet gerade der zivilrechtliche Anspruch der übrigen Ge¬
werbtreibenden das Mittel, lügenhaften Reklamen entgegenzutreten.

Fassen wir zunächst den Fall ins Auge, daß die in der Reklame vor¬
gebrachten unwahren Angaben lediglich auf eine Anpreisung der eignen Ware,
nicht auf eine Herabwürdigung der Ware andrer hinauslaufen, so würden wir
es für diesen Fall für bedenklich halten, jedem andern Gewerbtreibenden, der
sich durch die Reklame verletzt fühlte, eine Klage zu geben. Es dürfte dafür
kein dringendes Bedürfnis vorliegen. Der zugefügte Schaden wird sich in der
Regel auf viele verteilen, und es würde sehr schwer sein, zu sagen, welcher
Teil jeden einzelnen träfe. Zugleich würde aber aus der Gewährung einer
solchen Klage leicht eine wahre Hetzjagd gegen den Neklamemacher entstehen,
die in ihrem offenbaren Streben nach Ausbeutung auch kein schönes Schauspiel
darböte. Wird die lügenhafte Reklame mit öffentlicher Strafe bedroht, so
kann ja jeder Gewerbetreibende, der sich durch eine solche für geschädigt er¬
achtet, die Sache beim Stantsanwalt anzeigen und diesen mit dem nötigen
Material versehen. Thut dann der Staatsanwalt seine Pflicht, so liegt schon
in dem eingeleiteten Strafverfahren ein genügender Schutz für die konkurri-
renden Gewerbtreibenden.

Anders liegt die Sache, wenn die unwahren Angaben der Reklame nicht
allein auf Anpreisung der eignen Ware, sondern auch auf Herabsetzung der
fremden Waren (die Franzosen nennen es cisuiZrölliönt, Anschwärzung) ge-


Der Schutz der Gewerbtreibeiiden gegen unlautern Mitbewerb

Ich halte diese Formulirung des Gedankens für befriedigend. Durch
den wörtlichen Anschluß der Fassung an 8 263 des Strafgesetzbuchs ist aus¬
gedrückt, daß nur solche unwahre Angaben mit Strafe bedroht werden sollen,
die unter andern Verhältnissen den Begriff des Betrugs ausmachen. Würde
der Paragraph zum Gesetz erhoben, so könnte der oben erwähnte Z 15, als
einen besondern Fall betreffend, damit verbunden werden. Beiden Bestim¬
mungen dürfte dann aber noch ein Zusatz zu geben sein.

Es liegt in der Natur der Sache und ist auch in der Fassung der Para¬
graphen vorgesehen, daß nur der gestraft werden kaun, der die täuschende
Handlung wider besseres Wissen vornimmt. Nun find aber Fälle denkbar,
wo jemand bei seiner unwahren Angabe in gutem Glauben gewesen ist, oder
wo wenigstens die Absicht der Täuschung nicht nachgewiesen werden kann.
Soll es nun in einem solchen Falle bei der Freisprechung des Angeklagten
sein Bewenden haben? Meiner Ansicht nach wären die Gerichte anzuweisen,
in einem solchen Falle auszusprechen, daß eine objektiv täuschende Handlung
vorliege, und daß sich der Angeklagte fortan dieser Handlung zu enthalten habe.
Damit wäre für die Zukunft gesorgt.

Es entsteht nun die Frage: soll in dem Falle einer solchen unwahren
Reklame, neben der strafrechtlichen Verfolgung, auch ein zivilrechtlicher An¬
spruch der dadurch geschädigten andern Gewerbtreibenden gegeben sein? Im
französischen Recht bildet gerade der zivilrechtliche Anspruch der übrigen Ge¬
werbtreibenden das Mittel, lügenhaften Reklamen entgegenzutreten.

Fassen wir zunächst den Fall ins Auge, daß die in der Reklame vor¬
gebrachten unwahren Angaben lediglich auf eine Anpreisung der eignen Ware,
nicht auf eine Herabwürdigung der Ware andrer hinauslaufen, so würden wir
es für diesen Fall für bedenklich halten, jedem andern Gewerbtreibenden, der
sich durch die Reklame verletzt fühlte, eine Klage zu geben. Es dürfte dafür
kein dringendes Bedürfnis vorliegen. Der zugefügte Schaden wird sich in der
Regel auf viele verteilen, und es würde sehr schwer sein, zu sagen, welcher
Teil jeden einzelnen träfe. Zugleich würde aber aus der Gewährung einer
solchen Klage leicht eine wahre Hetzjagd gegen den Neklamemacher entstehen,
die in ihrem offenbaren Streben nach Ausbeutung auch kein schönes Schauspiel
darböte. Wird die lügenhafte Reklame mit öffentlicher Strafe bedroht, so
kann ja jeder Gewerbetreibende, der sich durch eine solche für geschädigt er¬
achtet, die Sache beim Stantsanwalt anzeigen und diesen mit dem nötigen
Material versehen. Thut dann der Staatsanwalt seine Pflicht, so liegt schon
in dem eingeleiteten Strafverfahren ein genügender Schutz für die konkurri-
renden Gewerbtreibenden.

Anders liegt die Sache, wenn die unwahren Angaben der Reklame nicht
allein auf Anpreisung der eignen Ware, sondern auch auf Herabsetzung der
fremden Waren (die Franzosen nennen es cisuiZrölliönt, Anschwärzung) ge-


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[0254] Der Schutz der Gewerbtreibeiiden gegen unlautern Mitbewerb Ich halte diese Formulirung des Gedankens für befriedigend. Durch den wörtlichen Anschluß der Fassung an 8 263 des Strafgesetzbuchs ist aus¬ gedrückt, daß nur solche unwahre Angaben mit Strafe bedroht werden sollen, die unter andern Verhältnissen den Begriff des Betrugs ausmachen. Würde der Paragraph zum Gesetz erhoben, so könnte der oben erwähnte Z 15, als einen besondern Fall betreffend, damit verbunden werden. Beiden Bestim¬ mungen dürfte dann aber noch ein Zusatz zu geben sein. Es liegt in der Natur der Sache und ist auch in der Fassung der Para¬ graphen vorgesehen, daß nur der gestraft werden kaun, der die täuschende Handlung wider besseres Wissen vornimmt. Nun find aber Fälle denkbar, wo jemand bei seiner unwahren Angabe in gutem Glauben gewesen ist, oder wo wenigstens die Absicht der Täuschung nicht nachgewiesen werden kann. Soll es nun in einem solchen Falle bei der Freisprechung des Angeklagten sein Bewenden haben? Meiner Ansicht nach wären die Gerichte anzuweisen, in einem solchen Falle auszusprechen, daß eine objektiv täuschende Handlung vorliege, und daß sich der Angeklagte fortan dieser Handlung zu enthalten habe. Damit wäre für die Zukunft gesorgt. Es entsteht nun die Frage: soll in dem Falle einer solchen unwahren Reklame, neben der strafrechtlichen Verfolgung, auch ein zivilrechtlicher An¬ spruch der dadurch geschädigten andern Gewerbtreibenden gegeben sein? Im französischen Recht bildet gerade der zivilrechtliche Anspruch der übrigen Ge¬ werbtreibenden das Mittel, lügenhaften Reklamen entgegenzutreten. Fassen wir zunächst den Fall ins Auge, daß die in der Reklame vor¬ gebrachten unwahren Angaben lediglich auf eine Anpreisung der eignen Ware, nicht auf eine Herabwürdigung der Ware andrer hinauslaufen, so würden wir es für diesen Fall für bedenklich halten, jedem andern Gewerbtreibenden, der sich durch die Reklame verletzt fühlte, eine Klage zu geben. Es dürfte dafür kein dringendes Bedürfnis vorliegen. Der zugefügte Schaden wird sich in der Regel auf viele verteilen, und es würde sehr schwer sein, zu sagen, welcher Teil jeden einzelnen träfe. Zugleich würde aber aus der Gewährung einer solchen Klage leicht eine wahre Hetzjagd gegen den Neklamemacher entstehen, die in ihrem offenbaren Streben nach Ausbeutung auch kein schönes Schauspiel darböte. Wird die lügenhafte Reklame mit öffentlicher Strafe bedroht, so kann ja jeder Gewerbetreibende, der sich durch eine solche für geschädigt er¬ achtet, die Sache beim Stantsanwalt anzeigen und diesen mit dem nötigen Material versehen. Thut dann der Staatsanwalt seine Pflicht, so liegt schon in dem eingeleiteten Strafverfahren ein genügender Schutz für die konkurri- renden Gewerbtreibenden. Anders liegt die Sache, wenn die unwahren Angaben der Reklame nicht allein auf Anpreisung der eignen Ware, sondern auch auf Herabsetzung der fremden Waren (die Franzosen nennen es cisuiZrölliönt, Anschwärzung) ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/254>, abgerufen am 28.07.2024.