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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.

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Der Schutz der Gewerbtreibenden gegen unlautern lNitbewerb

ein solcher Antrag (Ur. 29 der Drucksachen, Ur. 7) gestellt worden, und es
wäre zu wünschen, daß ihm die Gesetzgebung Folge gäbe.*)

Wir kehren nun zu der Frage zurück, ob eine Erweiterung unsers Rechts
in der Richtung der Praxis der französischen Gerichte wünschenswert sei. Ich
nehme keinen Anstand, diese Frage zu bejahen. Es wird aber zu prüfen sein,
wie weit man hierin zu gehen habe. Diese Prüfung werden wir vorzunehmen
haben unter dem doppelten Gesichtspunkte: welcher Schutz gebührt gegen un¬
lautere Reklame dem Publikum, und welcher Schutz gebührt den konkurrirenden
Gewerbtreibenden?

Wir stellen für unsre Untersuchung den Satz an die Spitze: im Verkehr
muß Wahrheit herrschen. Wer andre, mit denen er in Geschüftsbeziehungen
tritt, durch falsche Angaben tauscht, macht sich dadurch verantwortlich. Man
hat, wie schon bemerkt, bisher diesen Grundsatz nur in der Beschränkung für
anwendbar gehalten, daß man den Nachweis einer Täuschung und Schädigung
einzelner bestimmter Personen sür nötig hielt. Dies hat nicht selten zu Er¬
gebnissen geführt, die für das Rechtsgefühl unbefriedigend waren. Man wird
sich erinnern, daß z. B. die am Schluß der Gründerzeit gegen einzelne Gründer
wegen ihrer lügenhaften Ankündigungen erhobnen Strafprozesse meist an jenem
Erfordernis scheiterten. Die Bedeutung, die die Reklame in unserm heutigen Ver¬
kehrsleben gewonnen hat, macht es nötig, von diesem an dem alten Begriffe des
Betrugs klebenden Erfordernis abzustehn. Die lügenhafte Reklame, die das Publi¬
kum im allgemeinen gefährdet, muß für sich selbst als ein strafrechtlich verfolgbares
Vergehen gelten, ohne daß die Nachweisung eines besondern Schadens nötig ist.
Darin liegt keine Härte, wenn man nur folgende Unterscheidung festhält.

Schon im römischen Rechte wurde beim Kauf unterschieden zwischen all¬
gemeinen Anpreisungen, die der Verkäufer seiner Sache angedeihen läßt, und
der Versicherung besondrer Eigenschaften der Sache, die deren Wert erhöhen.
Allgemeine Anpreisungen, auch wenn sie sich nicht bewährten, machten den
Verkäufer nicht verantwortlich, Wohl aber die Zusicherung bestimmter Eigen¬
schaften. Dies ist auch heute noch geltendes Recht, und es entspricht anch
ganz unserm Rechtsgefühl. Allgemeine Anpreisungen durch die Reklame mögen
also auch fernerhin gestattet sein. Niemand soll verhindert werden, seine Ware
als eine "vorzügliche," "hochfeine" zu empfehlen oder anzukündigen, daß er
"fpottbillig," "zu wahren Schleuderpreisen" verkaufe. Bei der relativen Natur
dieser Begriffe würde es meistens auch sehr schwer sein, den Reklamemacher der
Lügenhaftigkeit zu überführen. Auch sind solche Anpreisungen ziemlich ungefähr¬
lich, da jedermann weiß, was er davon zu halten hat. Anders, wenn zur An¬
lockung der Käufer besondre lügenhafte Angaben gemacht werden; wenn also z.B.



*) Der Verfasser hat sich gegen diesen Mißbrauch schol^ im Jahre 1381 in den von
ihm herausgegebnen "Urteilen des Reichsgerichts" S, 140 ausgesprochen.
Der Schutz der Gewerbtreibenden gegen unlautern lNitbewerb

ein solcher Antrag (Ur. 29 der Drucksachen, Ur. 7) gestellt worden, und es
wäre zu wünschen, daß ihm die Gesetzgebung Folge gäbe.*)

Wir kehren nun zu der Frage zurück, ob eine Erweiterung unsers Rechts
in der Richtung der Praxis der französischen Gerichte wünschenswert sei. Ich
nehme keinen Anstand, diese Frage zu bejahen. Es wird aber zu prüfen sein,
wie weit man hierin zu gehen habe. Diese Prüfung werden wir vorzunehmen
haben unter dem doppelten Gesichtspunkte: welcher Schutz gebührt gegen un¬
lautere Reklame dem Publikum, und welcher Schutz gebührt den konkurrirenden
Gewerbtreibenden?

Wir stellen für unsre Untersuchung den Satz an die Spitze: im Verkehr
muß Wahrheit herrschen. Wer andre, mit denen er in Geschüftsbeziehungen
tritt, durch falsche Angaben tauscht, macht sich dadurch verantwortlich. Man
hat, wie schon bemerkt, bisher diesen Grundsatz nur in der Beschränkung für
anwendbar gehalten, daß man den Nachweis einer Täuschung und Schädigung
einzelner bestimmter Personen sür nötig hielt. Dies hat nicht selten zu Er¬
gebnissen geführt, die für das Rechtsgefühl unbefriedigend waren. Man wird
sich erinnern, daß z. B. die am Schluß der Gründerzeit gegen einzelne Gründer
wegen ihrer lügenhaften Ankündigungen erhobnen Strafprozesse meist an jenem
Erfordernis scheiterten. Die Bedeutung, die die Reklame in unserm heutigen Ver¬
kehrsleben gewonnen hat, macht es nötig, von diesem an dem alten Begriffe des
Betrugs klebenden Erfordernis abzustehn. Die lügenhafte Reklame, die das Publi¬
kum im allgemeinen gefährdet, muß für sich selbst als ein strafrechtlich verfolgbares
Vergehen gelten, ohne daß die Nachweisung eines besondern Schadens nötig ist.
Darin liegt keine Härte, wenn man nur folgende Unterscheidung festhält.

Schon im römischen Rechte wurde beim Kauf unterschieden zwischen all¬
gemeinen Anpreisungen, die der Verkäufer seiner Sache angedeihen läßt, und
der Versicherung besondrer Eigenschaften der Sache, die deren Wert erhöhen.
Allgemeine Anpreisungen, auch wenn sie sich nicht bewährten, machten den
Verkäufer nicht verantwortlich, Wohl aber die Zusicherung bestimmter Eigen¬
schaften. Dies ist auch heute noch geltendes Recht, und es entspricht anch
ganz unserm Rechtsgefühl. Allgemeine Anpreisungen durch die Reklame mögen
also auch fernerhin gestattet sein. Niemand soll verhindert werden, seine Ware
als eine „vorzügliche," „hochfeine" zu empfehlen oder anzukündigen, daß er
„fpottbillig," „zu wahren Schleuderpreisen" verkaufe. Bei der relativen Natur
dieser Begriffe würde es meistens auch sehr schwer sein, den Reklamemacher der
Lügenhaftigkeit zu überführen. Auch sind solche Anpreisungen ziemlich ungefähr¬
lich, da jedermann weiß, was er davon zu halten hat. Anders, wenn zur An¬
lockung der Käufer besondre lügenhafte Angaben gemacht werden; wenn also z.B.



*) Der Verfasser hat sich gegen diesen Mißbrauch schol^ im Jahre 1381 in den von
ihm herausgegebnen „Urteilen des Reichsgerichts" S, 140 ausgesprochen.
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[0252] Der Schutz der Gewerbtreibenden gegen unlautern lNitbewerb ein solcher Antrag (Ur. 29 der Drucksachen, Ur. 7) gestellt worden, und es wäre zu wünschen, daß ihm die Gesetzgebung Folge gäbe.*) Wir kehren nun zu der Frage zurück, ob eine Erweiterung unsers Rechts in der Richtung der Praxis der französischen Gerichte wünschenswert sei. Ich nehme keinen Anstand, diese Frage zu bejahen. Es wird aber zu prüfen sein, wie weit man hierin zu gehen habe. Diese Prüfung werden wir vorzunehmen haben unter dem doppelten Gesichtspunkte: welcher Schutz gebührt gegen un¬ lautere Reklame dem Publikum, und welcher Schutz gebührt den konkurrirenden Gewerbtreibenden? Wir stellen für unsre Untersuchung den Satz an die Spitze: im Verkehr muß Wahrheit herrschen. Wer andre, mit denen er in Geschüftsbeziehungen tritt, durch falsche Angaben tauscht, macht sich dadurch verantwortlich. Man hat, wie schon bemerkt, bisher diesen Grundsatz nur in der Beschränkung für anwendbar gehalten, daß man den Nachweis einer Täuschung und Schädigung einzelner bestimmter Personen sür nötig hielt. Dies hat nicht selten zu Er¬ gebnissen geführt, die für das Rechtsgefühl unbefriedigend waren. Man wird sich erinnern, daß z. B. die am Schluß der Gründerzeit gegen einzelne Gründer wegen ihrer lügenhaften Ankündigungen erhobnen Strafprozesse meist an jenem Erfordernis scheiterten. Die Bedeutung, die die Reklame in unserm heutigen Ver¬ kehrsleben gewonnen hat, macht es nötig, von diesem an dem alten Begriffe des Betrugs klebenden Erfordernis abzustehn. Die lügenhafte Reklame, die das Publi¬ kum im allgemeinen gefährdet, muß für sich selbst als ein strafrechtlich verfolgbares Vergehen gelten, ohne daß die Nachweisung eines besondern Schadens nötig ist. Darin liegt keine Härte, wenn man nur folgende Unterscheidung festhält. Schon im römischen Rechte wurde beim Kauf unterschieden zwischen all¬ gemeinen Anpreisungen, die der Verkäufer seiner Sache angedeihen läßt, und der Versicherung besondrer Eigenschaften der Sache, die deren Wert erhöhen. Allgemeine Anpreisungen, auch wenn sie sich nicht bewährten, machten den Verkäufer nicht verantwortlich, Wohl aber die Zusicherung bestimmter Eigen¬ schaften. Dies ist auch heute noch geltendes Recht, und es entspricht anch ganz unserm Rechtsgefühl. Allgemeine Anpreisungen durch die Reklame mögen also auch fernerhin gestattet sein. Niemand soll verhindert werden, seine Ware als eine „vorzügliche," „hochfeine" zu empfehlen oder anzukündigen, daß er „fpottbillig," „zu wahren Schleuderpreisen" verkaufe. Bei der relativen Natur dieser Begriffe würde es meistens auch sehr schwer sein, den Reklamemacher der Lügenhaftigkeit zu überführen. Auch sind solche Anpreisungen ziemlich ungefähr¬ lich, da jedermann weiß, was er davon zu halten hat. Anders, wenn zur An¬ lockung der Käufer besondre lügenhafte Angaben gemacht werden; wenn also z.B. *) Der Verfasser hat sich gegen diesen Mißbrauch schol^ im Jahre 1381 in den von ihm herausgegebnen „Urteilen des Reichsgerichts" S, 140 ausgesprochen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_215089/252>, abgerufen am 24.11.2024.