Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches handelt ist, kann nur bei diesen Gedichten immer noch leichter als bei so manchen Der Führer dnrch Leipzig, der uns mit solcher Siegesgewißheit an¬ Daß die siebenundfünfzig Geschnftsauzeigeu dem Fremden kein Bild von der Maßgebliches und Unmaßgebliches handelt ist, kann nur bei diesen Gedichten immer noch leichter als bei so manchen Der Führer dnrch Leipzig, der uns mit solcher Siegesgewißheit an¬ Daß die siebenundfünfzig Geschnftsauzeigeu dem Fremden kein Bild von der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0246" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/215336"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_862" prev="#ID_861"> handelt ist, kann nur bei diesen Gedichten immer noch leichter als bei so manchen<lb/> andern ans Licht gerissenen zugeben, daß sie einen ,,nicht zu unterschätzenden Bei¬<lb/> trag zur Kenntnis seiner Persönlichkeit und seines Charakters darbieten." Alles<lb/> in allem werden namentlich die zahlreichen Sammler der Denkwürdigkeiten und<lb/> Erinnerungen von 1813 die pietätvolle Herausgabe dieses Kriegstascheubuchs will¬<lb/> kommen heißen. Als Reliquie nehmen anch wir sie dankbar hin. Wenn man<lb/> sich aber dazu versteigt, sie als eine wichtige Veröffentlichung zur ,,Körnerwissen¬<lb/> schaft" zu bezeichnen, so möchten wir dagegen doch Protest einlegen. Körner, der<lb/> Krieger wie der Dichter, in hohen Ehren! Aber Körnerwissenschcift? Wer steht uns<lb/> dafür, daß es nicht nächstens anch eine Friedrich-Hofmann-Wissenschaft oder eine<lb/> Müller-von-der-Werra-Wissenschaft geben wird?</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Der Führer dnrch Leipzig,</head> <p xml:id="ID_863"> der uns mit solcher Siegesgewißheit an¬<lb/> gekündigt worden war, ist in den letzten Tagen erschienen, und was wir gefürchtet<lb/> hatten, ist vollständig eingetroffen: er ist noch jämmerlicher als alle seine Vor¬<lb/> gänger. Während die bisherigen Führer durch Leipzig, sie mochten so schlecht sein,<lb/> Wie sie wollten, doch wenigstens den Zweck hatten, dem Publikum zu dienen, hat<lb/> dieser Führer einzig und allein den Zweck, den Unternehmern zu dienen, er ist<lb/> nichts als ein Retlameuntcrnchmcn, eine Art „Eisenbnhnzcitung" in Buchform.<lb/> Den Hauptinhalt bilden 57 — sage und schreibe siebenundfünfzig — Gcschäfts-<lb/> auzeigen von Leipziger Geschäften, die mit dreißig Ansichten von Leipziger Ge¬<lb/> bäuden, Denkmälern u. s. w. gemischt sind. Die elf vornugeheuden Seiten sind mit<lb/> einem „handelsgcschichtlichen Vorwort" und einer Beschreibung der dreißig Ab¬<lb/> bildungen gestillt, in die die üblichen stadtgeschichtlichen Brocken eingestreut siud.<lb/> Dazwischen ein Verzeichnis der Postämter, der Kirchen, der Denkmäler, der Kon¬<lb/> sulate, der „Vergnügen und Sehenswürdigkeiten" u. s. w.</p><lb/> <p xml:id="ID_864" next="#ID_865"> Daß die siebenundfünfzig Geschnftsauzeigeu dem Fremden kein Bild von der<lb/> Leipziger Geschäftswelt geben können, liegt auf der Hand. Es sind zwar einige<lb/> bedeutendere Geschäfte darunter, aber zehnmal so viel ebenso bedeutende fehlen.<lb/> Sie haben eben nicht „inserirt," folglich sind sie für den Führer nicht vorhanden.<lb/> Was dabei herauskommt, dafür nur ein Beispiel. Leipzig hat jetzt über 500 Buch¬<lb/> handlungen, darunter etwa 6V Sortimentsgeschäfte mit offnem Laden. Der Führer<lb/> zählt S. 19 — zwei Buchhandlungen auf, die beiden, die „inserirt" haben.<lb/> Es ist fast unglaublich, aber es ist so. Ebenso steht es mit den Gasthöfen und<lb/> Wirtschaften. Diese scheinen sich grundsätzlich von dein Führer ferngehalten zu<lb/> haben. Infolge dessen ist in dem ganzen Heft nicht ein einziger Gnsthof er¬<lb/> wähnt! Ein paar Wirtschaften haben „inserirt," aber gerade die vornehmsten, an¬<lb/> gesehensten und beliebteste» fehle». Doch das sieht ja auch der blödeste Fremde<lb/> auf den ersten Blick. Was er aber nicht auf den ersten Blick sieht, das ist die<lb/> Jämmerlichkeit des vorausgeschickten Textes. Dieser Text ist in der Auswahl,<lb/> Anordnung und Darstellung des Stoffes so kindisch — das „haudelsgeschichtliche<lb/> Borwort" hätte getrost von Karlchen Micßnick unterzeichnet werden können —,<lb/> und dabei so voll von Fehlern. Mißverständnissen und Nachlässigkeiten, daß jeder<lb/> Fremde zu bedauern ist, dem dieses Machwerk in die Hände gespielt wird.<lb/> Was soll der Fremde dazu sagen, wenn er ins Rathaus kommt, um den „Silber¬<lb/> schatz" der Stadt zu sehen, und dort erfährt, daß der schon seit zwanzig Jahren<lb/> im Kunstgewerbemuseum ausgestellt ist? oder wenn er, um das Museum für<lb/> Völkerkunde zu besuche», i» die alte Buchhändlerbörse auf der Ritterstraße geht<lb/> und dort — den Universitätsfreitisch findet? Jeder Schüler auf der Straße</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0246]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
handelt ist, kann nur bei diesen Gedichten immer noch leichter als bei so manchen
andern ans Licht gerissenen zugeben, daß sie einen ,,nicht zu unterschätzenden Bei¬
trag zur Kenntnis seiner Persönlichkeit und seines Charakters darbieten." Alles
in allem werden namentlich die zahlreichen Sammler der Denkwürdigkeiten und
Erinnerungen von 1813 die pietätvolle Herausgabe dieses Kriegstascheubuchs will¬
kommen heißen. Als Reliquie nehmen anch wir sie dankbar hin. Wenn man
sich aber dazu versteigt, sie als eine wichtige Veröffentlichung zur ,,Körnerwissen¬
schaft" zu bezeichnen, so möchten wir dagegen doch Protest einlegen. Körner, der
Krieger wie der Dichter, in hohen Ehren! Aber Körnerwissenschcift? Wer steht uns
dafür, daß es nicht nächstens anch eine Friedrich-Hofmann-Wissenschaft oder eine
Müller-von-der-Werra-Wissenschaft geben wird?
Der Führer dnrch Leipzig, der uns mit solcher Siegesgewißheit an¬
gekündigt worden war, ist in den letzten Tagen erschienen, und was wir gefürchtet
hatten, ist vollständig eingetroffen: er ist noch jämmerlicher als alle seine Vor¬
gänger. Während die bisherigen Führer durch Leipzig, sie mochten so schlecht sein,
Wie sie wollten, doch wenigstens den Zweck hatten, dem Publikum zu dienen, hat
dieser Führer einzig und allein den Zweck, den Unternehmern zu dienen, er ist
nichts als ein Retlameuntcrnchmcn, eine Art „Eisenbnhnzcitung" in Buchform.
Den Hauptinhalt bilden 57 — sage und schreibe siebenundfünfzig — Gcschäfts-
auzeigen von Leipziger Geschäften, die mit dreißig Ansichten von Leipziger Ge¬
bäuden, Denkmälern u. s. w. gemischt sind. Die elf vornugeheuden Seiten sind mit
einem „handelsgcschichtlichen Vorwort" und einer Beschreibung der dreißig Ab¬
bildungen gestillt, in die die üblichen stadtgeschichtlichen Brocken eingestreut siud.
Dazwischen ein Verzeichnis der Postämter, der Kirchen, der Denkmäler, der Kon¬
sulate, der „Vergnügen und Sehenswürdigkeiten" u. s. w.
Daß die siebenundfünfzig Geschnftsauzeigeu dem Fremden kein Bild von der
Leipziger Geschäftswelt geben können, liegt auf der Hand. Es sind zwar einige
bedeutendere Geschäfte darunter, aber zehnmal so viel ebenso bedeutende fehlen.
Sie haben eben nicht „inserirt," folglich sind sie für den Führer nicht vorhanden.
Was dabei herauskommt, dafür nur ein Beispiel. Leipzig hat jetzt über 500 Buch¬
handlungen, darunter etwa 6V Sortimentsgeschäfte mit offnem Laden. Der Führer
zählt S. 19 — zwei Buchhandlungen auf, die beiden, die „inserirt" haben.
Es ist fast unglaublich, aber es ist so. Ebenso steht es mit den Gasthöfen und
Wirtschaften. Diese scheinen sich grundsätzlich von dein Führer ferngehalten zu
haben. Infolge dessen ist in dem ganzen Heft nicht ein einziger Gnsthof er¬
wähnt! Ein paar Wirtschaften haben „inserirt," aber gerade die vornehmsten, an¬
gesehensten und beliebteste» fehle». Doch das sieht ja auch der blödeste Fremde
auf den ersten Blick. Was er aber nicht auf den ersten Blick sieht, das ist die
Jämmerlichkeit des vorausgeschickten Textes. Dieser Text ist in der Auswahl,
Anordnung und Darstellung des Stoffes so kindisch — das „haudelsgeschichtliche
Borwort" hätte getrost von Karlchen Micßnick unterzeichnet werden können —,
und dabei so voll von Fehlern. Mißverständnissen und Nachlässigkeiten, daß jeder
Fremde zu bedauern ist, dem dieses Machwerk in die Hände gespielt wird.
Was soll der Fremde dazu sagen, wenn er ins Rathaus kommt, um den „Silber¬
schatz" der Stadt zu sehen, und dort erfährt, daß der schon seit zwanzig Jahren
im Kunstgewerbemuseum ausgestellt ist? oder wenn er, um das Museum für
Völkerkunde zu besuche», i» die alte Buchhändlerbörse auf der Ritterstraße geht
und dort — den Universitätsfreitisch findet? Jeder Schüler auf der Straße
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